Wie viel Risiko geht davon aus, chinesische Hardware in kritischer Infrastruktur zu verbauen? Diese Frage steht im Kern der Debatte um den Einsatz von Huaweis Netzwerk-Technologie beim 5G-Ausbau. Der dänische Mobilfunkkonzern TDC war demgegenüber sogar offen. Und musste sich am Ende mit einem Maulwurf, möglichen Beschattungen und Drohnen herumschlagen.
Das geht aus einem ausführlichen Bericht von Bloomberg hervor. Demnach waren 2019 in der Vorbereitung des 5G-Umstiegs nur noch der chinesische Telekommunikationskonzern und Konkurrent Ericsson im Rennen, den skandinavischen Nachbarn mit neuer Netzwerktechnik auszustatten. Doch laut zahlreichen Gesprächspartnern des Magazins kippte die eigentlich zugewandte Stimmung aufgrund merkwürdiger Zufälle immer weiter. Bis Huawei schließlich ganz aus dem Rennen flog.
Eine merkwürdige Bitte
Das erste Misstrauen entstand durch eine ungewöhnliche Bitte Huaweis. Das Unternehmen hatte eigentlich bereits sein Angebot zum Aufbau des 5G-Netzes unterbreitet, plötzlich wollte es in einer Notkorrektur seinen Preis anpassen – und zwar deutlich nach unten. Die Dänen wurden hellhörig. Die Angebote der um die Vergabe konkurrierenden Unternehmen sind nämlich geheim. Und Huaweis Angebot war bislang teurer als das von Ericsson gewesen. Mit der überraschenden Korrektur lag es aber plötzlich leicht unter dem Konkurrenten. Bei TDC wurde man hellhörig: Huawei musste irgendwie von dem niedrigeren Angebot erfahren haben.
Der Verdacht löste in den folgenden Wochen einen regelrechten Krimi aus. TDCs Sicherheitsteam begann, nach dem Leck zu suchen. Um die Möglichkeit einer Überwachung im eigenen Büro ausschließen zu können, bezog das Team für die Zeit der Ermittlungen Räume in einer der Anwaltskanzleien des Unternehmens. Ein Dutzend Ermittler und einige externe Forensik-Experten versuchten, das mögliche Leck oder einen Maulwurf in der Unternehmensführung zu finden.
Inside Huawei: Zwischen Büro-Betten und Schloss-Romantik

Erster Verdacht
Zunächst ging man von einem Hack aus. Huawei war bereits Jahre zuvor im Rahmen einer Spionage-Kampagne in Australien negativ aufgefallen. Über ein offizielles Update des Unternehmens war eine Hintertür im Mobilfunknetz eingebaut worden, Huawei machte einzelne Mitarbeiter verantwortlich (hier erfahren Sie mehr). Der Fall gilt als Grundlage für das Misstrauen der USA und ihrer Verbündeten. Auch dass chinesische Firmen sich in staatliche Einrichtungen oder Firmen einhacken, um sich einen Vorteil zu verschaffen, kam immer wieder vor.
Bald kam aber ein anderer Verdacht auf. Der verhandelnde Manager von Huawei hatte gleich zu mehreren Mitarbeitern TDCs ein enges Verhältnis aufgebaut. Immer wieder war er mit ihnen Essen gegangen, sie mit Huawei-Telefonen versorgt, hatte Reisen mit einigen gemacht. Einer hatte sich bei einem der China-Trips sogar einer Frau angenähert, sie wurde in der Folge nach Dänemark versetzt. Eine Beziehung konnten die Ermittler den beiden aber nicht nachweisen.
Bald hatte man einen Verdächtigen. Der Ingenieur schien zunächst unscheinbar, hatte keine der verdächtigen Reiseeinladungen angenommen und nutzte auch kein Huawei-Telefon. Außerdem hatte er eigentlich keinen Zugriff auf die Angebots-Unterlagen zum 5G-Aufbau. Doch den Ermittlern fiel auf, dass er ungewöhnlich oft mit dem Huawei-Verhandler telefonierte. Er hatte ihn im Rahmen der Verhandlungen zum 4G-Aufbau einige Jahre zuvor kennengelernt. Auf seinem Laptop fanden sie dann Beweise. Kurz vor einem Essen mit dem Huawei-Mann hatte der Ingenieur auf seinem Laptop mehrere für die Unternehmensführung gedachte Powerpoint-Präsentationen geöffnet. Und auch das Ericsson-Angebot. Erhalten hatte er die Dateien von seinem Vorgesetzten. Der sie eigentlich auch nicht haben sollte. TDC zog schnell Konsequenzen: Beide Männer wurden kurz darauf aus dem Unternehmen entlassen.
Vom Jäger zum Gejagten
Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Ermittler längst selbst als Ziel gefühlt. Am Tag, als sie das neue Büro bezogen, wurde die Kanzlei unerwartet Ziel einer Cyberattacke. Am folgenden Abend entdeckte einer der Ermittler, dass eine Unbekannte ihn und seine Freunde fotografierte. Als er sie ansprechen wollte, verduftete sie. Eine andere Gruppe hatte das Gefühl, von einer Frau belauscht zu werden, die sich neben sie gesetzt hatte. Es gab Einbrüche, ein Unbekannter versuchte, durch Fenster in die Wohnung zu schauen. Die Mitarbeiter geben zu, dass das alles Zufälle gewesen sein könnten. Doch die Häufung machte alle nervös.
Dann kamen die Drohnen. Nachts um kurz nach zwölf bemerkte ein Sicherheitsmann, dass vor dem Fenster eines von dem Team genutzten Raums im 15. Stock Lichter bewegten. Er erkannte eine große Drohne, die für etwa zehn Minuten vor dem Fenster des beleuchteten Raumes flog. Dann entfernte sie sich. Am nächsten Morgen wurde den Ermittlern klar, dass sie vergessen hatten, die Vorhänge zuzuziehen. Und eine Tafel mit den gesammelten Ermittlungs-Ergebnissen vom Fenster aus einsehbar war.
"Wo sind die Drohnen?"
Vier Monate nach Anfang der Ermittlungen traf sich die damalige Geschäftsführerin des Unternehmens, Allison Kirkby, in einem Restaurant mit dem Sicherheits-Team. "Also, wo sind die Drohnen", witzelte sie beim Hereinkommen. Nur Minuten später schwebte tatsächlich eine vor dem Fenster des Restaurants. Das Team beobachtete, wie sie minutenlang dort schwebte. Dann landete sie auf der Straße, zwei Männer luden sie in einen weißen Van. Und fuhren davon.
Huawei brachte das alles nichts. Nur Tage nach der überraschenden Überarbeitung des Angebots hatte TDCs Führung entschieden, dass man mit dem Unternehmen nicht vertrauensvoll zusammenarbeiten könnte. Und sich für das teurere Angebot von Ericsson entschieden.
Quelle: Bloomberg