Konsumgut Auto Die Liebe zum Auto rostet

Auf der IAA wird der Tanz ums goldene Kalb "Auto" zelebriert. Dabei ist das Auto längst nicht mehr das begehrteste Konsumgut der Deutschen.

Das wichtigste Statussymbol überhaupt hate vier Räder und viele PS. "Die Menschen und das Automobil, das ist hier so tief ineinander verankert wie nirgends auf der Welt", sagt Peter Kruse vom Beratungsunternehmen Nextpractice in Bremen. Doch ausgerechnet in Deutschland fehlt es dem Image von Autos immer mehr an Glanz, meinen zumindest einige Experten. "Das Auto scheint für viele Menschen so ein austauschbares Produkt zu werden wie der Kühlschrank", sagt Wirtschaftswissenschaftler Alfred Kuß von der FU Berlin. "Mit einem Porsche kann man doch niemanden mehr beeindrucken", meint der Universitätsgelehrte.

Porschefahrer werden diese Einschätzung kaum teilen. Sicher ist aber: Ein Wagen, der beeindrucken soll, ist richtig teurer. Bei Porsche muss man für einen 911er etwa 100.000 Euro einkalkulieren. So etwas können und wollen sich viele nicht leisten. "Status ist im Bereich Auto kein gewollter Wert mehr," sagt Kruse. Bei den Kleinwagen gebe es einen wachsenden Premium-Bereich – dort ende der Ehrgeiz vieler potenzieller Käufer. Die Verkaufszahlen zeigen, dass besonders jüngere Menschen zum Kleinwagen greifen. Junge Menschen kaufen auch aus finanziellen Gründen häufig Gebrauchtwagen, und wenn man sich ein neueres Modell leisten kann, ist es eben ein preiswertes Fahrzeug auch wenn der Imagewert begrenzt ist.

Pluralität der Konsumlandschaft

Andererseits werde es immer Menschen geben, für die das Auto ein Art Fetisch sei, meint dagegen Andreas Pogoda von der Brandmeyer Markenberatung in Hamburg. "Wir leben im Epizentrum der Autoverliebtheit." Doch auch die Konsumlandschaft wird multi-kultureller: Neben dem harten Kern der Autoliebhaber gibt es Gruppen, die anders mit dem Thema Mobilität umgehen. Es entstehe seit 10, 15 Jahren Überraschendes: "So eine gewisse Gewinn-aus-Verzicht-Mentalität. Die Möglichkeit, bewusst nicht mitzumachen, bewusst kein Auto zu kaufen." Andreas Pogoda sieht dies als andauernde Entwicklung. "Das System Auto muss aufpassen, dass die Anzahl der Verweigerer nicht immer mehr wächst."

Dem "liebsten Kind" vieler Deutscher wurde in den vergangenen Jahren von großen Bevölkerungsteilen die Liebe entzogen. Auch angesichts der finanziellen Belastung sind beim Kauf eines Autos bei vielen kaum noch Emotionen im Spiel. Befragungen zeigen: Mit einem geilen Badezimmer macht man oft mehr Furore als mit dem Auto." Doch nur die Emotionen sind es, die Gewinne sprudeln lassen. "Wenn etwas emotional besetzt ist, guck' ich nicht aufs Geld", betont Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen. Das Auto verliert im Reigen der Statussymbole vielleicht nicht an Glanz, aber auf jeden Fall an Einzigartigkeit. Emotionen binden bei vielen Menschen auch Urlaub, Kleidung oder gesunde Lebensmittel. Grundsätzlich konsumkritischer sind die Käufer nämlich nicht. Die Wertschätzung des Themas "Wohnen" ist von der Liebes-Erosion nicht betroffen. Viele Deutsche können sich zwar vorstellen auf einen kleineren Wagen umzusteigen, aber von einer schönen Wohnung will niemand in unattraktive Behausung wechseln.

Der Wagen vorm Haus zum funktionalen Zweckgegenstand degradiert wie Toaster oder Waschmaschine - wie konnte das passieren? "Es sind einfach mehr emotionale Dinge heutzutage auf dem Markt heute", sagt Dudenhöffer. "Der Wettbewerber ist nicht nur ein anderer Autohersteller, sondern auch der Urlaubsanbieter und der Golfplatz." Klimaschutz sei ein wichtiges Thema, sagt auch Dudenhöffer. "Immer nur weiter auf mehr PS zu setzen, ist ein Risiko für die Autohersteller." Mit Werbekampagnen allein sei da kaum gegenzusteuern. "Die Wirkung von Marketingkampagnen wird deutlich überschätzt", sagt Kuß. Um aus der Krise zu kommen, müssten Autohersteller Pogoda zufolge vor allem drei Dinge tun: "nachhaltige Motoren mit weniger Emissionen bauen, politisch auf den Straßenbau einwirken, Autos mit Innovationen für junge Menschen so unverzichtbar machen wie ein Smartphone". Ob aus jungen Leuten, die sich ein Smartphone per Ratenzahlung leisten können, auch solvente Neuwagenkäufer werden, hängt allerdings nicht zuletzt auch von ihrer wirtschaftlichen Situation ab.

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Kra/DPA