Das - bricht - dir - das Genick. Von Null-auf-Hundert in unter vier Sekunden ist eine nüchterne Ansage. Das Gefühl, von einem gigantischen Katapult den Asphalt entlang geschleudert zu werden, hat jedoch mit solch rationaler Analyse nicht das Geringste zu tun. Du trittst das Pedal durch und der gewaltige Druck im Kreuz hört einfach nicht mehr auf, auch nicht nach der Hunderter-Marke, im Gegenteil: mit jedem Meter, der unter dem Fahrzeug verschwindet, scheint die Beschleunigung zuzunehmen. Ich bin heilfroh, dass die erste Testfahrt mit dem Tesla auf einem abgesperrten Flughafen in Santa Monica stattfindet, denn der Druck auf meine Augäpfel hat Größenordnungen angenommen, die mit Adrenalinabbau über die Schweissdrüsen meiner Handflächen nicht mehr abzubauen sind.
Und das soll ein Elektro-Auto sein?
"Bei Volllast fühlt er sich an wie ein Jet!", hatte mich Elon Musk grinsend gewarnt, der Milliardär, der uns PayPal brachte, und nun seine Millionen in dieses 80.000 Dollar Auto investiert hat. Und ich Depp hatte ihm nicht geglaubt! Bislang galten Elektro-Autos als nervenschonendes Transportmittel für fußlahme Golfspieler und dunkelgrüne Sandalenträger. Seit die amerikanische Öffentlichkeit (unter Ausschlusses ihres sturen Präsidenten) den Begriff "Öko" für sich entdeckt hat, entwickeln sich Elektroautos nicht nur zum Spielzeug für Image-bewusste Hollywood Klientel wie George Clooney oder dem grünen Goubernator Arnold, sondern zunehmend als Profit versprechende Investition amerikanischer Venture Kapitalisten, die dem zweiten (und erfolgreicheren) DotCom-Boom mit reichlich gepolsterten Taschen entschleichen. Vielleicht liegt es ja an der Nähe zum Metier, denn der Tesla zum Beispiel speichert seine Energie in modifizierten Laptop-Batterien.
Anarchistischer Harakiri-Spaß
Auch das trefflichst genannte Venture EV speichert ähnlich wie ein MacBook und fährt sich entsprechend unterhaltsam. Das Dreirad der zwei Kalifornier Ian Bruce, ein ehemaliger Graphik-Designer, und Howard Levine, dessen Anwalt, verwendet die Neigetechnik des holländischen Vandenbrink Carver in ihrem von zweihundert Kilo Lithium-Batterien angetriebenen Venture EV, und so fühlt sich die Fahrt auf dem Pacific Coast Highway an wie Kite-Surfen auf Asphalt. Enge Kurven sind bevorzugt in der Horizontalen zu nehmen, und das Überholen der üblichen Verkehrsstaus gerät zum anarchistischen Harakiri-Vergnügen. Der angepeilte Verkaufspreis von nur 25.000 Dollar für den vollelektrischen Venture EV sollte das atemberaubende Vergnügen selbst für Otto Normalverrückten erschwinglich machen.
Sind das Venture EV und der Tesla schon kühle Hardcore-Sportartikel, ist Ians Wrightspeed X1 eine elektrifizierende Rennsau, die nur durch Zufall die legale Strassenzulassung erhalten haben kann. "Ich wollte pure Performance, nichts anderes", erklärt Wright das Offensichtliche, während er mir die Vierpunktgurte zuschnallt und bestätigt damit die Philosophie der kalifornischen Neo-Autobauer, dass Strom durchaus Spass macht. "Mit dem X1 wären wir in Rennen konkurrenzfähig."
Nackenmuskulatur reif für den Chiropraktiker
Ich glaub’s ihm gern, ich habe meine Lektion gelernt. Ohne vorherige Testfahrt und bei regulärem Straßenverkehr schaffe ich die Hundert in 3,6 Sekunden, etwa so lange wie mein aussetzender Herzschlag. Das war nicht mal schwer: Da der Wrightspeed - wie auch der Tesla - weder über ein Schaltgetriebe, noch über eine Kupplung verfügt, genügt zum Erreichen optimaler Beschleunigung das Drücken eines Knopfes ("F") und das Durchtreten des Pedals (rechts). Meine Herzmuskulatur hat sich zwischenzeitlich erholt, meine Nackenmuskulatur ist immer noch in chiropraktischer Behandlung. Der gebürtige Neuseeländer Wright, der seinen strassentauglichen E-Racer in Burlingame eine halbe südlich von San Francisco zusammenbaut, nahm einen mächtigen Packen Laptop-Batterien, steckte sie in ein britisches Ariel Atom-Fahrgestell und seitdem treibt er Ferrari-Fahrer rund um die Bay Area von San Francisco in tiefe Depressionen.
Naiver Wagemut
Spinnerte Autobastler, die mit ihrer Heimarbeit automobilistische Karriere machen wollten, gab’s schon immer. Um genau zu sein waren die Ur-Autobauer von Anno Dunnemals alle halbverwirrte Schrauber, bevor sich selbstfahrende Fortbewegungsmitteln unter der Leitung eines gewissen Henry Ford in Massenware verwandelte. Was aber die modernen Entrepreneure, vorwiegend aus dem mit Know-How und reichlich Cash gesegnetem Silicon Valley, von den verqueren Vorvätern unterscheidet, ist eine anständige Unternehmensphilosophie. Und ausreichend naiven Wagemut, der bei den DotCom-Milliardären natürlich ausreichend vorhanden ist. "Warum müssen Autos von globalen Industrieriesen gefertigt werden?", fragte Ian Bruce in einem Interview mit der New York Times. "Moderne Fertigungspraktiken erlauben durchaus auch profitable Kleinserien." Das mag so sein oder auch nicht.
Auf der einen Seite ist es heutzutage tatsächlich möglich, mit der Verwendung bestehender Technologien, Autos in Größenordnungen zu fertigen, die Riesen wie das Volkswagenwerk in der Kaffeepause bauen. Die Verwendung eines fertigen Lotus als Schale für Teslas Elektroantrieb, Ian Wrights Übernahme eines fertigen Monocoques von Ariel und der Einsatz bestehender Neige-Technik beim Venture Vehicle zeigt, wie man’s eben auch machen kann. Auf der anderen Seite müssen sich die Kleinserienfertiger jedoch mit Problemen rumschlagen, die Großunternehmen trotz des Einsatzes von Milliardensummen noch nicht lösen konnten.
"Ich bin kein Autoverrückter"
Elon Musk muss hilflos zusehen, wie der Verkaufsstart des Tesla immer weiter hin ausgezögert werden muss. Sollten die ersten e-Racers schon im Herbst 2007 an Clooney und Konsorten ausgegeben werden, müssen die potenten Stars nun ein Jahr länger warten (mindestens!), da die Batterien bei längerem Gebrauch gern mal abfackeln. Und Wright sagt, er hätte noch nicht genügend Bares für die Serienfertigung zusammen, was soviel heisst, dass auch er die Batterieprobleme nicht ganz in den Griff bekommen haben dürfte.
"Ich bin kein Autoverrückter", bestätigt Howard Levine. Er verstünde nicht viel von automobilistischer Massenherstellung. Aber das hielte ihn nicht davon ab, neue - und vernünftige - Lösungen zu finden. "Ich bin Unternehmer, der eine Gelegenheit sah und einen Business Plan dafür entwickelte." Der Spaß wäre es wert.