Das Problem zwischen Radlern und Autofahrern fängt schon damit an, dass viele Kraftfahrer glauben, dass Radfahrer entweder gar nicht oder nur im Einzelfall die Fahrbahn benutzen dürften.
Kein Zwang zum Radweg
Ein grundlegender Irrtum, denn Radfahrer müssen meist nicht einmal einen Radweg benutzen, auch wenn er vorhanden ist. Ohne das blaue Schild (Zeichen 237, 240 oder 241) müssen Radfahrer nicht auf einem vorhandenen Radweg fahren. Es steht ihnen dann vollkommen frei, auf die Fahrbahn zu wechseln. Ob es klug, schlau oder vernünftig ist, die Straße zu wählen, ist damit nicht gesagt. Doch diese Entscheidung trifft der Radfahrer und nicht der Autofahrer. "Verkehrserzieher", die Radler mit Hupen und dichtem Auffahren auf den Radweg aufmerksam machen, begehen nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern müssen sich den Vorwurf der Nötigung gefallen lassen - und das ist eine ausgewachsene Straftat.
+++ Lesen Sie dazu: Hupen, drängeln, schneiden – Was ist eine Nötigung im Straßenverkehr? +++
Nur mit einem der blauen Schilder müssen Radler den Radweg benutzen. Doch diese Schilder dürfen die Kommunen nur bei besonderen Gefahrenstellen aufstellen. Die meisten Radwege innerorts sind also nicht so beschildert.
Noch besser: Diese Verpflichtung besteht nur, wenn der Weg auch zumutbar ist. Die Deutsche Verkehrswacht sagt dazu: "Ausgeschilderte Radwege sind nur dann benutzungspflichtig, wenn sie befahrbar und zumutbar sind. Ist der Radweg durch Scherben, Mülltonnen oder parkende Autos versperrt, wird er durch Baumwurzeln und aufgeworfenen Belag gefährlich, dürfen Radler auf die Fahrbahn ausweichen."
In viele Städten sind perfekt befahrbare Radwege eher die Ausnahme als die Regel. Als Autofahrer muss man also damit rechnen, dass Radfahrer immer auf der Fahrbahn fahren dürfen, denn ob irgendwo Scherben oder Kartons auf dem Radweg liegen, wird man vom Fahrersitz kaum beurteilen können.
Hinzu kommt: Will der Radfahrer in eine andere Richtung weiterfahren, als die des Radweges, darf er dem Straßenverlauf folgen, etwa wenn er links abbiegen möchte. Kleiner Trost: Auf den Fußweg dürfen erwachsene Radfahrer nie ausweichen.
Wann ist Rot auch Rot?
Müssen Radfahrer an der Ampel warten, wenn die für Fußgänger Rot ist? Ein komplizierte Frage, die man in den meisten Fällen mit Nein beantworten kann. Um Missverständnisse zu vermeiden: Natürlich müssen Radler bei Rot halten. Die Frage ist nur, welches Leuchtzeichen gilt für sie?
Der Radweg ist ein Teil der Fahrbahn, daher gelten meist die Lichtzeichen für den Autoverkehr oder gesonderte Lichtzeichen nur für Radfahrer. Ein abbiegender Autofahrer kann also nicht darauf vertrauen, dass die Radler halten müssen, nur weil die Fußgänger Rot haben. Weiteres Problem: Linksabbiegende Kraftfahrzeuge sehen nie die Zeichen für den entgegenkommenden Verkehr, sondern nur die Fußgängerampel in der eigenen Fahrtrichtung. Die sind aber häufig nicht parallel geschaltet. Also: Auch wenn der Linskabbieger Rot sieht, kann der Gegenverkehr Grün haben.
Erlaubte und verbotene Geisterfahrer
Dürfen Radfahrer einfach so auf der falschen Straßenseite fahren? Nein, das dürfen sie dann doch nicht. Aber als Autofahrer sollte man dennoch mit ihnen rechnen. Viele Gemeinden geben breite Radwege in beide Richtungen frei. Ein Autofahrer muss schon sehr genau hinschauen, um die kleinen weißen Schilder zu bemerken. Aber dennoch haben sie auch Folgen für ihn. Wird auf einer Vorfahrtsstraße der Radweg für beide Richtungen geöffnet, genießt auch der linksfahrende Radfahrer Vorrang vor allen Ab- und Einbiegern.
Das gleiche Problem existiert bei Einbahnstraßen, die in beiden Richtungen für Radfahrer freigeben wurden. Auf ihnen haben Radfahrer auch in entgegengesetzer Richtung die gleichen Rechte wie auf normalen Straßen. Es ist also nicht so, dass sie nur dann fahren dürfen, wenn gerade kein Auto kommt. Tückisch wird es an Kreuzungen: Dort kann auch ein Rad in der unorthodoxen Fahrtrichtung Vorfahrt vor dem kreuzenden Verkehr haben. Dumm, wenn man dann nicht mit einem Rad als Geisterfahrer rechnet.
Rechts an der Schlange vorbei
Auch wenn es viele Autofahrer nicht wahrhaben wollen: Stehen Autos in einer Schlange vor der Ampel darf man an ihnen vorbeiradeln, so sagt es § 5, Abs. 8 StVO. Da ist auch von ausreichendem Raum und Vorsicht die Rede, das bedeutet aber nur: Wer am wartenden Fahrzeug entlangschrammt, muss für den Schaden aufkommen. Gefährlich ist das für Autofahrer, die rechts abbiegen wollen. Sie müssen immer damit rechnen, dass neben ihnen ein Radfahrer geradeaus fahren will. Und der hat Vorrang.
Zu zweit geht auch
Radfahrer dürfen nicht nebeneinander fahren? Das ist zumindest nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Zunächst einmal gilt die Vorschrift für Radfahrer im Konvoi nicht. Mehr als 15 Radfahrer können einen geschlossen Verband bilden und dürfen dann auch zu zweit nebeneinander fahren. Anders als bei Kfz müssen die Verbandsfahrzeuge nicht besonders gekennzeichnet sein. Typische Beispiele wären Trainingsgruppen und Ausflugsfahrten. Unüblich, doch rechtlich durchaus möglich wäre es, wenn sich Rad-Pendler in einem Verband organisieren. Vom Zwang, Radwege zu benutzen, sind diese Verbände befreit. Überholen darf ein Radfahrer den anderen oder eine Schlange von Radfahrern ohnehin. Nebeneinander fahren dürfen Radfahrer auch immer dann, wenn davon keine Behinderung ausgeht. Fahren zwei Radler in der Tempo-30-Zone mit der zulässigen Geschwindigkeit, dürfen sie nebeneinander fahren. Den Wunsch, dort mit Tempo 50 zu überholen, müssen sie nicht berücksichtigen.
Großzügige Promilleregelung
Ohne Freisprecheinrichtung dürfen Radfahrer nicht beim Fahren telefonieren. Freihändig auf dem Rad mit dem Telefon am Ohr ist also verboten. Musikhören mit Kopfhörer allerdings nicht. Die Musik darf jedoch nur so laut eingestellt sein, dass sie den Verkehr nicht übertönt. Selbst angetrunken dürfen Radler noch in die Pedale treten, für sie gelten andere Promillegrenzen als für Kraftfahrer. Radler, die unter 1,6 Promille im Blut haben, dürfen fahren, solange sie nicht im Verkehr auffallen. Erst ab großzügigen 1,6 Promille drohen Radfahrverbot, Punkte in Flensburg oder gar ein Entzug des Führerscheins, wenn einer vorhanden ist.