Die EU-Kommission pocht auf die Einhaltung der geltenden europäischen Vorschriften zu Schutz- und Pufferzonen sowie auf die Keulung der Bestände. Solange die Notfallpläne eingehalten würden, sehe die Kommission keinen Grund zum Eingreifen, hieß es in Brüssel. In dem Fall gebe es auch keine Exportbeschränkungen. Die Vogelgrippe in einem sächsischen Geflügelbetrieb ist erst der zweite derartige Fall in der Europäischen Union. Im Februar drang in Frankreich erstmals in der EU die Vogelgrippe in einen Geflügelstall. In einem Putenzuchtbetrieb in Versailleux nördlich von Lyon verendeten mehr als 400 Tiere.
Keulung aller Vögel
Das sächsische Sozialministerium und das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) hatten bestätigt, dass auf einer Geflügelfarm im Muldentalkreis der Vogelgrippe-Erreger H5N1 festgestellt worden war. Deshalb sollte der gesamte Bestandes von 16.000 Puten, Gänsen und Hühnern gekeult werden. Geflügelfleisch, das in den vergangenen zwei Wochen von dem von der Vogelgrippe betroffenen Schlachthof ausgeliefert wurde, soll zurückgeholt werden. Es handele sich um eine Vorsichtsmaßnahme, teilte der Krisenstab in Dresden mit. Insgesamt waren fünf Tonnen Geflügelfleisch ausgeliefert worden. Die vollständige Liste der Abnehmer werde zur Zeit noch ermittelt.
Merkel zeigt sich besorgt
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete die Lage als ernst. Es werde alles getan, um eine Ausbreitung zu verhindern. "Es ist sehr bedauerlich, dass das Virus einen Nutztierbestand befallen hat", sagte Merkel in Berlin. Es müsse außerdem alles unternommen werden, um mehr über die Infektionswege zu erfahren. "Das wirft eine ganze Menge Fragen auf." Am Vormittag tagt der Krisenstab von Bund und Ländern in Berlin. In Dresden kommt der sächsische Krisenstab im Sozialministerium zusammen.
Nach Ansicht des Bauernverbandes sind die wirtschaftlichen Konsequenzen noch nicht absehbar. "Es wird für alle Geflügelhalter viel schwieriger", sagte Generalsekretär Helmut Born. Die Geflügelwirtschaft hatte bis März wegen der Vogelgrippe Einbußen von rund 150 Millionen Euro registriert. Das lag unter anderem an einem Nachfragerückgang, der sich aber im Vergleich zu den Folgen des Vogelgrippeausbruchs in Italien in Grenzen hielt.
Vorsichtiger Optimismus
Trotz der neuen Lage gab sich Born gelassen: Wenn ein Sperrbezirk schnell leergeräumt werde und kein Tiertransport stattfinde, könnten die Handelsbeschränkungen nach kurzer Frist wieder aufgehoben werden. "Das macht uns recht optimistisch." Dann könne vermieden werden, dass plötzlich auch Nachbarbestände dahingerafft würden. So wurden sofort nach Bekanntwerden der Infektion um den betroffenen Betrieb in Sachsen die erforderlichen Schutzzonen eingerichtet. Danach gilt drei Kilometer um den Geflügelhof eine Sperrzone.
So kann auch das gerade von China verhängte Importverbot für EU-Geflügel deutsche Geflügelzüchter kalt lassen - produzieren sie doch fast zur Gänze für den heimischen Markt. Hart trifft dies aber den Nachbarn Frankreich, der sehr wohl eine florierende Exportindustrie hatte - zumindest bis jetzt.
Wie gelangte das Virus in den Stall?
Nach Angaben des FLI war der betroffene Bestand durch eine erhöhte Sterberate bei Puten aufgefallen. Unklar bleibt aber, wie das Virus in den Bestand gelangen konnte. In Sachsen wurde bisher noch kein Wildvogel positiv auf den H5N1-Erreger getestet. "Auch wenn wir noch keinen Wildvogel mit dem H5N1-Virus in Sachsen gefunden haben, heißt das nicht unbedingt, dass Wildvögel in Sachsen nicht von der Vogelgrippe betroffen sind", sagte FLI-Sprecherin Elke Reinking.
Ein Epidemiologe des FLI aus der Außenstelle Wusterhausen (Brandenburg) wird von Donnerstag an untersuchen, wie das Virus in den Bestand eingetragen worden ist. Außer Wildvögeln kommen auch Transporte, Stall-Streu oder Futter als Überträger in Frage. Oberstes Ziel sei es jetzt, durch die vor Ort getroffenen Schutzmaßnahmen das Seuchengeschehen lokal zu begrenzen, sagte Reinking.
In Sachsen nahm der Krisenstab der Staatsregierung seine Arbeit auf. "Alle in der Kürze der Zeit möglichen Maßnahmen wurden bereits eingeleitet", sagte Sachsens Sozialministerin Helma Orosz (CDU).