Wir alle haben schon einmal mit unseren Kumpels über jene Szenarien fabuliert, die sich ein echter Autofan nur wünschen kann. Einmal im LaFerrari auf den Jebel Jais donnern, mit dem Porsche 911 GT1 kurvenreich hinauf auf den Großglockner preschen oder vielleicht einem Pagani Zonda – natürlich manuell geschaltet – über die Hügelketten von Bologna jagen? Wie wären ein paar traditionsbeladene Runden mit einem Porsche 911 GT3 RS auf der Grand-Prix-Strecke von Monaco, einem Porsche 718 Spyder RS Rallyeluft schnuppern auf dem Col de Turini oder angesichts des eisigen Dezembertages vielleicht eben diese Ausfahrt mit dem vermeintlichen Offroadmonster des Porsche 911 Dakar, der einem mehr Sicherheit und Komfort schenkt?
Eiszeit

Ich fühlte mich noch schlechter als sonst als ich in dem riesigen Bett des opulenten Hotels in Nizza um 5.30 Uhr meinen Wecker zum Schlafen schicke. Die wasserreiche Monsun-Dusche trug nicht dazu bei, das eigene Energielevel zu erhöhen, ebenso wenig wie der verbrannte Espresso eine halbe Stunde später in der leeren Lobby. Die Schlüssel zum 911 GT3 und einige ebenso düstere wie hochtourig durchfahrene Tunnel erwiesen sich bis gegen 9 Uhr als nennenswert effektiver. Der Automobile Club de Monaco ist ein Ort voller Geschichte, jeder Menge Prestige und unglaublicher Automobilia. Nachdem wir uns mit anderen Autos zusammengefunden hatten, präsentierte sich der sportwagenerprobte Parkplatz vor dem Automobil Club spektakulärer denn je. Von einem Porsche 911 Dakar über einen 911 GT3 RS bis hin zum unverändert grandiosen 911 Turbo und einem 911 T bot sich ein ebenso buntes wie beeindruckendes Bild. Diese Vielfalt der Elfer-Familie war beeindruckender denn je – noch unterstützt von einem frühen 911er mit Monaco- Kennzeichen sieht. Dazu ein überaus begehrter Sonderling - ein spezielles Auto – zwar aus dem Hause Porsche aber einem kraftvollen Triebwerk direkt hinter seinen Sportsitzen: ein 718 Spyder RS. Doch dessen Position auf der falschen Seite der Hinterachse tat dem Genuss keinen Abbruch – ganz im Gegenteil.
Auf dem Weg zum Frühstück fiel mir als erstes ein großer Louis-Vuittons-Koffer ins Auge, der gleichzeitig als dekadente Vitrine diente und in dem offensichtlich die Formel-1-Trophäe des Monaco-Grand-Prix von 2024 stand. Ein oder zwei Pain au Chocolat später wurde es Zeit, das zu tun, längst überfällig war: ab auf die Piste – ab in die Seealpen. Die Waffe meiner Wahl? Nun, es musste der 911 GT3 RS sein, denn nur dieser lockt mit dem Aerodynamik-Zauberstab namens DRS. Was bei einem GT3 bereits nach wenigen Metern am meisten begeistert, ist seine Alltagstauglichkeit. Es ist schlicht einzigartig, wie zivilisiert sich das rennstreckentaugliche Fahrzeug als Cup-Version auf dieser ganz normalen Straße anfühlt. Die Fahreigenschaften sind dabei weitaus beeindruckender, als es das optische Schauspiel des alles andere als zurückhaltenden 911 GT3 RS vermuten lässt. Der einzige echte Nachteil ist die Übersetzung und das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, was bedeutet, dass die Drehzahl höher liegt, als es für lange Autobahnfahrten optimal wäre. Großartig für den Spurt 0 auf Tempo 100, aber nicht für Fahrten auf einer wirklich schnellen Autobahn.
Nach Aufnahmen auf der Rennstrecke und einem Besuch an der Riviera von Maybourne für weitere Fotos mit dem atemberaubenden Blick über den Hafen von Monaco wurde es Zeit, das zu tun, was diese Porsches am besten können: im Grenzbereich bewegt zu werden. Ich schnappte mir die Schlüssel des einzig manuell geschalteten Sportlers in dieser Gruppe – ein Porsche 911 Carrera T - von dem viele behaupten, er sei aktuell der preiswerteste und aufregendste Carrera auf dem Markt, was er auf dem ebenso intensiven wie wunderschönen Anstieg zum Col de T-urini mehr als eindrucksvoll bestätigte.
Danach haben ich stimmungsvolle Momente mit dem schamlosen Kurvenräuber namens GT4 RS verbracht und aus erster Hand diesen unverschämt dominanten, grausamen Ansauggeräuschpegel erlebt, den das Auto bietet - ein Angriff auf das Trommelfell, der je nach Drehzahl einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Die Brise auf dem Gipfel des berüchtigten Rallyeberges war auch ohne die Nacht der langen Messer beißend kalt. Es lag Schnee auf dem Boden und es war eiskalt - Zeit für den Spyder RS. Ich wartete auf die richtige Gelegenheit, um meine Sinne einer ebenso intensiven Fahrt in einem Spyder RS auszusetzen. Ein verlassener Col de Turini mit Fotografen an jeder Ecke und einem Funkgerät, das mich über den Verkehr in Gegenrichtung informierte, schien das perfekte Szenario zu sein. Selbst wenn die winterlichen Temperaturen für den Mittelmotor-Porsche mit seinen Cup-Reifen an sich zu kalt waren. Trotzdem fuhr ich los, legte die erste Schaltstufe des PDK ein und schob den Schalthebel nach links, um sicherzustellen, dass ich das Orchester eigenmächtig dirigieren könnte.
Erster Gang: 1.000, 2.000, 3.000, 4.000, 5.000, 6.000 und mehr. Ich bin mir nicht sicher, ob ich wegen der mäßigen Traktion oder dem Vertrauen an die eigenen Fahrkünste nervöser war. Es ging schnell noch höher hinauf – viel höher. 7.000, 8.000, und schließlich an die 9.000er Marke heran. Ich ziehe den Hebel zurück, der zweite wird hereingeknallt und dann kommt die Nummer drei – wieder runter – wieder rauf – immer wieder. Wie beim GT4 RS sind Lautstärke sowie Klang mehr als bemerkenswert und mit noch weniger Gehörschutz werden beide in neue Höhen getrieben. Doch es geht nicht um das Gebrüll an sich - die Textur und die Wahrnehmung dessen, was der Motor tut, ist so sägend, dass dieser nicht mit einem spricht, sondern heult, bellt oder kreischt. Man lernt schnell, den zentralen Drehzahlmesser zu ignorieren, um zu wissen, wann man schalten muss. Der eigene Kopf verschmilzt mit dieser grandiosen Fahrmaschine und wird ein Teil dieser technisch einzigartigen Symbiose.
Es kommt nicht oft vor, dass man mit derart viel Adrenalin aus einem Auto aussteigt und nicht wegen der kalten Außentemperatur zittert, sondern wegen der Konzentration und der Aufregung über das, was gerade auf den kurvenreichen Pisten mit einem geschehen ist. Der Spyder RS ist eines dieser Autos, das einen begeistert und der Welt entrücken lässt. Dabei zeigt er dem übermächtigen Big-Boy-911er, dass ein Mittelmotor seine Vorteile hat. Dieser sportlichste aller 718er ist etwas für Profis. Ich konnte die Schlüssel nicht aus der Hand geben. Noch nicht, denn die Sucht hatte mich gepackt. wieder herein in den Boliden – Motor an und wieder hoch, runter und wieder hoch. Man hätte mir die Schlüssel aus meinen erfrorenen Fingern reißen müssen, um mich davon abzuhalten.
Schließlich gab ich die Schlüssel doch auf, denn ich glaube, das kalte Wetter forderte allmählich seinen Tribut an meiner Gesundheit. Dabei ist es einfacher, in einen 992 Turbo S zu steigen, als zu versuchen, dem Spyder RS zum ersten Mal seine dünne Mütze aufzusetzen. Beheizte Sitze und weniger Getöse waren im Turbo S eine mehr als willkommene Abwechslung. Der 911 Dakar war das einzige Auto, das ich auf diesem Kurztrip nicht bewegen konnte – und Schuld daran war nur der Spyder RS. So hoffe ich, dass ich diesen bald wieder einmal bewegen kann. Als ich viel später zum Hotel in Nizza zurückkehrte, war es an der Zeit, diesen einzigartigen 911ern und dem Spyder Adieu zu sagen, denn die 24-Stunden-Fahrt der Träume war zu Ende. Wohl die perfekte Art und Weise, sechs Jahrzehnte des weltbesten Sportwagens zu feiern - mit einer Modellpalette, vielfältiger und aufregender als je zuvor.