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Porsche und VW Wiedeking tut Rücktritt "in der Seele weh"

"Es tut in der Seele weh" - Porsche-Chef Wendelin Wiedeking ist unter inneren Schmerzen abgetreten, um Schaden von Porsche abzuwenden. Der Weg für eine Zukunft mit VW ist frei - auch Volkswagen stimmte für einen integrierten Konzern. Jetzt geht es um die Frage, wieviel Autonomie können die Stuttgarter gegenüber Wolfsburg erhalten?

Porsche-Chef Wendelin Wiedeking hat den Kampf um die Macht in einem gemeinsamen Autokonzern mit Volkswagen verloren. Mit seinem erzwungenen Rückzug verlässt der schärfste Widersacher von VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch die Arena. Allerdings wird dem seit 17 Jahren amtierenden Porsche-Lenker der vorzeitige Abgang mit einer Rekordabfindung von 50 Millionen Euro versüßt. Die Hälfte davon soll in eine soziale Stiftung gehen. Wiedeking hatte den florierenden Stuttgarter Luxusautobauer mit einem riskant finanzierten Plan zur Übernahme von Volkswagen in bedrohliche Schieflage gebracht. Nach einer vierzehnstündigen Marathonsitzung gab der Porsche-Aufsichtsrat am Freitagmorgen das Ausscheiden von Wiedeking und Finanzvorstand Holger Härter bekannt.

Nun soll das Scheichtum Katar mit einem Milliardenbetrag einsteigen und Porsche damit weitgehend von einem rund zehn Milliarden Euro schweren Schuldenberg befreien. Erstmals in der 78-jährigen Firmengeschichte würde ein Familienfremder Stimmrechte an Porsche erwerben. Die Beteiligung soll Finanz- und Unternehmenskreisen zufolge aber geringer ausfallen als die ursprünglich geplanten 25 Prozent. Der Einstieg Katars würde die Ausgangslage von Porsche in den Verhandlungen über einen "integrierten Automobilkonzern" mit Porsche als zehnter Marke von VW verbessern.

Auch der Volkswagen-Konzern hat den Weg freigemacht für den neuen Autogiganten. Der Aufsichtsrat habe einem entsprechenden Konzept zugestimmt, sagte VW-Vorstandschef Martin Winterkorn am Donnerstag nach einer Sitzung des Kontrollgremiums in Stuttgart. Dieses Konzept solle nun ausgearbeitet werden. Der neue Großkonzern solle zu einem "Kraftfeld" in der weltweiten Automobilindustrie werden. Porsche soll nach Winterkorns Worten ein "eigenständiges Label" bleiben. Die genaue Struktur des gemeinsamen Unternehmens und die damit verbundenen Machtverhältnisse bleiben aber unklar.

Die Gewerkschaft IG Metall fordert für die Arbeitnehmer eine Kapital-Beteiligung in dem neuen Konzern. Die Anteile sollten in einer separaten Einheit gebündelt werden, damit die Belegschaft ihre Interessen auch auf der Hauptversammlung vertreten könne, sagte IG Metall-Chef Berthold Huber. "Beim Zusammengehen von Volkswagen und Porsche darf es bei den Arbeitnehmern nur Gewinner geben. Alles andere werden wir als IG Metall nicht akzeptieren."

Wiedeking sieht die Jobs bei Porsche nicht in Gefahr. "Ihr habt sichere Arbeitsplätze", sagte er bei einer Betriebsversammlung in Stuttgart-Zuffenhausen. Auch zu seinem Rücktritt äußerte er sich: "Es tut mir in der Seele weh." Die Entscheidung habe er bereits am vergangenen Wochenende getroffen. Grund sei gewesen, dass der Stuttgarter Autobauer zunehmend unter dem Konflikt mit VW gelitten habe: "Es muss aufhören mit der Beschädigung von Porsche." Die Entscheidung für einen integrierten Konzern sei richtig.

Nach Angaben von Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche soll der Sportwagenbauer nach einem Zusammenschluss mit VW als Unternehmen weiterbestehen. Die Porsche AG solle in einem integrierten Konzern eigenständig bleiben, sagte der Miteigentümer vor der Belegschaft in Zuffenhausen. "Das ist der Wille der Familien Porsche und Piëch." Man könne nun "auf Augenhöhe" mit Europas größtem Autokonzern VW über die Fusion verhandeln. Mit tränenerstickter Stimme rief Porsche den Beschäftigten zu: "Verlassen Sie sich auf mich: Der Mythos Porsche lebt und wird nie untergehen."

Wolfgang Porsche, der Wiedeking lange die Stange gehalten hatte, hat sich zunächst gegen die Vorstellungen seines Cousins und Mitaktionärs Piëch durchgesetzt, der einen Einstieg der Araber abgelehnt und stattdessen eine Übernahme des Porsche-Sportwagengeschäfts durch VW für rund acht Milliarden Euro favorisiert hatte. In VW-Kreisen wurde allerdings bekräftigt, dass eine Beteiligung an der operativen Porsche AG auf der Tagesordnung bleibe.

Das Gezerre um Porsche wird seit Monaten in aller Öffentlichkeit ausgetragen. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), der auch im Aufsichtsrat von VW sitzt, feierte die Beschlüsse bereits als Durchbruch: "Wir machen uns gemeinsam auf den Weg, die Nummer eins der Welt zu werden." Porsche werde wie die Ingolstädter Audi AG künftig eine Tochter von VW sein. "Die Porsche-Standorte sind sicherer als zuvor", sagte Wulff. Allerdings könnte Katar nach einer Fusion Niedersachsen als zweitgrößten Aktionär von VW überholen.

Nach den Vorstellungen von Porsche soll die Katar-Holding für rund fünf Milliarden Euro auch einen Großteil der Optionen auf 20 Prozent der VW-Aktien kaufen, mit denen Wiedeking die Macht bei VW erlangen wollte. Einsteigen soll Katar über eine Kapitalerhöhung im Volumen von mindestens fünf Milliarden Euro, die der Aufsichtsrat in der Nacht einstimmig absegnete. Im Gespräch sind zwei Milliarden Euro aus Katar, den Rest müssten die Familien Porsche und Piëch beisteuern. Porsche hält sich allerdings auch die Option einer Sachkapitalerhöhung offen. Damit könnten die Familien etwa ihre Salzburger Holding integrieren, die VW-Fahrzeuge in Österreich und weiten Teilen Osteuropas verkauft.

Die Verhandlungen mit Katar muss nun Wiedekings Nachfolger Michael Macht zu Ende führen. Macht ist seit 1998 Produktions- und Logistikvorstand von Porsche und steht für die Zusammenarbeit mit Volkswagen bei den neuen Modellreihen Cayenne und Panamera. Mit der Begründung, diese Kooperation zu sichern, hatten Wiedeking und Finanzvorstand Härter in den vergangenen dreieinhalb Jahren eine Mehrheit von 51 Prozent an Volkswagen aufgebaut. Letztlich scheiterten sie aber daran, dass das VW-Gesetz überraschend Bestand hatte, das einen Durchgriff der Stuttgarter in Wolfsburg verhinderte.

Bei VW-Aufsichtsratschef Piëch, der selbst an Porsche beteiligt ist, war Wiedeking wegen des riskanten Finanzgeschäfts im Frühjahr in Ungnade gefallen und hatte ihm öffentlich das Vertrauen entzogen. "Wiedeking und Härter kamen in den letzten Wochen zur Auffassung, dass es für die weitere strategische Entwicklung von Porsche besser sei, wenn sie als handelnde Personen künftig nicht mehr an Bord sind", begründete Wolfgang Porsche die Rücktritte. Sie wollten zur "Befriedung" der Lage beitragen. Ministerpräsident Wulff rief Wiedeking nach: "Am Ende hatte er sich verrannt."

Reuters/DPA DPA Reuters

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