Kfz-Haftpflicht Auto-Unfall im Ausland besser versichert

Von Beate M. Glaser
Endlich einmal gute Nachrichten aus Brüssel für den Autofahrer. In den EU-Ländern gibt es jetzt einen besseren Versicherungsschutz bei Verkehrsunfällen. Aber Vorsicht: In Ländern wie Bulgarien sind die Entschädigungssummen immer noch erschreckend niedrig.

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit trat in der Woche vor Weihnachten die fünfte EU-Kraftfahrzeug-Richtlinie im bundesdeutschen Recht in Kraft. Die wichtigste Neuerung bringt einen verbesserten Versicherungsschutz bei Verkehrsunfällen in den EU-Ländern. Die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestdeckungssummen der Haftpflichtversicherungen werden erhöht und EU-weit vereinheitlicht. Geschädigte können ihre Ansprüche nach einem Auslandsunfall nun auch gerichtlich zu Hause geltend machen. Kam es nach einem Verkehrsunfall im Ausland zum Streit, musste man als geschädigter Ausländer seine Ansprüche bislang im Gastland juristisch durchfechten - mit allem Aufwand und den Kosten, die zu dem Personenschaden nach einem schweren Unfall hinzukommen.

Haftpflichtversicherung ist Pflicht

Eine Haftpflichtversicherung muss jeder Autohalter abschließen. Damit werden Ansprüche auf Schadensersatz geregelt, die andere Verkehrsteilnehmer erheben, wenn man sie durch einen Unfall geschädigt hat. Der Verursacher bleibt nicht auf dem Schadensersatz sitzen, wenn es um die Reparatur oder den Ersatz teurer Fahrzeuge, um Schmerzensgeld oder - noch wichtiger - die Zahlung von Krankenkosten, Lohnausfall bis hin zu einer Invaliditätsrente geht. Dabei ist die Deckungssumme - das ist der maximale Betrag, der dem Geschädigten im Falle eines Falles von der Versicherung des Verursachers gezahlt wird - ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben. In Deutschland waren das bis 17. 12. 2007 pro geschädigte Person 2,5 Millionen Euro, bei drei und mehr Verletzten pro Unfall insgesamt 7,5 Millionen Euro. Sachschäden waren mit 500.000 Euro pflichtversichert.

Mehr Geld für Schäden

Mit der Neuregelung kann nun bei Personenschäden die Summe von 7,5 Millionen Euro "unabhängig von der Anzahl der geschädigten Personen in Anspruch genommen werden", so die Rechtsanwälte Nikolai Kröger und Martin Kappen in einem Beitrag für die ADAC-Zeitschrift "Deutsches Autorecht". Die gesamte Summe kann einem einzelnen Unfallopfer zugute kommen. Zudem wurde die Mindestsumme für Sachschäden auf eine Million Euro verdoppelt. Auch bei der "Gefährdungshaftung", die – vereinfacht gesagt – Unfälle regelt, die sich aus dem Betrieb des Autos ohne nähere Schuld ergeben, wurden die Versicherungssummen erhöht: Bei Personenschäden klettert der Höchstbetrag um zwei auf nunmehr fünf Millionen Euro je Schadensfall. Bei den Sachschäden erhöht sich der Haftungshöchstbetrag von 300.000 auf eine Million Euro. Und: Bei Gefahrgutunfällen beträgt die Haftungsobergrenze nun zehn Millionen Euro, für Personen- wie für Schäden an unbeweglichen Dingen, beispielsweise einem Haus.

Extreme Kosten werden nicht getragen

In den knapp 20 Jahren zwischen 1985 und 2006 sind die Haftpflichtaufwendungen für einen Pkw-Unfall im Schnitt von 1.952 auf 3.526 Euro gestiegen, also um rund 80 Prozent. 2006 haben die Versicherungen nach Angaben des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) dabei insgesamt 9,3 Milliarden Euro ausbezahlt. Auch einzelne Unfälle mit schwindelerregenden Euro-Beträgen sind keine Seltenheit, wie der schwere Lkw-Unfall 2004 bei Köln zeigt. Damals kollidierte auf einer Talbrücke ein Pkw mit einem Tanklastzug, durchbrach das Brückengeländer, stürzte in die Tiefe und ging in Flammen auf. Paul Kuhn, ADAC-Referent für Schaden- und Unfallversicherung: "Die Schadenssumme betrug zwischen 60 und 80 Millionen Euro." Es gab in der Vergangenheit viele Unfälle, "bei denen die Deckungssummen nicht mehr für die Höhe der entstandenen Unfallkosten ausreichten", so Kuhn. Daher haben die hiesigen Versicherungen die Deckungssummen schon vor der neuen Richtlinie erhöht.

Gleicher Schutz bleibt Zukunftsvision

Die aktuellen Änderungen sollen den Unfallopfern in der EU gleichen Schutz bei Verkehrsunfällen bringen. Es sind aber nicht alle EU-Länder wirtschaftlich in der Lage, die höheren Mindestdeckungen fristgerecht einzuführen. Das betrifft vor allem die neu hinzugekommenen Länder Osteuropas wie Bulgarien, Estland, Litauen und Polen, aber auch Portugal. Denn damit steigen in diesen Ländern auch die Versicherungsprämien. Die Neuerungen werden nach und nach eingeführt; so muss die jeweilige nationale Deckungssumme bis 2009 mindestens die Hälfte der Gesamterhöhung betragen, betonte Paul Kuhn. Ein Vorbild in Sachen Mindestdeckung ist Luxemburg. Es ist das einzige Land, in dem bereits heute für Personen- wie auch für Sachschäden eine unbegrenzte Deckung gewährt wird. In Finnland, Frankreich und Großbritannien gibt es eine unbegrenzte Deckung für Personenschäden.

Vorsicht außerhalb der EU

Aufpassen müssen Autofahrer, wenn sie die EU verlassen. Dort gibt es teilweise sehr niedrige Haftungsgrenzen. Die niedrigsten Deckungssummen in Europa haben die Türkei (für Personenschaden rund 37.000 Euro, für Sachschaden 7.300 Euro) und noch weniger die Ukraine (7.400 und 3.700 Euro). Albanien hat seine ursprünglich geringen Beträge auf 350.000 bzw. 35.000 Euro angehoben. Noch einen Schritt weiter ist man in Kroatien. Hier wie in der Ukraine wird zurzeit geprüft, die Deckungssummen kräftig nach oben zu korrigieren - wahrscheinlich um sich den Weg in die EU zu ebnen,

Mehr Schutz als vorgeschrieben

Es gibt noch weitere beruhigende Neuigkeiten für Urlauber. So liegen in vielen Mitgliedsstaaten die nationalen Deckungssummen weit über denen der Neuregelung. In Island beträgt die Deckungssumme für Personenschäden 16,7 Millionen Euro und in Schweden gar 33 Millionen Euro. Die deutschen Autofahrer müssen für ihre Kfz-Haftpflichtversicherung übrigens nicht tiefer in die Tasche greifen; die Versicherungsprämien steigen nicht - zumindest nicht auf Grund der EU-Richtlinie. Denn in Deutschland sind bei den meisten Versicherungen die Summen schon jetzt höher als gesetzlich vorgeschrieben, so Stephan Schweda vom GDV. "Deshalb ändert sich für die deutschen Autofahrer praktisch nichts." Für den optimalen Schutz bei Fahrten im Ausland sollte man die höchstmögliche Deckungssumme wählen. Man sollte außerdem an eine Auslandskrankenversicherung sowie eine Kasko- und Rechtsschutzversicherung denken, rät ADAC-Experte Kuhn. Er empfiehlt den Autofahrern eine Versicherung mit der höchstmöglichen Deckung von pauschal 100 Millionen Euro.

Wer geht leer aus?

Trotz der Neuerungen ist Vorsicht geboten. Nach wie vor gilt, dass der Unfallverursacher für alle Beträge selbst aufkommen muss, die über die Deckungssumme seiner Versicherung hinausgehen. Als Geschädigter kann man dann schon mal auf dem Trockenen sitzen bleiben, wenn der Schuldige nicht zahlen kann, was die Haftpflichtversicherung nicht übernimmt. Die Deckungssummen sollen übrigens die Kosten für die Versicherungen "kalkulierbar" halten, wie es in den einschlägigen Gesetzesbegründungen heißt.

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