Die Konkurrenz schaut sich Dacia seit Jahren ganz genau an. Es wird analysiert, durchleuchtet und nachgestellt – kann man so etwas wie Dacia auch hinbekommen? Die Franzosen verdienen mit preiswerten Autos gutes Geld, machten um die Elektromobilität lange einen großen Bogen und haben keine Angst, das Wort „billig“ in den Mund zu nehmen, wenn es um ihre eigenen Produkte geht. Doch jetzt beginnt eine neue Zeitrechnung. Denn lange ging es gut ohne den Elektroantrieb, der bei allen Marken die Erträge schrumpfen ließ. Das Erstlingswerk des Dacia Spring ist zwar elektrisch, aber in Sachen Sicherheit, Verarbeitung oder Ausstattung das mit Abstand schlechteste Modell, dass die Renault-Tochter seinen Kunden anbietet. Schrittweise wird auch Dacia anfangen, sein gesamtes Portfolio zu elektrifizieren. Viele Kunden haben bereits auf den familienfreundlichen Jogger gewartet, der nunmehr zumindest in einer Hybridvariante mit Antriebstechnik der Schwestermarken Nissan und Renault zu bekommen ist.
Der graue Star

Dacia ist europaweit besonders erfolgreich bei den Privatkunden und belegt in fast allen europäischen Ländern Spitzenplätze; in acht Ländern ist man unter den ersten drei. „In Deutschland hat Dacia in diesem Vertriebskanal einen Anteil von fünf Prozent und ist dort die zweitstärkste Marke im Privatkundengeschäft, wenn man nur die Marktsegmente betrachtet, in denen Dacia vertreten ist“, erklärt Thilo Schmidt, ein Mann, der ein profunder Kenner der Renault-Gruppe ist, der er vor 18 Jahren beigetreten ist und die Marke seit Anfang 2022 leitet. Doch eben auch diese so wichtigen Privatkunden schauen sich auch in den unteren Preissegmenten immer mehr nach elektrifizierten Fahrzeugen um. Dacia hat sich in den vergangenen Monaten neu erfunden. Dem neuen Markenauftritt werden neue Modelle folgen – langfristig auch mit Stecker. Zu den kommenden Neuvorstellungen gehören der 4,60 Meter lange C-Segment-SUV Bigster, der auf der CMF-B-Plattform im Herbst als Serienfahrzeug vorgestellt wird sowie ein zweites, noch nicht bekannt gegebenes Modell, das vermutlich ebenfalls im C-Segment angesiedelt sein wird. Luca de Meo, CEO der Renault-Markengruppe, hatte jüngst eine neue Zielgröße für die Gewinnmarge ausgegeben, die von 10 auf 15 Prozent steigen soll. Gleichzeitig soll der internationale Markenclaim von „Low Cost“ zu „Value for Money“ aufsteigen.
Dacia befindet sich derzeit in einer wichtigen Transformationsphase, denn auch wenn man 15 Jahre erfolgreich im Billigsegment unterwegs war, können die umtriebigen Franzosen die Gesetze des Marktes nicht umschiffen – weder in Europa noch auf anderen Weltmärkten, wo die einzelnen Modelle bisweilen unter dem Renault-Label angeboten werden. Mit dem neuen Markenauftritt von Dacia geht auch eine leichte Auffrischung der Produktpalette einher – nebst neuem Logo und einheitlicher Fahrzeugfronten, um das Markenimage zu schärfen. So strahlen die Modelle Spring, Sandero, Jogger und Duster mit identischem Grill und Lichteinheit. Das Verbrenner-Aus 2035, Euro7 und neue Crashvorschriften machen es billigen Autos und unteren Segmenten besonders schwer.
Trotzdem gehört Dacia zu den Automarken, die den Verkauf von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor wohl bis zum Jahre 2035 aufrechterhalten werden; schon weil viele Modelle zum Beispiel in Afrika oder Südamerika weiter als reine Verbrenner angeboten werden. Erst langsam wird abgesehen vom Einzeldarsteller Spring auf elektrifizierte Modelle umstellt. Der Spring ist eine europäische Version des asiatischen Renault City K-ZE, gefertigt vom chinesischen Anbieter Dongfeng. Neben dem Basismodell mit 33 kW / 45 PS und seinem 27-kWh-Akkupaket wurde Anfang des Jahres des Spring 65 vorgestellt, der immerhin 48 kW / 65 PS leistet und ebenfalls 220 Kilometer Reichweite hat. Der Jogger ist als Hybride der erste, der neue Duster, der Ende des Jahres auf den Markt kommt, wird der nächste sein. Kein Zweifel auch daran, dass das neue Aushängeschild der Marke namens Bigster zum Marktstart mit einem Hybridantrieb angeboten werden soll. Er soll in der preiswerten SUV-Mittelklasse an die Erfolge des Sandero anknüpfen. Von dem günstigen Kompaktklassemodell wurden in seinen bisher drei Modellgenerationen seit 2008 bisher 2,6 Millionen Fahrzeuge verkauft wurden. Angeboten wird der Dacia Sandero in weltweit 44 Ländern, wobei es für ihn besonders in Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien bestens läuft.
Dacia hat es sich seit dem Neustart der Marke 2007 zur Aufgabe gemacht, mit jedem neuen Fahrzeug das günstigste Modell in der jeweiligen Klasse anzubieten. Dabei ist es längst nicht mehr so, dass sie wie einst beim Erstlingswerk Dacia Logan die meisten Kunden für das nackt ausgestattete Basismodell entscheiden. Zum einen sind viele Komfort- und Sicherheitsausstattungen mittlerweile auch in den Dacia-Modellen serienmäßig geworden; zum anderen entscheiden sich immer mehr Kunden für die besser ausgestatteten Versionen mit entsprechenden Komfortdetails. Mittlerweile entfallen international 66 Prozent des Sandero-Absatzes auf den Stepway, in Deutschland sind es immerhin 63 Prozent. Dabei bekennt sich Dacia mehr als andere Marke zu seiner Enthaltsamkeit in Sachen Elektroantrieb. Wer sich mit den normalen Benzinmodellen mit 49 kW / 65 PS oder 67 kW / 90 PS nicht zufriedengeben will, interessiert sich unter Umständen für einen anderen alternativen Antrieb. Beinahe die Hälfte aller Dacia Sandero war im vergangenen Jahr mit einem bivalenten Autogasantrieb ausgestattet, der die Betriebskosten signifikant senkt und durch die beiden Tanks Reichweiten von bis zu 1.000 Kilometer ohne Tankstopp ermöglicht.
Dabei schaut sich nicht allein die Konkurrenz Dacia seit Jahren ganz genau an; auch die Franzosen schauen zum internationalen Wettbewerb, um zukünftig auch höhere Preissegmente bespielen zu können. Im Fokus: insbesondere die Volkswagen-Tochter Skoda, die längst mehr als ein tschechischer Billigheimer ist und von vielen Kunden als der wahre Volkswagen wahrgenommen wird. Und auch hier hat der Einstieg in die Elektromobilität mit dem Enyaq prächtig geklappt, während Skoda auch weiterhin auf beide Welten selten: Verbrenner und Elektro. Und wie es aussieht, wenn Dacia träumt, war im Herbst mit der Konzeptstudie des Manifesto zu sehen.