Die Agentur tfactory arbeitet auf dem Feld der Trendforschung, für die Trendstudie "Timescout" wurden junge Meinungsführer unter 40 Jahren befragt. Eine großstädtische Gruppe, die Trends selbst kreiert oder schneller aufgreift als andere. Und diese Trendsetter halten vom Thema "Auto" offenbar immer weniger.
Das fängt schon mit dem Führerschein an. War es bislang die größte Sorge des Deutschen den "Lappen" zu verlieren, so liegt der Schein bei der großstädtischen Jugend häufig ungenutzt im Schreibtisch. Zwar besitzen immerhin drei Viertel der der 20- bis 29-jährigen Deutschen eine Fahrerlaubnis, aber fast die Hälfte davon gibt an, eigentlich nie Auto zu fahren. Mehr oder minder regelmäßig setzen sich also nur 41 Prozent der Befragten ans Steuer. Tägliche Nutzung eines Autos ist damit alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Die Meinungsführer in Berlin, Hamburg, Köln, Leipzig, Stuttgart und München sind keine Autofahrer, sie benutzen lieber öffentliche Verkehrsmittel. Ganz verallgemeinern kann man diese Einstellung nicht, auf dem Land trifft die autokritische Haltung auf eine Lebenswirklichkeit, die dann doch das Autofahren notwendig macht.
Konsum "ja", Auto "nein"
Im Bewusstsein spielt heutzutage der Klimawandel eine immer größere Rolle, zunehmend wird der Wagen als Luftverpester gesehen. Der Slogan "freie Fahrt für freie Bürger" ist eine Aussage, die in den modernen, jungendlichen Milieus nicht mehr geteilt wird.
Eine wirkliche konsumkritische Haltung steht allerdings nicht hinter der neuen Gleichgültigkeit gegenüber dem vierrädrigen Begleiter. Dezidierte Konsumverweigerer sind selten geworden – auch kritische Gruppen wollen heutzutage ihre Haltung durch Konsum unterstreichen, so die Trendstudie. Die moderne Lebensstilgesellschaft ist eben in erster Linie Konsumgesellschaft. Passende Lebensstile eignet man sich auch dadurch an, dass man richtig konsumiert, also die richtigen Produkte kauft. In dem Rennen um das Budget der Jugend hat das Auto aber gewaltig an Boden verloren. Kleidung, Mobiltelefone, MP3-Player sind jungen Konsumenten wichtiger.
Das Auto war lange Zeit eines der wichtigsten Statussymbole überhaupt, entsprechend viel Angriffsfläche bietet es. Der Verfall der Zuneigung trifft allerdings nicht alle Werte und Konsumhaltungen der Altvorderen. "Beim Thema "Wohnen" ist die Abkehr nicht so da wie beim Thema "Auto". Da ändern sich die Präferenzen im Einzelnen, aber schick wohnen will man heute auch", sagt Philipp Ikrath, der die Trendstudie bei tfactory leitet. Das Auto verliert dagegen sehr schnell seinen Nimbus. Ikrath spricht von einer "ikonoklastischen Herangehensweise", das Auto wird von der nachwachsenden Generation von seinem Sockel gestoßen. "Die Jungen sagen, für mich widme ich das Auto jetzt um, wenn überhaupt, kauf ich mir ein reines Fortbewegungsmittel."
Hinzu kommt die finanzielle Situation der Gruppe. Der 23jährige, der sich sein erstes Auto leistet kann, wird nicht zunächst seinen Markenpräferenzen und Lieblingsmotorisierungen folgen können. Doch schon das bloße Schwärmen für einen Traumwagen ist vorbei. Für Konsumentscheidungen jeder Art ist die Akzeptanz der Gruppe entscheidend. Und da sieht das Auto keinen Stich mehr, der Aussage "Mit einem tollen Auto kommt man bei den Freunden besser an" stimmen weniger als drei Prozent der Befragten zu, fast die Hälfte widerspricht sogar vehement.
Bei Mp3-Playern, Handys und Kleidung wird die Marke immer wichtiger, beim zum bloßen Fortbewegungsmittel degradierten Auto spielt die Marke dagegen immer weniger eine Rolle. Von dem Statusverlust profitieren vor allem die deutschen Marken, weil sie für harte Tugenden wie Solidität, Sicherheit und Zuverlässigkeit stehen. Wagen mit besonders frischem und jugendlichem Design erreichen die Herzen die urbanen Meinungsführer offenbar nicht. Auch die Anstrengungen von Toyota, mit dem Prius den ökologischen Trendsetter mit Hybridantrieb zu etablieren, führen zu keinem Echo. Beim Fortbewegungsmittel "Auto" zählt nur der reine Nutzwert. Und da liegt Volkswagen ganz vorn. Ein Konzern, der mit dem Golf schon immer einen etwas langweiligen Familienbenutzer für jeden Anlass im Programm hat. Zur Identitätsstiftung wie bei der "Generation Golf" reicht der Nimbus allerdings nicht mehr aus.
Anmerkung zu den Kommentaren: Die Gruppe der Befragten ist mit 1200 Personen uin Deutschland nicht klein oder beliebig. Über den Begriff "urbane Meinungsführer" kann man juxen, er macht aber deutlich, dass es sich eben nicht um eine repräsentative Umfrage handelt, sondern dass Panel eine genauer gefasste Gruppe umfasst. Hier geht es um ein Lebensgefühl im Schmelztiegel der Jungendkulturen. Wie im Artikel erwähnt, würde eine repräsentative Umfrage auf dem platten Land sicher andere Ergebnisse erbringen.