Die mit 343 Metern höchste Brücke der Welt spannt sich in Südfrankreich über den Fluss Tarn. Die letzten Fahrbahnteile dieser Autobahnbrücke sind erfolgreich zusammengefügt worden, hieß es nach Angaben des Bauunternehmens . Geniale römische Architekten ließen im Süden Frankreichs mit dem Pont du Gard ein weltbekanntes Aquädukt bauen, um in Nîmes allzeit frisches Trink- und Badewasser zu haben. Knapp zwei Jahrtausende später sind ein Stück weiter nordwestlich, am Rande der Cevennes, die Arbeiten an einem neuzeitlichen Bauwerk der Superlative in vollem Gang. Das "Viadukt des 21. Jahrhunderts" bei dem Städtchen Millau soll kein Wasser zu verwöhnten Städtern leiten, sondern einen der letzten großen Verkehrs-Engpässe in Europa beseitigen. Denn der Autobahn A75 von Paris nach Barcelona (über Clermont-Ferrand-Béziers) fehlt bislang das ganz entscheidende Teilstück in der Aveyron-Region.
Werk des britischen Star-Architekt Norman Foster
Das tiefe und breite Tal des Tarn macht in dieser felsig-kargen Gegend einen großen architektonischen Wurf notwendig. Der britische Star-Architekt Norman Foster, zu dessen Arbeiten die Neugestaltung des Berliner Reichstages gehört, bekam den Zuschlag für sein ebenso elegantes wie aufwendiges Projekt einer Schrägseilbrücke. Auf sieben Stützpfeilern wird die knapp zweieinhalb Kilometer lange Brücke über dem Tarn stehen, der höchste mit 342 Metern den Pariser Eiffelturm übertreffen. Mehr als 200 000 Tonnen Beton sowie 36 000 Tonnen Stahl (das Fünffache des Wahrzeichens an der Seine) werden verarbeitet. 500 Bauarbeiter sind an der größten französischen Baustelle im Einsatz.
Kein Wunder, dass solch ein ehrgeiziges Vorhaben dazu reizt, von Politikern und französischen Medien nur in Superlativen beschrieben zu werden. Die 18 Meter breiten und 4,20 Meter dicken Fahrbahnplatten liegen auf der Höhe von 245 Metern, was den Viadukt von Millau zwar zu einer der höchsten Brücken macht, die Rekordhöhe der Royal Gorge Bridge im US-Bundesstaat Colorado (321 Meter) aber bei weitem nicht erreicht. "Das wird die größte und schönste Brücke der Welt", hatte der damalige Verkehrsminister Jean-Claude Gayssot dennoch zum Start der Arbeiten im Dezember 2001 verlauten lassen. Wie dem auch sei, der "Pont de Millau" dürfte zumindest eine der nützlichsten Brücken sein.
"Größenwahnsinnig und pharaonisch"
Denn jeden Sommer macht das, was bei Millau fehlt, landesweit mit die negativsten Schlagzeilen in den Verkehrs-Nachrichten. Auf 30 Kilometern quält sich die Autoschlange im Schritttempo durch das Tal zwischen dem Lévezou-Granitmassiv im Norden und der Hochebene von Larzac im Süden. Obwohl das Nadelöhr Anfang 2005 mit der neuen Brücke behoben sein soll, sind die Umweltschützer der Region vehement gegen das Projekt Sturm gelaufen. Sie sagen eine verschandelte Landschaft, Gefahren für die Umwelt und eine Kostenlawine voraus. Fosters Brücke sei "größenwahnsinnig und pharaonisch", das Bauwerk solle kleiner und integrierter ausfallen. Auch gelte es eher die Bahn zu modernisieren.
Die Umweltschützer setzten sich nicht durch. An der 310 Millionen Euro teuren Foster-Brücke wird 14 Stunden täglich auf insgesamt neun Baustellen gearbeitet. Der Staat hat den Bau in Konzession vergeben - die federführende französische Konstruktionsfirma Eiffage wird dann 75 Jahre Zeit haben, die Kosten durch eine Brückenmaut (péage) wieder hereinzubekommen. Was bei einem Schnitt von 10 000 Fahrzeugen am Tag berappt werden muss, wenn man über Fosters jüngstes Architekturwerk rollen will, steht bereits fest: Je nach Saison 4,60 oder 6,10 Euro, Lastwagen 19 Euro. Womit die dann durchgängig befahrbare Autobahn A75 immer noch weit billiger sein wird als die Fahrt durch das Rhône-Tal.