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Drogeriekette in der Krise Schlecker-Frauen droht bitteres Ende

Die FDP zieht bei Schlecker durch und lässt die Länderbürgschaft für die Transfergesellschaft wohl platzen. Baden-Württemberg wirft noch einen Rettungsring. Für 11.000 Schlecker-Beschäftigte scheint das Aus aber unvermeidlich.

Für die Anhänger des freien Wettbewerbs musste es zwangsläufig so enden. Doch ist das wahrscheinliche Aus im Gefecht um die Schlecker-Transfergesellschaften auch ein Sieg für die soziale Marktwirtschaft? Allen Absichtserklärungen zum Trotz löste sich der Silberstreif am Horizont, alle oder auch nur einige Bundesländer könnten zusammen für einen KfW-Kredit bürgen, am Mittwoch in Luft auf.

Wochenlang durften rund 11.000 Schlecker-Frauen und auch einige Männer auf den vollen Einsatz der Politik hoffen. Letztlich sind sie nun doch auf sich selbst angewiesen. Und auf die nächste Hoffnung - dass aus der Insolvenzmasse vielleicht auch für sie etwas übrig bleibt.

Geiwitz versucht noch, Bedenken zu zerstreuen

Es war ein Drama, dass sich am Mittwoch in Stuttgart und zeitgleich in Ulm abspielte: Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz versuchte noch am Morgen über seinen Sprecher, Bedenken zu zerstreuen - die aus Sicht der zweifelnden FDP-Wirtschaftsministerien in Hannover und Dresden vor allem einem Gutachten von PricewaterhouseCoopers entspringen, das recht hohe Risiken für Schlecker selbst und die Rückzahlung von Hilfsgeldern vorausgesagt hat.

Geiwitz selbst nimmt an der entscheidenden Sitzung des Finanz- und Wirtschaftsausschusses im Stuttgarter Landtag teil, um seine Prognosen für Schlecker zu erläutern und mit Vertretern aller Parteien zu beraten. Zeitgleich eröffnet in Ulm das Amtsgericht das Insolvenzverfahren - und das will Geiwitz eigentlich ohne den Ballast defizitärer Filialen und unklarer Verhältnisse beim Jobaubbau beginnen.

Stuttgart und Berlin machen Druck auf Niedersachsen

Schon am Morgen hält es auch Wirtschaftsminister Nils Schmid nicht auf seinem Platz im Landtag. Draußen auf den Gängen zückt er sofort sein Handy oder bespricht sich in Ecken mit engen Mitarbeitern. Der 38-jährige SPD-Mann weiß, dass seine Rettungsmission vor dem Scheitern steht. Die schwarz-gelb regierten Niedersachsen und Sachsen wollen bei der Bürgschaft für die Transfergesellschaft nicht mitmachen.

Doch Schmid holt sich Hilfe. Der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU) wird von Stuttgart und Berlin aus in die Zange genommen. Sowohl Stuttgarts Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) als auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) lassen McAllister ausrichten, er dürfe sich sein Verhalten nicht von der FDP diktieren lassen.

FDP will Kante zeigen

Es ist auch ein Kampf zwischen von der Leyen und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). Der FDP-Chef hatte es Mitte März abgelehnt, dass der Bund für die Auffanggesellschaft bürgt. Doch die Arbeitsministerin kämpfte an der Seite Baden-Württembergs für die Schlecker-Frauen. Seit dem Wahldebakel im Saarland müssen die Liberalen erneut Erfolge vorweisen - am besten, indem sie Kante zeigen. Das Ergebnis: Der Wirtschaftsminister in Niedersachsen, Jörg Bode (FDP), lehnt eine Beteiligung an der Bürgschaft ab und löst damit einen Domino-Effekt aus.

Denn andere Länder hatten ihr Ja daran geknüpft, dass alle anderen Länder auch mitmachen. Und auch Sachsen mit seinem FDP-Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) hat immer wieder in den vergangenen Tagen lautstark seine Skepsis klar gemacht. Im Stuttgarter Parlament selbst hat sich die kleine FDP-Fraktion klar gegen die Staatsknete für Schlecker gesperrt.

Schmid muss sich "Dilettantismus" vorwerfen lassen

Als Schmid am Mittag klar wird, dass es mit der großen Lösung nichts wird, schwenkt er auf Plan B über. Er will die Bürgschaft für die 70 Millionen Euro allein mit Bayern und Nordrhein-Westfalen stemmen. Aus München kommt die Botschaft von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), er wolle unbedingt eine Lösung. Bei Schmid und Co. keimt neue Hoffnung. Doch die Blütenträume platzen am späten Nachmittag, als Finanzminister Markus Söder (CSU) erklären lässt, das sei Bayern zu heikel und zu teuer.

Für Schmid ist das ein schwerer Schlag. Der Minister gibt auf allen Kanälen den Retter der 11.000 Schlecker-Frauen. Für ihn ist es die ideale Gelegenheit, endlich aus dem Schatten des äußerst populären Regierungschefs Kretschmann zu treten. Nun muss er sich von CDU-Fraktionschef Peter Hauk sogar "Dilettantismus" vorwerfen lassen. Das Nein der FDP in Niedersachsen und Sachsen sei doch absehbar gewesen, von daher hätte der Plan B längst abgestimmt sein müssen. Auch in den eigenen Reihen heißt es, Schmid habe sich zu lange von den Liberalen am Nasenring durch die Manege ziehen lassen.

Insolvenzverwalter Geiwitz fehlt nun ein wichtiges Verkaufsargument, um Investoren die verkleinerte Kette Schlecker schmackhaft zu machen. Ohne eine Transferlösung ist es nicht einfach, klar Schiff zu machen. Denn Verdi und der Betriebsrat werden unter solchen Umständen nicht aufgeschlossener für Einsparpotenziale bei den verbleibenden Mitarbeiterinnen sein.

Johannes Wagemann, Henning Otte/DPA DPA

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