Wann haben Sie das letzte Mal ein "Veggie-Schnitzel" gekauft und sich dann gewundert, dass gar kein Fleisch drin ist? Oder im Supermarkt zum "Soja-Würstchen" gegriffen im festen Glauben, sie würden da irgendwas bekommen, was mal zu einem Tier gehört hat? Wahrscheinlich schon länger nicht mehr, gibt's schließlich alles schon ein paar Jährchen. Man hat sich dran gewöhnt.
Die Europäische Volkspartei (EVP) aber sieht dennoch genau hier ein Problem, das jetzt einer strikten Lösung bedarf. Damit überzeugte Fleischesser nicht aus Versehen zu einer pflanzlichen Alternative greifen, sollen Begriffe wie "Wurst", "Schnitzel", "Steak" oder "Burger" künftig "ausschließlich Produkten vorbehalten sein, die Fleisch enthalten". So steht es in einem Vorschlag der EVP, über den das EU-Parlament in dieser Woche abstimmt.
Tatütata, die Sprachpolizei ist da! Und ausgerechnet die Konservativen, die den Linken so gerne Sprechverbote und Zensur vorwerfen, haben sie gerufen. Unter dem Deckmäntelchen des Verbraucherschutzes betreiben sie Lobby für die gute alte Fleischindustrie – und ein bisschen Kulturkampf gleich mit.
Das Veggie-Verbot: eine große Heuchelei
Die EVP ist die größte Fraktion im EU-Parlament, auch die deutschen Vertreter von CDU/CSU gehören ihr an. Eingebracht wurde der Verbotsantrag von einer französischen EVP-Abgeordneten mit engen Verbindungen in die Landwirtschaft. Durch den Agrarausschuss hat sie ihren Anti-Veggie-Vorstoß schon bekommen. Sollte das EU-Parlament ihn durchwinken, wäre eine weitere Hürde genommen. Letztlich müssten noch die EU-Staaten zustimmen.
Vor fünf Jahren war ein ähnlicher EU-Vorstoß schon mal knapp gescheitert. Diesmal scheint zumindest der Bundeskanzler bereit, für Deutschland die Rolle des Wurst-Sheriffs zu spielen. "Eine Wurst ist eine Wurst. Wurst ist nicht vegan", sagte Friedrich Merz am Sonntag bei "Caren Miosga" in der ARD. CSU-Landwirtschaftsminister Alois Rainer, gelernter Metzgermeister, sieht das ähnlich. Und Wurst-Influencer Markus Söder, der in Bierzelten gerne genüsslich den modernen "Tofu-Terror" anprangert, braucht man wohl erst gar nicht zu fragen.
Verbraucherschutz, den die Verbraucherschützer nicht wollen
Tatsächlich ist das geplante Veggie-Namensverbot nichts anderes als eine Farce. Begründet wird es vorrangig mit dem Verbraucherschutz – dabei halten selbst Verbraucherschützer es für Quatsch. Der Europäische Verbraucherverband erklärte, die Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher sei von den verwendeten Begriffen überhaupt nicht verwirrt. Und auch der hiesige Verbraucherzentrale Bundesverband meint, ein solches Verbot helfe niemandem. Wer ein "veganes Seitan-Schnitzel" kaufe, wisse sehr gut, was ihn geschmacklich erwarte und welche Ersatzzutat enthalten sei.
Gegen das Namensverbot stellen sich zudem nicht nur Hersteller pflanzlicher Alternativen wie Rügenwalder Mühle, die massiv betroffen wären. Auch die Discounter Lidl und Aldi – ideologisch eher unverdächtig – versuchten, die deutschen EU-Parlamentarier zuletzt mit einem gemeinsamen Brief zur Vernunft zu bewegen. Vegane Schnitzel seien den Kunden längst ein Begriff, wenn die Produkte künftig "vegane panierte Protein-Scheibe" oder ähnlich kreativ heißen müssten, sorge das erst recht für Verwirrung.
Was wird aus dem Apfelschnitz?
Natürlich ist es richtig, dass es bei Lebensmitteln klare Regeln gibt, wie etwas genannt werden darf und wie nicht, damit Verbraucher nicht in die Irre geführt werden. Aber an anderer Stelle traut man den Konsumenten ja auch schon lange zu, dass sie nicht jeden Begriff wörtlich nehmen. Dass im "Lachsschinken" aus dem Wurstregal gar kein Lachs steckt, dürfte sich herumgesprochen haben. Und im bayerischen Leberkäse – welch sprachliche Irreführung – ist weder Leber noch Käse enthalten. Dafür gibt es umgekehrt das "Käseschnitzel", das zwar Käse, aber kein Fleisch enthält. Im Deutschen bedeutet Schnitzel im Wortsinn sowieso nichts anderes als "abgeschnittenes Stück", weshalb bis heute Menschen vom Apfelschnitz sprechen, ohne mit der europäischen Fleischlobby Probleme zu bekommen.
Ohnehin ist es ziemlich ironisch, dass ausgerechnet die Wurst- und Fleischlobby mehr Transparenz für Verbraucher einfordert. Also jene Industrie, die gemeinhin alles daransetzt, den Kunden vergessen zu lassen, dass ein Großteil ihrer Produkte aus Massentierhaltung stammt, die für die übelsten Schockbilder taugt. Auf die Verpackung druckt man lieber heile Bauernhofwelt und ein paar verwirrende Label, die irgendwas mit Tierwohl suggerieren.
Mit systematischer Irreführung kennt sich die Fleisch- und Wurstbranche jedenfalls bestens aus. Bis vor Kurzem war es in Deutschland zum Beispiel noch üblich, "Geflügelwurst" zu verkaufen, die tatsächlich zu großen Teilen aus Schwein bestand. Heute muss das zumindest gekennzeichnet werden. Aber was in einer tierischen Wurst so alles drinsteckt, das will man ja vielleicht sowieso lieber nicht so genau wissen.