Öko-Landbau, Windenergie, Atomkraft Wer hat Angst vor den Schwarzen?

Wenige Themen geht die Union so rigoros an wie die rot-grün gefärbten. Ob Öko-Landbau, Windenergie oder Atomkraft - hier wird eine Kanzlerin Merkel kürzen, umreißen, anders gewichten. Die Betroffenen wappnen sich.

Den Ringelblumen, die das sanft ansteigende Feld orangefarben wie ein riesiger flauschiger Badvorleger überziehen, wird demnächst der Garaus gemacht. Sie werden geköpft, getrocknet und ausgequetscht. Ihr Extrakt soll in Arzneien heilsame Wirkung entfalten. Die Ringelblumen vom Hofgut Habitzheim sind rein bio. Der Bauer Felix Prinz zu Löwenstein, der sie südlich von Darmstadt anbaut, ist Mitglied bei "Naturland" und Vorstand des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Allerdings, gesteht Löwenstein, habe er das Bäuerliche seiner Arbeit längst an zwei Angestellte delegieren müssen. Anders gehe das nicht mehr, so viel Politik. "Eine Erleichterung könnte ein Regierungswechsel vielleicht bringen", sagt er spöttisch, "dass die viele, viele Beraterarbeit etwas weniger würde."

Der Prinz ist Lobbyist,

unbezahlt. Unter Rot-Grün kam der 51-Jährige der Macht sehr nahe. Als Landwirtschaftsministerin Renate Künast nach der BSE-Krise vor vier Jahren Experten einlud, ein Bundesprogramm für den ökologischen Landbau zu schreiben, war er dabei. "Und das Schöne war", sagt er, "das Papier verschwand nicht in der Schublade wie so viele vorher, sondern wurde tatsächlich zu Politik."

Bald kann das Werk im Eimer landen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Künast nach der Wahl nicht mehr Ministerin sein und eine neue Bundesregierung von der Union geführt wird. Löwenstein fürchtet, dass es seinem aufblühenden Wirtschaftszweig so gehen könnte wie den Ringelblumen: kappen, ausdörren, auspressen. Nur, dass er das wenig heilsam findet: "Da wird ein Wachstumsmarkt sinnlos gebremst."

Die Befürchtungen des distinguierten Bauern speisen sich aus Reden der Kanzlerkandidatin Angela Merkel und ihrer Wahlhelfer. Bei wenigen Themen werden die Schwarzen so konkret wie bei den rot und grün gefärbten: dem Öko-Landbau, dem Atomausstieg, dem Bergbau, den erneuerbaren Energien. Da wollen die Konservativen weniger fördern (Bio-Bauern), Laufzeiten verlängern (Atomkraftwerke), Subventionen gegen null fahren (Steinkohle) und Finanzierungen umschmeißen (Windenergie). Das verunsichert, schürt Angst und weckt Widerstand.

Wie das geht, Bio an den Katzentisch zurückzuzwingen, machen die CDU-geführten Länder Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Hessen vor: Sie nehmen Förderanträge von Bauern, die auf Öko-Landbau umstellen wollten, nicht mehr an. Bedrohlich findet Löwenstein das nicht. Bedrohlich fände er es, wenn eine Regierung Merkel in ein paar Jahren, bei den Verhandlungen in Brüssel über einen neuen Agrarhaushalt, an der so genannten zweiten Säule sägen würde. Aus ihr fließen die Zuschüsse in den Öko-Landbau. Und richtig gefährlich findet er Absichten, genverändertes Saatgut zuzulassen. "Wir wissen aus Amerika, dass die Ausbreitung nicht zu kontrollieren ist. Es brächte die Produkte der europäischen Bauern um den Wettwerbsvorteil, den sie ohne Genmanipulation noch haben."

Löwenstein bleibt trotz der angekündigten Wende ins Ungewisse ein verschmitzter Optimist. Das liegt auch an - Bayern. Denn aller schwarzen Rhetorik zum Trotz liegen dort, im Reich der CSU, die Fördersätze für Öko-Landbau mit am höchsten in Deutschland. Und ändern will das keiner. Zu gut, hat man gemerkt, ist die Wasserqualität geworden, zu verlockend der Absatz von Bio-Produkten.

Reden und Handeln sind bei den Unionsparteien noch ganz durcheinander. Länderchefs machen etwas völlig anderes, als die Parteispitze zur Strategie erklärt. Würde eine Unionsregierung also wirklich keine neuen Bio-Höfe mehr fördern, keine Solaranlagen und Windräder?

Menschen wie Fritz Vahrenholt, Vorstandschef der Repower Systems AG, sehen das noch nicht. Das macht ihn gelassener, als es die Ansagen aus Berlin vermuten lassen. Die klingen für sein Gewerbe nämlich eher bedrohlich. Repower stellt Windräder her. Windenergie, sagt aber die Union, sei teuer und zu hoch gefördert, die Finanzierung gehöre überhaupt umgestellt und das Gesetz für erneuerbare Energien "überarbeitet".

Vahrenholt ist von Hamburg nach Husum gefahren, zum größten Betrieb von Repower. Die Nordseeküste bot sich als Standort an, weil es in Husum immer zieht und weil damals, 2000, hier gerade die Werft dicht machte, deren Areal genutzt werden und deren Fachkräfte man übernehmen konnte. 12,5 Prozent sollten die erneuerbaren Energien bis 2010 dem Strommarkt abjagen, plante Rot-Grün. Die Windenergie hat schon sechs Prozent. Der jungen Branche die Beine wegzuschlagen hielte Vahrenholt für dumm: "Ausgerechnet wenn der Markt wächst, hören wir hier auf?" Wo sie bis nach China ihr Wissen verkauften, in die EU ihre Anlagen? Wo der Maschinenbau so neue Chancen habe? Wo andere Länder das Gesetz über erneuerbare Energien kopierten? Manchmal hört man durch, dass er Sozialdemokrat ist.

Vor einiger Zeit bekam er einen Anruf von Peter Harry Carstensen, dem neuen Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins. Da merkte er, dass die Union noch nicht weiß, was sie tut. Carstensen, der CDU-Mann, bot ihm gleich nach seiner Regierungsübernahme zehn Standorte an, an denen Repower ihr Riesenwindrad, die Fünf-Megawatt-Anlage M 5, installieren lassen könnte: Höhe 120 Meter, Rotordurchmesser 126 Meter. "Das geht jetzt flotter als unter Rot-Grün in Schleswig-Holstein", spottet Vahrenholt. Die M 5 an Land zu testen ist Voraussetzung dafür, dass Repower endlich mit ihr aufs Meer gehen kann, "offshore". Doch jetzt stagniert alles. Investoren wollen Gewissheit über die Vergütung von Öko-Strom haben. Aber Gewissheit gibt es nicht im Wahlkampf.

Vahrenholt denkt laut über eine große Koalition nach, es ist ein bisschen seine Sehnsucht, "weil wir einen richtigen Energiekonsens brauchen und nicht Gesetze, die keine Legislatur überstehen". Er rollt schon mal den schwarz-roten Teppich aus, hat Merkels Absicht vorweggenommen und vergangenes Jahr vorgeschlagen, die Atomkraftwerke sollten ein paar Jahre länger am Netz bleiben. Was hatten sie ihn da beschimpft!

Bloß, was wird mit dem Atommüll? Der dann noch fünf oder acht Jahre länger anfällt, obwohl es immer noch kein Endlager für ihn gibt? Ja, sagt Vahrenholt, der mal Umweltsenator in Hamburg war, und seine Verve lässt augenblicklich nach, für den Müll müsse man eine Lösung finden, schon, aber die paar Jahre mehr? Neulich fuhr Jürgen Trittin ins Wendland. Der Umweltminister bat die Kämpfer gegen das Zwischenlager Gorleben um ein Treffen, ohne Presse bitte. Trittin ließ sich beraten: Soll er das "Endlagersuchgesetz" noch auf den Weg bringen? Die Kämpfer fragten nicht, ob der Minister ernsthaft glaube, dass das Gesetz vor der Wahl noch eine Chance habe. Sie merkten, Trittin bereitet sich auf die Opposition vor. Der Besuch war ein Kotau.

Monika Tietke ging nicht hin, sie hätte das nicht ertragen, diese Taktik. Seit Jahrzehnten protestiert die Bäuerin und Inhaberin eines Bio-Ladens auf den Äckern und Straßen, wenn die Castor-Transporte kommen und den Strahlenmüll in Gorleben abladen, in einer Halle, die man hier verächtlich "Kartoffelscheune" nennt. Stahlbeton mit Wellblech verkleidet. Vor ein paar Wochen hat sie sich das Areal über dem Salzstock angeschaut, der nach dem Willen der Union endgültig zum Endlager gemacht werden soll. Was Tietke sah, gab ihr einen Stich. "Da war alles schon so fertig, Straßen angelegt, Bäume gepflanzt." Vollendete Tatsachen, geschaffen unter Rot-Grün. Tietke sagt, eigentlich müsste man CDU wählen, damit man mit den Grünen wieder eine richtige Opposition bekommt.

Klein gegen gross,

so geht es im Wendland. Die immer selben Wahrheiten, die nicht den Weg in die Politik finden. Stattdessen womöglich noch einmal acht Jahre länger Strahlenmüll und die Aussicht, für immer "das Atomklo Europas zu werden", wie Heike Lehmberg das sagt. Seit mehreren Generationen wirtschaftet Familie Lehmberg auf dem Hof in Breselenz, 25 Kilometer bis Gorleben: 100 Hektar, 70 Milchkühe. Einmal, Ende der 90er Jahre, flogen die Polizeihubschrauber während eines Castor-Transports so lange und so tief über den Ställen hin und her, dass eine Kuh ihr Kalb tot gebar. Da verklagten sie den Staat, mit Erfolg.

Heike Lehmberg wird es nicht leid, den Protest immer wieder neu zu organisieren mit den anderen Bauern, wenn der Castor im November kommt. Oder wenn eine Kanzlerin in Berlin darauf aus wäre, das Endlager zu erzwingen. Die 40-Jährige hat ihre Gründe vor Augen: Lys, Børge und Paula, 10, 9 und 7 Jahre alt. Auf dem Hof steht noch der Traktor, mit dem ihr Mann schon 1979 in Hannover, beim großen Bauerntreck gegen die Atomkraft, saß. 80 000 kamen. Lang ist das her. Endlos scheint es weiterzugehen.

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Dorit Kowitz