Weltfinanzgipfel Nicht träumen, handeln!

  • von Marcus Gatzke
Bundeskanzlerin Angela Merkel will auf dem Weltfinanzgipfel in Washington den Startschuss für eine neue Finanzordnung, ein neues Bretton Woods, geben. Die Aufgabe ist gewaltig und birgt viele Gefahren: Ein Schnellschuss kann leicht nach hinten losgehen. Besser wäre es, sich auf zwei wesentliche Punkte zu konzentrieren.

In Washington kommen am Wochenende die G20-Staaten zum Weltfinanzgipfel zusammen. Die internationale Politik will im Kampf gegen die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise Handlungsfähigkeit beweisen. Die Bühne ist groß, die Erwartungen ebenso.

Aber alle, die auf einen großen Wurf, auf eine neue weltweite Finanzarchitektur, ein Bretton Woods II, hoffen, werden mit Sicherheit enttäuscht. Der Gipfel ist meilenweit davon entfernt Ähnliches zu erreichen, wie die legendäre Konferenz am 22. Juli 1944. Damals wurden nach jahrelanger Vorbereitung Regeln für den internationalen Kapitalverkehr aufgestellt, die dann jahrzehntelang gut funktioniert haben. Damals war es den USA möglich, aufgrund ihrer globalen Vormachtstellung die Reihen zu schließen.

Davon kann derzeit keine Rede sein: Der Weltfinanzgipfel in Washington ist ein echtes Krisentreffen. Es muss in erster Linie um die Bekämpfung des globalen Finanzerdbebens und dessen Folgen für die Realwirtschaft gehen. Wie dramatisch die Lage ist, belegen die jüngsten Zahlen von Eurostat: Demnach ist nicht nur Deutschland, sondern die gesamte Eurozone in eine Rezession abgerutscht.

Konzentration aufs Wesentliche

Ein mögliches "Bretton Woods II" braucht Zeit und wird nicht innerhalb einer fünfstündigen Konferenz, geführt von einem US-Präsidenten, der in zwei Monaten nicht mehr im Amt weilen wird, aus dem Boden gestampft. Bislang gibt es auch noch keinen wirklichen Ansatz, die weltweiten Ungleichgewichte zwischen den großen Wirtschaftsmächten in den Griff zu bekommen. Ein Verhaltenskodex für die Bankbranche, wie ihn die EU fordert, trägt in keinem Fall dazu bei. So wichtig die Forderungen von Angela Merkel nach mehr Aufsicht und mehr Regulierung sind, sie dürfen nicht dazu führen, dass die dringendsten Probleme in den Hintergrund rücken.

Um den Märkten zu signalisieren, dass die internationale Gemeinschaft handlungsfähig ist, sollte eine Einigung in zwei wesentlichen Punkten erzielt werden:

1. Es muss verhindert werden, dass durch die Krise weitere Länder in den Staatsbankrott getrieben werden. Deshalb muss der Internationale Währungsfonds (IWF) mit mehr Geld ausgestattet werden, um im Ernstfall auch größere Schwellenländer kurzfristig mit Krediten versorgen zu können.

2. Die Konjunktur muss massiv gestützt werden. Gerade Länder mit deutlichen Leistungsbilanzüberschüssen sind gefragt, die heimische Nachfrage zu stützen. Deutschland hat mit dem angekündigten Mini-Konjunkturprogramm enttäuscht. Bislang haben sich die Strategien zur Krisenbewältigung in nationalen Alleingängen erschöpft. Mehr Koordination ist dringend gefragt.

Punkt eins ist in der internationalen Gemeinschaft mittlerweile unumstritten. Die Kreditreserven des IWF sind in den vergangenen 50 Jahren im Vergleich zum Welthandel massiv gesunken. Mit seinen 250 Milliarden Euro ist der Fonds keineswegs in der Lage, einen Run auf Schwellenländern aufzuhalten. Dass solche Pleiten aber in der gegenwärtigen Situation möglich sind, zeigen die Beispiele Island, Ungarn und die Ukraine. IWF, Weltbank und Europäische Union retteten Ungarn mit einem Kredit von 20 Milliarden Euro, die Ukraine erhielten vom IWF 13,4 Milliarden.

Aber Einsicht bedeutet nicht gleichzeitig auch Handlungsbereitschaft: Während Japan offenbar bereits zugesagt hat, dem IWF einen hohen Milliarden-Betrag aus den eigenen Devisenreserven zur Verfügung stellen, weigert sich China und stellt die Stützung der heimischen Wirtschaft in den Vordergrund. Dabei wäre gerade China mit seinen Währungsreserven von rund zwei Billionen Dollar in der Lage, einen wichtigen Beitrag zu leisten. Um die Regierung in Peking zu überzeugen, gibt es ein einfaches Mittel: Dem Land muss mehr Gewicht in den internationalen Finanzorganisationen eingeräumt werden. Was wiederum den USA alles andere als gefallen wird. Aber auch die reichen Öl-Länder des Nahen Ostens sind gefragt, Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.

Aufwachen, Europa!

Punkt zwei wird auf dem Gipfel dagegen - zumindest offiziell - fast gar keine Rolle spielen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat mehrfach ein umfassendes und massives Konjunkturprogramm abgelehnt. Aber der Druck wächst. China hat erst vor wenigen Tagen angekündigt, die heimische Wirtschaft mit rund 600 Milliarden Euro zu stützen. Wenn die chinesischen Maßnahmen dazu führten, die Binnenkonjunktur und den Konsum im Land anzukurbeln wäre schon ein großer Schritt getan, die weltweite Rezession im Zaum zu halten. Auch die globalen Ungleichgewichte würden abgebaut - die asiatischen Schwellenländer haben in den vergangenen Jahren quasi nur vom Export gelebt.

Für Europa bleibt nur die Hoffnung, dass die jüngsten Zahlen zum Wirtschaftswachstum in Deutschland und der Eurozone die Verantwortlichen wachrütteln. Die Wirtschaft rund um den Globus braucht massive Unterstützung. Die Nachfrage muss gestärkt, die Investitionen in die Infrastruktur vorangetrieben und der internationale Handel am Laufen gehalten werden.