Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat Vorwürfe einer Mitschuld an Problemen bei der Bahn zurückgewiesen. "Die christlich-liberale Bundesregierung hat die Scherben aufgekehrt und den Kurswechsel hin zu einer kundenorientierten Deutschen Bahn vollzogen", sagte Ramsauer am Dienstag.
Zuvor hätten der damalige Bundesfinanzminister und heutige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sowie Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) eine Privatisierung des Konzerns vorangetrieben. Sie hätten "das Unternehmen kostenmäßig ausgeblutet und so die Braut für den Börsengang geschmückt". Dabei sei auch Personal "sträflich heruntergefahren" worden. Seit 2010 würden Mitarbeiterzahlen und Investitionen dagegen wieder erhöht.
Wegen des Chaos am Mainzer Hauptbahnhof hatte der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Roger Lewentz (SPD) zuvor der Bundesregierung "absolutes Versagen" vorgeworfen. Im ARD-Morgenmagazin kritisierte er Ramsauer: "Es ist schon befremdlich, dass ich ihn erst am Freitag auffordern musste, das zur Chefsache zu machen." Die Bundesregierung hätte viel schneller und von sich aus handeln müssen, da sie Eigentümer sei.
Die SPD hat wegen der Personalengpässe der Bahn im Stellwerk am Mainzer Hauptbahnhof eine Sondersitzung des Bundestags-Verkehrsausschusses beantragt. Bereits an diesem Freitag solle dabei auch Bundesverkehrsminister Ramsauer "über die Ursachen der aktuellen Personalkrise bei der Deutschen Bahn AG" berichten, heißt es in einem Schreiben der SPD-Verkehrsexperten Florian Pronold und Sören Bartol. Die Bundesregierung habe die Interessen des Eigentümers Bund gegenüber dem Konzern zu vertreten und Schaden von ihm abzuwenden.
"Falsch gespart. Das rächt sich jetzt"
In die Farce um den Stillstand am Mainzer Hauptbahnhof hatte sich auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück eingeschaltet. Vor dem Gipfeltreffen zum Krisenbahnhof kritisierte er die Personalpolitik der Deutschen Bahn AG. "Hier wurde offenbar falsch gespart. Das rächt sich jetzt", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Die Bahn-Mitarbeiter zu bestrafen und aus dem Urlaub zurückzuholen, sei der falsche Weg. Seit mehr als einer Woche fallen Züge im Bahnhof der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt wegen kranker und urlaubender Bahnmitarbeiter aus. Zunächst nur nachts, gelten die Einschränkungen seit Montag auch tagsüber.
"Die Fahrdienstleiter brauchen auch ihre Erholung, sonst betreibt man Raubbau an ihnen. Sie sind nicht für diese Fehlplanung verantwortlich", sagte Steinbrück der Zeitung. Von der Bahn forderte er schnelle Lösungen und Abhilfe. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) tue allerdings so, als gehe ihn das als Eigentümer der Bahn alles nichts an.
Der FDP-Fraktionschef im Bundestag, Rainer Brüderle, sprach sich im Interview mit der Mainzer "Allgemeinen Zeitung" für eine grundsätzlich neue Struktur der Bahn aus. Im Zusammenhang mit den Zugausfällen attestierte er dem Unternehmen eine "internationale Blamage". "Hier wird eine ganze Region in Geiselhaft genommen", sagte er der Zeitung.
Brüderle will Bahn AG an die Börse zu bringen
Nach den Worten von Brüderle müsse die Bahnstruktur mit ihrer staatlichen Absicherung grundlegend unter die Lupe genommen werden. "Ein freies Unternehmen im Wettbewerb könnte sich so etwas nicht leisten", erklärte er. Die Bahn AG an die Börse zu bringen hält der Politiker demnach "zum richtigen Zeitpunkt für überlegenswert". Brüderle unterstützte zudem den Vorschlag des FDP-Generalsekretärs Patrick Döring, notfalls Bahn-Mitarbeiter aus dem Urlaub zu holen.
Der Bahnvorstand für Infrastruktur, Volker Kefer, kündigte am Montagabend in einem Interview in der ARD-Sendung "Brennpunkt" an, die Deutsche Bahn wolle die Zahl ihrer Fahrdienstleiter erhöhen. Zudem sei geplant, eine mobile Reserve aufzubauen. Dabei sollen Fahrdienstleiter zusätzlich für weitere Bahnhöfe in der Umgebung geschult werden, um dort im Notfall einspringen zu können.
Wegen der massiven Probleme am Hauptbahnhof kommen heute Mittag Vertreter von Bahn, Gewerkschaft und Politik zu einem Gespräch in Mainz zusammen. Es wird auch eine Erklärung der Bahntochter DB Netz erwartet, ob und wann sich die Personallage bei den Fahrdienstleitern entspannt. Seit mehr als einer Woche fallen in Mainz wegen kranker und urlaubender Bahnmitarbeiter im Stellwerk Züge aus. Der Chef der Netztochter, Frank Sennhenn, deutete für Dienstag eine Lösung an.
Bahnchef Rüdiger Grube brach seinen Urlaub wegen der Probleme in Mainz ab. Er will am Mittwoch in Frankfurt an einem weiteren Spitzengespräch mit Personalmanagern der Bahn und der EVG-Führung teilnehmen.