Lokführergewerkschaft Die GDL sollte der Deutschen Bahn helfen, statt sie zu bestreiken

GDL Streik Bahn
Wiebelsbach, Hessen: Es fährt kein Zug nach nirgendwo 
© Arne Dedert / DPA
Alle wollen mehr Geld, da machen die Lokführer keine Ausnahme. Doch die Bezahlung ist nicht das einzige Problem. Um der Deutschen Bahn zu helfen und damit sich selbst, könnte die GDL ihr vielleicht einmal entgegenkommen.

Großraumwaggon, 2. Klasse, eine Gruppe mittelälterer Herren sitzt amüsiert an einem Vierertisch und rätselt darüber, warum der Zug so lange am Bahnhof Göttingen zwischenhält. Einer zückt sein Handy, wischt sich durch die Apps und verkündet: "Aha, unser ICE hat einen Bremsausfall, die Fahrstrecke muss neu berechnet werden." Schmunzeln, Schulterzucken, tja, sowas passiert eben. Einer schlägt vor, in den Zug gegenüber zu wechseln, der fahre ja auch nach Frankfurt. Aber, hach warum eigentlich, wir haben es doch eh nicht eilig. 

20 Minuten Stillstand in Göttingen

Diese Szene spielte sich vor vier Jahren ab, ich war auf dem Weg nach Fulda, für eine Reportage (über, seufz, Förster der Deutschen Bahn), und hatte, anders als die vier offenkundigen Bahnmitarbeiter, leider nicht alle Zeit der Welt. Anders als sie hatte ich auch keine freie Zugauswahl und hätte ich nicht direkt neben ihnen gesessen, hätte ich auch nie erfahren, warum wir 20 Minuten lang in Göttingen festhingen. 

Gegen störrische Technik ist niemand gewappnet, selbst oder vor allem nicht ein Unternehmen wie die Bahn. Doch dieses Episödchen ließ mich für einen Augenblick in die Seele der Bahner blicken: galgenhumorig, matt und schicksalsergeben schaut es dort aus, kein Tschakka nirgendwo. Ich kann die Männer sogar verstehen. Sie gehören zu den bemitleidenswerten Tröpfen, die ein hochkomplexes Gebilde wie den deutschen Zugverkehr am Laufen halten sollen, das vor aller Augen zerbröselt.

Jahrelanger Bereitschaftsdienst

Ich verstehe die Bahner auch deswegen, weil meine beiden Großväter ebenfalls welche waren: der eine Lokführer, der andere Polizist. Ersterer hat sehr viele Jahre seines Lebens in Reserve verbracht, sprich: Er musste sich bereithalten falls mal ein Lokführer-Kollege ausfällt. Für das Familienleben sind solche Dienste nur mittelprächtig, aber Bahner zu sein war früher etwas Besonderes, pathetisch gesagt: eine Sache der Ehre. 

Für Stolz bietet die heruntergewirtschaftete Firma nur noch wenig Anlass. Mittlerweile, so erzählen manche, die den Laden von innen kennen, ist regelmäßiges Blaumachen die einzige Möglichkeit, das ganze Elend überhaupt zu ertragen. Offenbar reicht es, sich zehn Minuten vor Dienstbeginn krank zu melden. Den Umständen entsprechend mag das nachvollziehbar sein, nur leider sind es die Bahnkunden, die diese Unwuchten ausbaden müssen. 

Arbeitskämpfe sind schmerzhaft

Womit wir bei der Lokführergewerkschaft GDL, ihrem Chef Claus Weselsky und deren gefühlten Dauerstreiks sind. Ja, klar sind Arbeitskämpfe schmerzhaft, das ist ihr Sinn. Und ja, natürlich sollen die Menschen anständig bezahlt werden und gute Arbeitszeiten haben – wenn die Chefs nicht wollen, folgt eben ein Ausstand. Zumal ein Radaubruder wie Weselsky den Eindruck erweckt, überhaupt grundsätzlich einfach sehr gerne zum Streik aufzurufen.

Im Fall der Bahn liegt es in der Natur der Sache, dass Arbeitskämpfe auf Kosten von Bahnfahrern und -fahrerinnen gehen. Nur leider können die, also wir alle, in der Sache wenig helfen. Aus Solidarität mit den Lokführern jetzt erst recht Zug fahren? Geht nicht. Auf die Bahn verzichten? Albern. Aufs Auto umzusteigen? Natürlich nicht. Obwohl: Bei meiner persönlichen Zugverspätungsquote von 70 Prozent denke ich ernsthaft darüber nach.

Gesamtärgernis Deutsche Bahn

Das ist das Ärgerliche an den GDL-Streiks: Sie helfen dem Gesamtsystem Deutsche Bahn in keiner Weise. Kein Zug kommt pünktlicher, kein Bahnhof wird sauberer, keine zusätzliche Schiene verlegt, kein Kunde ist weniger genervt. Vielleicht wäre es an der Zeit für eine Art von Bahnpakt: Die Gewerkschaften specken ihre Forderungskataloge ab, dafür sorgt der Arbeitgeber für mehr Personal und ganz generell bessere Ausstattung. Das würde ganz nebenbei auch uns Kunden sehr gefallen. Vielleicht klingt das sehr simpel, aber als Kind einer Bahnerfamilie will ich die Hoffnung auf eine gute Deutsche Bahn nicht aufgeben.