Wenn die Internationale Automobilausstellung in Frankfurt (IAA) am Samstag ihre Tore für das zahlende Messe-Publikum öffnet, haben die Aussteller ihre erste Schlacht bereits geschlagen. Von Dienstag bis Freitag fühlen erst Journalisten und dann Fachbesucher den Exponaten auf Zylinderkopf und Kurbelwelle.
Es ist ein ganz besonderes Gefühl, zu einer Berufsgruppe zu gehören, die von Autoherstellern gehätschelt und getätschelt wird. Irgendwie erhebend. Und elitär. Längst geben sich die GMs, Audis, Volkswagens, Daimlers und Fords dieser Welt nicht mehr damit zufrieden, die oftmals überkritischen Schreiberlinge auf dem Messegelände von den neusten automobilen Errungenschaften zu überzeugen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Abend vor den so genannten Presse-Tagen der IAA.
Bereits Wochen vorher flattern die Einladungen zu den begehrten „Pre-Exhibition-Events“ in die Redaktionen, meist aufwendig gestaltet und verpackt. Dahinter steckt eine einfache Logik. Wer am ersten Messetag bereits gegen acht Uhr auf dem Gelände sein muss, reist am Vortag an – und hat einen Abend lang nichts zu tun. Zeit, die kein Autobauer ungenutzt verstreichen lassen möchte. So sucht man sich einen netten Veranstaltungsort, verziert das Ganze mit leckerem Essen, guter Musik sowie einem exklusiven Blick auf neue Konzeptfahrzeuge und findet sich urplötzlich inmitten Unmengen zufrieden kauender Journalisten wieder. Der gute alte „bunte Abend“ in der Luxus-Ausführung…
Ausnahmen? Keine. Mercedes feiert mit internationalen Gästen den neuen Super-Sportwagen SLR, Volkswagen erfreut sich im exklusiven Kreis am neuen Golf und dem Mittelmotor-Roadster „Concept S“, Volvo erlaubt einen ersten Blick auf das S40 Cabrio, GM die Neuheiten des Konzerns und einen möglichen Nachfolger des Opel Omega, während Audi im Rahmen der „Sports Night“ auf einer nachgebauten Rennstrecke den Super-Flitzer „Le Mans quattro" von der Kette lässt. Abgesehen vom Essen alles leichte Kost. Die Kunst besteht darin, die sich überschneidenden Termine möglichst effektiv zu koordinieren.
Anfänger bringen es maximal auf zwei Veranstaltungen, während sich die alten Hasen auf der „Audi Sports Night“ schon bis zu vier Namensschildchen vom Revers fummeln müssen. Entschädigt wird man mit aufwendigen Inszenierungen und einem allerersten Blick auf die Stars der Messe.
So rollte bei GM eine Opel-Studie ins Scheinwerferlicht, die man zu diesem Zeitpunkt nicht erwartet hätte. Immerhin wollten sich die Rüsselsheimer eigentlich ganz auf den neuen Astra konzentrieren. Das Brot-und-Butter-Auto wird es allerdings schwer haben, neben dem „Insignia“. Die 4,8 Meter lange Studie mit dem bedeutungsschwangeren Namen beeindruckt nicht allein durch ihre Abmessungen. Sie ebnet viel mehr den Weg für einen Nachfolger des arg in die Jahre gekommenen Opel Omega. Als Basis dient dabei eine Plattform, die dem gesamten GM-Konzern Ableger der Oberklasse-Katergorie garantieren soll.
Technisch ist der „Insignia“ nicht mehr als eine Fingerübung. LED-Scheinwerfer rundum, nach hinten aufschwingende Fond-Türen und eine mit Klavierlack überzogene Armaturentafel haben mit der konservativen Omega-Gegenwart nichts zu tun. Wohl aber das Design. Der große trapezförmige Kühlergrill, eine in der Mitte geknickte Motorhaube und die extreme Pfeilform von Front und Heck lassen erahnen, wohin man bei Opel möchte. Zurück ins Luxus-Segment.
Dort ist man bei Audi längst angekommen. Und etabliert. Jetzt gelüstet es die Ingolstädter nach sportlicher Kundschaft. Dementsprechend dynamisch präsentierte sich die „Audi Sports Night“. Auf einer riesigen Tribüne, die so auch am Hockenheim-Ring stehen könnte, feierte Audi mit internationalen Gästen vergangene Rennsport-Erfolge. Die PS-Monster aus der guten alten Zeit bildeten allerdings nur den Rahmen für den „Le Mans quattro“, dem sportlichen Audi der Zukunft.
610 PS, kompakt verpackt in einem V10-Motor und direkt hinter Fahrer und Beifahrer untergebracht, machen dem Geschoss Beine. Ein Hochleistungs-Flunder, die in 3,7 Sekunden von 0 auf 100 sprintet. Natürlich unterstützt vom obligatorischen Allrad-Antrieb. Geht es nach Audi-Chef Winterkorn, so entscheidet sich das Schicksal des Wagens auf der IAA. Können sich Journalisten und Messebesucher mit dem „Le Mans quattro“ anfreunden, könnte das Konzept-Fahrzeug tatsächlich eine Chance bekommen. Auch wenn man damit den hauseigenen Super-Sportlern von Lamborghini in die Parade fahren würde. Dass man bei Audi durchaus mit einem positiven Ausgang der „Volksbefragung“ rechnet, beweist ein Blick ins Detail. Ein Fahrzeug, das niemals auf der Straße fahren soll, braucht kein funktionierendes Soundsystem. Und schon gar keine Scheibenwischer…
Jochen Knecht