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Bahn-Börsengang Bahn frei für die Teilprivatisierung

Das Bundeskabinett hat den Weg zur Privatisierung des letzten großen deutschen Staatskonzerns freigemacht: Das Kabinett billigte den Gesetzentwurf zur Privatisierung der Deutschen Bahn. Nun können bis zu 49,9 Prozent der Bundesanteile an private Investoren gehen.

Die bundeseigene Bahn soll nach dem Willen der Bundesregierung teilweise in private Hände übergehen. Das Bundeskabinett beschloss am Dienstag den von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) vorgelegten Gesetzentwurf zur Teilprivatisierung des Bahnkonzerns. Die Entscheidung sei einstimmig gewesen, hieß es in Regierungskreisen.

Infrastruktur bleibt im Bundesbesitz

Nur die Infrastruktur wie das 34.000 Kilometer lange Schienennetz der Bahn, Bahnhöfe und Energieleistungen bleiben zunächst 15 Jahre im Eigentum des Bundes. Die Bahn darf es in dieser Zeit jedoch wirtschaftlich nutzen und soll durch Anteilsverkäufe an Privatinvestoren international stärker werden.

Tiefensee hatte angekündigt, er strebe Ende 2008 in einem ersten Schritt den Verkauf von etwa 25 Prozent Bundesanteilen an private Investoren an. Der Gesetzentwurf enthält dies bisher nicht. Der Zeitpunkt dürfte auch wesentlich von einer Einigung mit den Ländern abhängen. Bundestag und Bundesrat müssen dem Entwurf zustimmen.

Hessen sieht keine Mehrheit für Tiefensees Pläne

Gleichzeitig mehren sich die kritischen Stimmen zu Tiefensees Gesetzentwurf. Hessens Verkehrsminister Alois Rhiel (CDU) nannte den die Vorlage am Dienstag untauglich und wenig verbraucherfreundlich. Die Initiative "Bahn für alle" warnte, Tiefensees Pläne besiegelten die Privatisierung des Streckennetzes. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) appellierte an die Bundesländer, die Pläne zu stoppen. Der stellvertretende Unions-Bundestagsfraktionsvorsitzende Hans-Peter Friedrich (CSU) forderte, die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung im Gesetz zu präzisieren. Aus der SPD-Linken kam grundsätzliche Kritik am Börsengang.

Rhiel sagte, er sehe keine Mehrheit der Länder für den Gesetzentwurf und drohte mit einer Verschiebung der Bahnprivatisierung in die nächste Legislaturperiode. Das sei immer noch besser als eine schlechte Reform, die nicht mehr zu korrigieren sei. Tiefensees Vorschlag bevorzuge die Deutsche Bahn AG zu Lasten der Kunden und neuer Eisenbahnunternehmen. Bei einem privatwirtschaftlich betriebenen Schienennetzmonopol seien erhebliche Erhöhungen der Nutzungsentgelte und damit Preissteigerungen zu befürchten. Riehl forderte echten Wettbewerb zwischen Eisenbahnunternehmen. "Deutschland braucht eine klare Trennung zwischen Netz und Verkehren sowie eine effektive Regulierung der Trassenpreise", sagte er.

Verbände warnen vor Monopol

Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) kritisierte, der Wettbewerb auf der Schiene werde eingeschränkt. Wenn allein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten entschieden werde, könne dies außerdem dazu führen dass sich die Deutsche Bahn allein auf den rentablen Fernverkehr konzentriere und den Regional- und Nahverkehr vernachlässige.

Die Initiative "Bahn für alle" warnte, nach Tiefensees Gesetzentwurf bleibe das Streckennetz nur formal Eigentum des Bundes. Der Bahn werde ein Nutzungsrecht für mindestens 15 Jahre eingeräumt. "Gleichzeitig verpflichtet sich die Bundesrepublik, der Bahn ihre Eigeninvestitionen ins Streckennetz zu ersetzen, sollten die Gleise und Anlagen in 15 Jahren an den Staat zurückgehen", erläuterte Werner Reh vom Bündnis "Bahn für alle". Doch der Staat werde nicht in der Lage sein, das Geld für den Wertausgleich aufzubringen. "Die Summe wird den Privatisierungserlös bei weitem übersteigen", sagte der Verkehrsexperte.

Monopolstellung der Bahn bliebe

VCD-Verkehrsreferentin Heidi Tischmann kritisierte, wenn Tiefensees Entwurf umgesetzt werde, bleibe die Monopolstellung der Deutschen Bahn bestehen. "Eigentlich steht im Grundgesetz, dass der Staat verpflichtet ist, eine intakte Bahn-Infrastruktur vorzuhalten. Aber darauf hat der Staat keinen Einfluss mehr, wenn dieses Gesetz Wirklichkeit wird", sagte Tischmann. Dann werde die Deutsche Bahn das Schienennetz betreiben und es mit ihren Transportgesellschaften nutzen. "Es ist zu befürchten, dass die Mitbewerber nicht die gleichen Konditionen bekommen wie die Deutsche Bahn", sagte sie.

Friedrich sagte: "Der Bund bezahlt jährlich 2,5 Milliarden Euro und bekommt dafür Netzqualität." Noch sei aber gar nicht klar, was Netzqualität bedeute. Dies müsse definiert werden. "Vor der Privatisierung muss die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung daher eine einjährige Testphase im Echtbetrieb durchlaufen", sagte Friedrich.

Jusos zweifeln an Zukunftsfähigkeit des Projekts

Der Vorsitzende der Jungsozialisten (Jusos), Björn Böhning, sagte: "Ich habe noch kein überzeugendes Argument für den Verkauf der Bahn gehört - nicht vom Verkehrsminister und auch nicht von Bahnchef Hartmut Mehdorn." Aus sozialen und ökonomischen Gründen sei das Projekt nicht zukunftsfähig. Die großen Privatisierungswellen der 90er Jahre hätten auf kommunaler Ebene gezeigt, dass man politische und demokratische Entscheidungsspielräume abgebe, ohne zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten durch mehr Geld in den Haushalten zu erhalten. "Damit muss Schluss sein. Die SPD muss ihre Privatisierungspolitik überdenken", forderte Böhning.

DPA/DDP DPA

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