Wie bei allen Elektronikgeräten verlieren auch Batterien von Elektroautos nach einigen Jahren ihre volle Leistungsfähigkeit. Für den Fahrbetrieb sind sie dann nicht mehr geeignet, doch sie müssen nicht gleich entsorgt werden. Ein neuer Stromspeicher von Jaguar Land Rover und dem Energieunternehmen Pramac zeigt, dass die Batterien in einem sogenannten Second Life (zu Deutsch: zweites Leben) genutzt werden können.
Die beiden Unternehmen haben gemeinsam ein System aus Lithium-Ionen-Batteriezellen des Jaguarmodells I-Pace entwickelt. Die Batteriezellen mit einem Ladezustand von weniger als 70 Prozent sollen Energie speichern können. Das soll emissionsfrei erfolgen, denn die genutzte Energie stammt aus Solarzellen.
François Dossa, Executive Direktor, Strategie und Nachhaltigkeit bei Jaguar Land Rover sagt, es sei "ein Beweis dafür, dass es möglich ist, durch die Kombination von erneuerbaren Energien und Second-Life-Batterien emissionsfreien Strom zu erzeugen".
Mobiler Stromspeicher als Energiequelle
Das Stromspeichersystem mit einer Kapazität von bis zu 125 kWh könnte "in zahlreichen Niedrigenergie-Situationen sicher eingesetzt werden", heißt es von Jaguar Land Rover. Demnach soll es für gewerbliche Zwecke gemietet werden können. Es verfügt über Typ-2-Ladeanschlüsse für Elektrofahrzeuge und einer Leistung von bis zu 22 kW AC. Das System reiche, um einen I-Pace vollständig aufzuladen oder ein normales britisches Einfamilienhaus eine Woche lang mit Strom zu versorgen.
Jaguar Land Rover habe das Speichersystem bereits während der Vorbereitung auf die Formel-E-Weltmeisterschaft 2022 verwendet. Demnach soll es bei Tests in Valencia beim Betrieb der Diagnosegeräte des Teams geholfen haben, um die Leistung der Rennwagen auf der Strecke zu analysieren. Zudem habe es die Jaguar-Boxengarage mit Hilfsstrom versorgt. Der Autobauer plant, den Stromspeicher künftig im "Experience Centre" in Johannesburg einzusetzen, um dort die Stromversorgung zu unterstützen. Zudem gab das Unternehmen bekannt, künftig weitere Programme starten zu wollen, um alten Batterien ein zweites Leben zu geben.
Zunehmende Nutzung von Second-Life-Batterien
Die Verwendung von Second-Life-Batterien ist jedoch nicht neu. Recyclingunternehmen und Autohersteller wenden das Verfahren inzwischen zunehmend an. Das deutsch-indische Start-up Nunam etwa baut im Rahmen eines Pilotprojekts unter anderem alte Batterien des Audi e-tron zu Batteriespeichern mit einer 5kWh Systemkapazität um. Sie laden Strom aus Solarenergie und kommen in Indien zum Einsatz, um beispielsweise eine Straße mit Strom zu versorgen.
Alte Batterien des Audi e-tron kommen ebenfalls in einem Energiespeicher im nordrhein-westfälischen Herdecke zum Einsatz. Audi hat dort gemeinsam mit RWE einen Energiespeicher auf dem RWE-Gelände in Betrieb genommen, welcher mithilfe von 60 Batteriesystemen rund 4,5 Megawattstunden Strom zwischenspeichern soll. "Je nach Einsatzweise stecken noch bis zu zehn Jahre Restlebensdauer in den Batterien", teilt Audi mit.
Volvo entwickelt beispielsweise mit dem schwedischen Recyclingunternehmen BatteryLoop solarbetriebene Energiespeicher aus alten Batterien von Volvo-Fahrzeugen. Außerdem arbeitet der schwedische Autobauer mit dem schwedischen Cleantech-Unternehmen Comsys AB und dem Energieunternehmen Fortum an einem Pilotprojekt, bei dem alte Batterien von Volvo Plug-in-Hybridautos zu stationären Energiespeichern verbaut werden.
Der mittelfränkische Stromanbieter N-Ergie betreibt seit 2019 einen Stromspeicher in Wendelstein nahe Nürnberg. Dieser besteht aus etwa 100 Batteriemodulen von Audi-Modellen und hat eine maximale Einspeise- sowie Ausspeiseleistung von 500 Kilowatt. Die Speicherkapazität könnte nach Unternehmensangaben rechnerisch rund 100 Haushalte einen Tag lang mit Strom versorgen.
Mercedes hatte 2016 den nach eigenen Angaben weltweit größten Batteriespeicher aus alten E-Auto-Batterien in Lünen in Betrieb genommen. Der 13 MWh-Batteriespeicher besteht aus insgesamt 1000 Batterien von Smart Fortwo-Modellen, dessen Energie in den deutschen Energiemarkt fließen sollte.
Auch BMW und der Energiekonzern Vattenfall teilten im September 2018 mit, dass die beiden Unternehmen in Zusammenarbeit mit Bosch testweise einen Stromspeicher im Hamburger Hafen entwickelt haben. Das System mit einer Speicherkapazität von etwa 2,8 Megawattstunden nutzt alte Batterien aus den E-Automodellen Active E und BMW i3 und könnte nach eigenen Angaben einen durchschnittlichen Zwei-Personen-Haushalt sieben Monate lang mit Strom versorgen, hieß es dazu. Er dient allerdings dazu, Schwankungen im Stromnetz auszugleichen. In Amsterdam haben BMW und Vattenfall ebenfalls einen derartigen Stromspeicher errichtet.
Quellen: Jaguar Land Rover, Audi, Vattenfall, Mercedes-Benz, Tagesschau, N-ergie, Volvo