Elektroautos Die schmutzige Revolution

Von Christoph M. Schwarzer
Mit Strom aus erneuerbaren Energien könnten Elektroautos umweltschonend und klimaneutral fahren. In der Realität wird die Ökobilanz der Stromer aber nicht besser ausfallen als die normaler Autos. Vielleicht fällt sogar Atommüll an. Und das zu viel höheren Preisen.

In der Hauptstadt wird ein Traum war. Der Stromversorger RWE und die Daimler AG schicken viele kleine Smarts mit Elektromotor auf die Berliner Straßen. Sie haben keinen Auspuff, aus dem das Klimagift Kohlendioxid oder gesundheitsschädliches Stickoxid kommen könnte. Und mit grünem Strom aus Wind und Sonne ist die Ökobilanz perfekt: Drehmomentstark, geräuscharm und umweltfreundlich geht es von Ampel zu Ampel. Aber leider gibt es die Wirklichkeit, die dieses Szenario kaputt macht.

Beim Durchschnittskunden der RWE werden nämlich pro Kilowattstunde (kWh) Strom 752 Gramm CO2 und die scheinbar lächerliche Summe von 0,0007 Gramm Atommüll produziert. Legt man die optimistische Verbrauchsangabe der Daimler AG von 12 kWh im Normzyklus zu Grunde, werden pro Kilometer 90 Gramm CO2 frei. Beim konventionellen Smart Diesel sind es dagegen nur 88 Gramm! Und wie bei allen Autos werden auch die Werte der Elektroautos in der Realität nach oben abweichen. Wahrscheinlich sogar noch mehr als bei ihren Brüdern mit Verbrennungsmotor.

Komfort kostet Reichweite

Die Masse der Kunden akzeptiert das Komfort- und Sicherheitsniveau eines Citroen 2CV aus den 60er Jahren mit Campingstühlen und Klappfenstern nicht mehr. Eine Nation von Golf- und Corsafahrern hat sich an Klimaanlage und elektrische Fensterheber gewöhnt. Der Strom dafür kommt beim E-Mobil allein aus einer schweren Batterie. Genau wie die Energie für ein Extra, das heute niemand mehr wahrnimmt: Die Heizung. Branchenexperten gehen davon aus, dass für wohlige Wärme im Kurzstreckenverkehr bis zu fünf Kilowattstunden zusätzlich verbraucht werden. So werden aus 12 Kilowattstunden schnell 15, 17 oder 20.

Selbst wenn man also die Produktionskette bei Diesel und Benzin vom Bohrloch bis zur Zapfsäule mit in die CO2-Bilanz einbezieht, muss das Elektroauto also keineswegs besser dastehen. Umweltschutzorganisationen warnen deswegen vor einem Technologie-Hype. Der Autoexperte von Greenpeace, Wolfgang Lohbeck, sieht Elektromobilität darum zurzeit nur als Forschungsgegenstand: "Das Schwadronieren über Elektroautos lenkt den Blick auf ein Nebenthema." Drastische Einsparungen bei konventionellen Fahrzeugen könnten dagegen vergleichsweise schnell realisiert werden. Und was bei Autos heute aus dem Auspuff käme, sei kaum noch mit klassischen Schadstoffen belastet.

Stromversorger profitieren

Nicht nur die Autohersteller reden gerne über Elektroautos. Auch die Stromkonzerne freuen sich über die Mutation der Steckdosen zu Zapfsäulen. Ziemlich unverhohlen räumen sie ein, dass so billiger Nachtstrom, der manchmal sogar unverkäuflich ist, für Geld an den Mann gebracht werden kann. Die vier Riesen E.ON, EnBW, RWE und Vattenfall würden mit Strom als Kraftstoff einen chancenreichen neuen Markt erschließen. Eine Perspektive, die auch Produzenten von Strom aus erneuerbaren Quellen den Mund wässrig macht.

Sie sind moralisch, weil CO2-arm und atommüllfrei, in der weit besseren Position. Ihre Motivation ist aber ähnlich wie die der Stromriesen. "Schon heute gibt es zeitweise Überkapazitäten bei Ökostrom", erklärt Jörg Mühlenhoff von der Agentur für Erneuerbare Energie. "Bereits 2020 könnte das Überangebot an einem sonnigen Tag zur Mittagsstunde weiter wachsen." Und da, sagt der Referent für Energiewirtschaft, wären Elektroautos ein sinnvoller Speicher, was übersetzt Käufer bedeutet.

Ausweg Konsequenz bei Energiequelle

Weil die Batterie alleine mindestens ein Drittel der Gesamtkosten eines Elektroautos ausmacht, werden die Kunden tief in die Tasche greifen müssen. Elektroautos werden richtig teuer. Zwar würden 100 Kilometer im elektrischen Smart bei Normverbrauch nur 2,40 Euro kosten. Ein Batteriewechsel kommt aber auf mehrere Tausend Euro; bei der Kleinserie des E-Mini wird er sogar auf 20.000 US-Dollar geschätzt. Für das Geld- und das Ökologieproblem sieht Tomi Engel von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie nur eine Lösung: Konsequenz bei der Wahl der Energiequelle. Er fordert eine schadstoffbezogene Fahrstromsteuer. Wer elektrisch und mit Ökostrom tatsächlich umweltfreundlich fährt, soll viel weniger bezahlen als jener, der Atom- und Braunkohlestrom tankt.

Auch für die Kosten der Batterie und deren Austausch sieht Engel eine Lösung: "Denkbar wäre eine günstige Finanzierung über die KfW, die als Großkunde zugleich ein starker Partner wäre, falls bei Batterien der Garantiefall eintritt." Denn wie lange die Energiespeicher halten, deren Umweltbilanz übrigens auch noch unklar ist, wird sich erst in der Praxis zeigen. Dort setzt die dritte Maßnahme an, die Tomi Engel zur Förderung des elektrischen Fahrens mit erneuerbaren Energien sieht. Zusätzlich zu den Feinstaubplaketten in den drei Ampelfarben könnte eine blaue Plakette für emissionsfreie Autos kommen. Die Kommunen könnten für solche Fahrzeuge Vergünstigungen gestalten. Zum Beispiel freies Parken in der Innenstadt, wie es in London praktiziert wird.

Wirklich klimaschonend fahren Elektroautos also nur mit Strom aus Wind, Sonne, Wasserkraft und Erdwärme. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und im integrierten Klima- und Energiepaket von Meseberg festgeschrieben: Um die ambitionierten Klimaschutzziele zu erreichen, sei es erforderlich, "den zusätzlichen Bedarf an elektrischer Energie durch Strom aus erneuerbaren Energien zu decken." Klimadonna Merkel müsste die Energieversorger also auf ihrem überschüssigen Atom- und Kohlestrom sitzen lassen. Der Glaube, dass das passiert, ist allerdings gering.