Erdgas Tuk-Tuks Knattern für die Umwelt

Von Sebastian Viehmann
Vor zehn Jahren hat Delhi die Smog-Notbremse gezogen. Busse und die berühmten "Tuk-Tuk"-Taxen fahren heute mit Erdgas. Doch die Massenmotorisierung des Landes droht, viele Ambitionen wieder zunichte zu machen.

1998 hatte Delhi die Nase voll, und das buchstäblich. In den vergangenen Jahrzehnten hatte sich der Verkehr zum Hauptverursacher der Luftverschmutzung gemausert. Trug er 1970 noch mit 23 Prozent dazu bei, waren es 1991 schon 64 Prozent. So beschloss die Stadt auf Empfehlung des Umweltministeriums, alle vor 1990 gebauten öffentlichen Busse und Motorrad-Rikschas durch neue zu ersetzen und den Rest auf Erdgasbetrieb umzurüsten. Rollten 1998 gerade einmal 1000 Erdgasfahrzeuge durch die indische Metropole, waren es fünf Jahre später mehr als 70.000, listet ein Bericht der Umweltbehörde von Delhi auf.

Auch wenn Tuk-Tuks jetzt mit Erdgas fahren, beherrschen die gelb-grünen Knatter-Taxen weiter das Straßenbild. So praktisch die kleinen Motorrad-Rikschas sind: Bequem ist anders. Manchmal quetschen sich ganze Großfamilien in die Zwergen-Taxis, bis die Federn ächzen. Sechs Kinder passen irgendwie auf die Rückbank, Vati und Mutti flankieren den Fahrer. Gurte gibt es keine. Sie würden auch nichts nützen, denn die Knautschzone eines Tuk-Tuks hängt davon ab, wie dick die Kleidung der Passagiere ist.

Alles andere als sauber

Auch sonst ist die Ausstattung der Rikschas äußerst übersichtlich. Der Pilot hockt auf einer notdürftig gepolsterten Bank, nachts machen zwei kleine Scheinwerfer-Funzeln die Nacht etwas weniger dunkel. Viele Fahrer verzieren ihr Tuk-Tuk mit bunten Aufklebern. Ein Talisman oder Glücksbringer kann im mörderischen Verkehrsgewühl indischer Metropolen ebenfalls nicht schaden.

Mit Erdgas als Treibstoff stoßen die Tuk-Tuks unter anderem erheblich weniger Kohlenwasserstoffe und Kohlenmonoxid aus als mit Benzin an Bord, und im Vergleich zu einem Dieselmotor reduziert sich die Menge der Rußpartikel drastisch. In den letzten zehn Jahren ist die Luftverschmutzung mit bestimmten Schadstoffen messbar gesunken. So sei etwa der Anteil von Kohlenmonoxid, Stickoxiden und Schwefeldioxid erheblich gefallen, berichtet Delhis Umweltbehörde. Doch noch ist Delhi alles andere als sauber und der Verkehr nur ein Teil des Puzzles, das je nach Wetterlage für dicke Luft sorgt. Ein Problem bleibe zum Beispiel die hohe Feinstaubbelastung.

Dicker Smog-Teppich

Der Erdgas-Abenteurer Rainer Zietlow fuhr mit einem VW Caddy Ecofuel 100.000 Kilometer um die ganze Welt und machte dabei auch zweimal in Delhi Station - zuletzt vor einigen Monaten während seiner EcoFuel Asia Tour. "Zumindest im Zentrum gibt es weniger Smog als früher, seitdem alle Busse und Taxen mit Gas fahren. Doch bei der Versorgung scheint es noch Engpässe zu geben - an den Tankstellen bilden sich lange Schlangen", berichtet Zietlow.

Je nach Wetterlage stöhnt Delhi immer noch unter einem dicken Smog-Teppich. Denn auch wenn Tuk-Tuks und Busse mit Erdgas fahren, die Zahl der Benzin- und Dieselautos wächst in der boomenden Metropole unaufhörlich. "Auf Delhis Straßen fahren schon jetzt vier Millionen Autos, und jeden Tag kommen 1000 neue dazu", sagte kürzlich die Umweltexpertin Anumita Roychowdhury in einem Interview mit dem Info-Radio des RBB. "Die Luftverschmutzung ist wieder genauso schlimm wie vor der Einführung von Erdgasfahrzeugen im öffentlichen Verkehr. Wir werden mit dem Wachstum der Stadt nicht fertig, schon gar nicht mit dem Wunsch nach Mobilität", glaubt Roychowdhury.

Massentransport auf zwei Rädern

Auch auf den neuen Stern an Indiens Autohimmel, den Tata Nano, reagieren Umweltschützer in Indien mit leichtem Entsetzen. Rajendra Pachauri, Klimawissenschaftler bei den Vereinten Nationen, sagte, dass ihm das 1700-Euro-Auto "Alpträume" bereite. Die zu erwartenden Folgen für den Klimaschutz und für die ohnehín schon überlasteten Straßen des Subkontinentes seien verheerend. Immerhin: Noch bewegen sich viele Inder auf zwei Rädern fort. Und jeder, der sich einen Tata Nano leisten kann, wirft dafür vielleicht wenigstens sein altes stinkendes Moped über Bord.