Alle Hindernisse sind überwunden, nun ist er gestartet: Die Finanzminister der Eurozone haben am Montagnachmittag in Luxemburg den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in Kraft gesetzt. Dieser löst den bisherigen Euro-Rettungsschirm EFSF ab. Wir erklären, wie viel Deutschland zahlen muss, wie der ESM funktioniert - und was er nicht leisten kann.
Warum gibt es den ESM?
Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) löst den 2010 ins Leben gerufenen befristeten Fonds EFSF und den aus dem EU-Haushalt finanzierten EFSM ab. Der ESM soll eine Schutzvorrichtung in der aktuellen Staatsschuldenkrise sein, aber auch bei künftigen Krisen. Für den ESM wurde der EU-Grundsatzvertrag von Lissabon geändert, die Konstruktion bietet damit mehr Rechtssicherheit als die EFSF.
Warum wurde der ESM heute gegründet?
Anlass war das Treffen der Finanzminister der Euro-Zone (Euro-Gruppe) in Luxemburg. Die Finanzminister sind zugleich die sogenannten Gouverneure des ESM, der Gouverneursrat trifft alle Grundsatzentscheidungen. Im Alltag werden sich die Minister von Staatssekretären vertreten lassen. Der ESM sollte eigentlich im Juli seine Arbeit aufnehmen, aber bis dahin hatten nicht alle 17 Staaten den ESM-Vertrag ratifiziert. Deutschland musste bis zum Urteil des Verfassungsgerichts warten und dann dessen Bedingung erfüllen klarzustellen, dass Deutschland nicht mit mehr als 190 Milliarden Euro für den Rettungsschirm haftet.
Wie groß ist der ESM?
Der Fonds kann bis zu 500 Milliarden Euro ausleihen. Damit er sich mit Hilfe des begehrten AAA-Ratings am Finanzmarkt günstig Geld leihen kann, steht dahinter ein Gesamtkapital von 700 Milliarden Euro. 80 Milliarden davon werden bis 2014 von den 17 Euro-Staaten eingezahlt, der Rest sind Garantien. Die ersten 32 Milliarden Euro Bareinzahlung sollen die Konten des Fonds noch im Oktober erreichen. Der deutsche Anteil am Fonds beträgt gut 27 Prozent. In den nächsten Tagen werden daher aus dem Bundeshaushalt knapp 8,7 Milliarden Euro an den ESM nach Luxemburg überwiesen. Dafür wurde ein Nachtragshaushalt beschlossen. Bis 2014 zahlt Deutschland 21,7 Milliarden Euro ein.
Was wird aus der EFSF?
Die Europäische Finanzmarkt-Stabilisierungs-Fazilität bleibt zuständig für die Hilfsprogramme für Irland, Portugal und Griechenland. Das Programm zur Rekapitalisierung der spanischen Banken, für das 100 Milliarden Euro bewilligt wurden, wird dagegen vom ESM übernommen. Für November werden die ersten Auszahlungen an Spanien erwartet. Die EFSF hat noch eine "freie" Kapazität von rund 200 Milliarden Euro, abgedeckt durch Garantien der Mitgliedstaaten. Dieser Geldspeicher wird jedoch nach derzeitiger Beschlusslage Mitte 2013 geschlossen.
Wofür reicht der ESM?
Der ESM kann das geplante Hilfsprogramm für Zypern und eventuelle kleinere Zusatzprogramme für Griechenland oder Portugal ohne weiteres verkraften. Auch ein weiterer Hilfsantrag Spaniens wäre kein Problem: Denkbar wären dann eine flexible Kreditlinie für Spanien zwischen 50 und 100 Milliarden Euro und ein Programm für Primärmarktkäufe spanischer Anleihen. Aus 50 Milliarden Euro des ESM könnten per Hebelung - also durch Einbeziehung privater Investoren - mindestens 150 Milliarden Euro für Anleihekäufe werden. Eng würde es, wenn auch Italien Hilfen beantragen würde. Um Spanien und Italien für mehrere Jahre vom Markt zu nehmen, wie das bei Griechenland und Portugal geschehen ist, würde der ESM nicht ausreichen. Kurz- und mittelfristig sieht man beim ESM jedoch keine Probleme. Da jedes Hilfsprogramm langsam anlaufe, werde genug Geld für die nötigen Kredite verfügbar sein.
Wie viele Leute arbeiten für den ESM?
Der ESM übernimmt zunächst die meisten EFSF-Mitarbeiter und startet mit 60 Leuten. Bis nächsten Sommer soll die Mitarbeiterzahl auf 100 wachsen. Während die EFSF alle Anleiheemissionen und den Handel mit Wertpapieren anfangs allein durch die Deutsche Finanzagentur in Frankfurt abwickeln ließ, wird jetzt eine eigene Handelsabteilung aufgebaut. Die ersten Emissionen von Kurzfrist-Papieren der EFSF wurden schon in Luxemburg abgewickelt.
Wird der ESM auch zum Bankenfonds?
Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone haben Ende Juni beschlossen, dass der ESM auch direkt Banken aus der Euro-Zone rekapitalisieren darf. Voraussetzung ist allerdings, dass das neue Aufsichtssystem für die Banken der Euro-Zone steht und seine Arbeit aufgenommen hat. Ob die Voraussetzungen stimmen, wird möglicherweise ein Gutachter von außen, etwa der IWF, beurteilen. Der ESM arbeitet intern bereits an Richtlinien, wie die Rekapitalisierung stattfinden könnte. Der Fonds würde zum Mitbesitzer der Banken und müsste eigene oder fremde Experten beschäftigen, um die Banken beurteilen zu können, Aufsichtsräte zu stellen und Ähnliches.