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Eurokrise und kein Ende Spaniens Stolz ist Merkels Elend

In den Bilanzen iberischer Banken klaffen Milliardenlöcher. Trotzdem will Spanien nicht unter den Rettungsfonds schlüpfen, ganz zum Verdruss der Börsen - und der deutschen Kanzlerin.
Von Thomas Schmoll

In Krisenzeiten wie diesen sinken die Ansprüche. Da erheben Staatslenker schon mal das Ende der Welt zum Maßstab, um die Lage weniger schlimm erscheinen zu lassen, als sie ist. Zum Beispiel der spanische Regierungschef Mariano Rajoy, der jüngst erklärte: "Wir sind nicht auf Rosen gebettet. Aber wir befinden uns auch nicht am Vorabend der Apokalypse."

In der Tat: Der Weltuntergang droht nicht, wohl aber das Ende einer mühevoll zusammengezimmerten und zusammengehaltenen Währungsunion. Griechenland ist längst nicht mehr das einzige Problem der Europäer. In Spanien tickt eine Zeitbombe. Die Lage des Landes mit seinen maroden Banken und deren Defizite in wenigstens zweistelliger Milliardenhöhe ist wahrlich alles andere als rosig. In der Bundesregierung wird der zusätzliche Kapitalbedarf der Bankenwirtschaft auf 50 bis 90 Milliarden Euro geschätzt. Insbesondere die Sparkasse Bankia gilt als Fass ohne Boden. Der Zins für spanische Staatsanleihen verharrt oberhalb der Sechs-Prozent-Marke, ab der ein Staat quasi ohne Hilfe nicht in der Lage ist, sich finanziell dauerhaft über Wasser zu halten. Die Versicherungen für den Fall, dass Spanien seine Geldgeber nicht mehr bezahlen kann, werden immer teurer. Vor den Wahlen in Griechenland am 17. Juni wird sich dieser Trend nicht umkehren - schon gar nicht, wenn sich das politische Chaos in Hellas danach nicht lichtet. Zudem steckt Spanien in einer Rezession inklusive hoher Arbeitslosigkeit vor allem unter jungen Leuten.

Die "Bankia"-Bombe platzte

Die konservative Regierung in Madrid hat schon einiges getan, das Land fit zu machen. Spanien konnte seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern, die Exporte steigern. Die Sparanstrengungen wirken, die Neuverschuldung hält sich in Grenzen. Das Kabinett Rajoy hat jedoch auch einiges getan, die Finanzmärkte gegen sein Land in Stellung zu bringen. Wochenlang leugnete die Regierung die Probleme bei Bankia - bis die Bombe platzte und Madrid einräumen musste, dass dem Geldhaus 23 Milliarden Euro in der Bilanz fehlen. Die Folge: Der Aktienmarktindex des Landes fiel auf ein Neun-Jahres-Tief, der Euro sackte ab und Investoren verkauften spanische Staatsanleihen. "Es gibt eine erste Schätzung, dann eine zweite, eine dritte, eine vierte", klagt der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi. "Schlechter kann man die Dinge nicht angehen."

Spanien werde die Krise überstehen, sagt der Ministerpräsident tapfer. Denn: "Spanien ist ein solides Land. Wir werden aus eigener Anstrengung und mit der Unterstützung unserer EU-Partner das Unwetter überstehen." Die anderen Euro-Staaten sind in der Tat bereit, dem Land Rettungskredite in Milliardenhöhe zukommen zu lassen - wie den Griechen, den Iren und den Portugiesen. Die Frage ist nur: Auf welche Weise? Das stolze Spanien weigert sich strikt, unter den Euro-Rettungsschirm EFSF zu schlüpfen - und beschert Europa damit den nächsten handfesten Streit inmitten der nunmehr zweijährigen Währungskrise.

Rajoy will Geld direkt an Banken weiterleiten

Zwar räumt der Regierungschef finanzielle Engpässe ein. Dennoch lehnt er ein Rettungspaket für sein Land von außen ab. Der Grund für die steigenden Zinskosten für Spanien liege in der Unsicherheit über die Euro-Zone, meint Rajoy und versucht damit, das spanische Desaster der gesamten Euro-Krise anzukreiden. Denn unter den Rettungsschirm zu schlüpfen, hieße, Spanien würde das blühen, was Griechenland, Irland und Portugal schon erleben: Geld gegen Reformversprechen und weitgehende Haushaltskontrolle durch andere Staaten. Die Regierung in Madrid möchte sich nicht die Blöße geben, Banken mit dem Geld fremder Nationen zu retten - es wäre ein politischer Offenbarungseid ganze fünf Monate nach Amtsantritt. Rajoy strebt an, dass die notwendigen Stützungsmilliarden aus dem Euro-Rettungsmechanismus direkt an die Banken fließen.

Das wiederum passt Bundeskanzlerin Angela Merkel ganz und gar nicht, weil sie fürchtet, dass immense Summen nach Spanien fließen, ohne dass die anderen Euro-Staaten den Empfängerländern Reformauflagen machen könnten. Und was, wenn die Bank, die Geld erhält, pleitegeht? Sind die Milliarden dann futsch für alle Zeiten?

Und dann wären da noch die italienischen Banken ...

Merkel und ihre Finanzminister Wolfgang Schäuble üben deshalb nach Darstellung der "Financial Times Deutschland" und des "Spiegel" Druck auf Spanien aus, Geld aus dem EFSF anzunehmen. Die Berliner Regierung erhoffe sich davon, dass sich die Turbulenzen an den Finanzmärkten nicht weiter verschärften und die Ansteckungsgefahren in der Euro-Zone gebannt werden könnten, hieß es den Blättern zufolge in der Koalitionsspitze. In Berlin geht die Angst um, dass die lodernde Euro-Krise doch noch zum Flächenbrand wird und die gesamte Wirtschaft des Kontinents in die Rezession treibt. Das Dementi aus Madrid kam prompt. Es gebe keinen Druck aus Berlin, erklärte ein Regierungssprecher. Geholfen hat es nicht. Am Montag stürzte der wichtigste Börsenindex Deutschlands ab. Der Dax lag erstmals seit Januar unter 6000 Punkten. Auch Anleger anderer Länder erfasste die Panik. Sie trennten sich massiv von Aktien und anderen Wertpapieren, Börsenkurse gaben auf breiter Fläche nach.

Besondere Brisanz ergibt sich daraus, dass Europas Währungshüter den Spaniern direkte Hilfen für Banken aus dem Krisenfonds ESM ermöglichen wollen, der den bis zum 1. Juli befristeten Rettungsmechanismus EFSF ablösen soll. "Leute arbeiten an Wegen, wie der ESM genutzt werden kann, um Banken zu rekapitalisieren", sagt Zentralbankchef Draghi. Es werde geprüft, "ob das möglich ist, ohne dabei über Regierungen zu gehen". Der Vertrag zum 700 Milliarden Euro schweren ESM erlaubt nur Auszahlungen an Regierungen - aber nicht an Banken. Merkel und Draghi haben bisher in zentralen Fragen der Euro-Rettungspolitik Einigkeit präsentiert. In der Frage der Finanzierung maroder Banken herrscht offenkundiger Dissens. Dabei bekundete der Italiener via "Bild"-Zeitung kürzlich noch ganz im Sinne der Kanzlerin: "Wenn wir das Geld der Steuerzahler schützen wollen, darf aus der Eurozone keine Transferunion werden, in der ein, zwei Länder zahlen, der Rest ausgibt und das Ganze durch gemeinsame Eurobonds finanziert wird."

Ignazio Visco, Chef der Banca d'Italia und Landsmann Draghis, meint: "Es muss die Möglichkeit geben, schnell auf den Anleihemärkten und direkt zugunsten von Banken zu intervenieren." Wer weiß, ob er dabei nicht auch schon die italienischen Banken im Hinterkopf hat. Denen geht es nämlich auch nicht rosig.

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