"Trotz der wirtschaftlichen Delle sind die USA für uns immer noch der wichtigste Markt", spricht Jan Ehlen, Wirtschaftspressesprecher von BMW Nordamerika, ein wahres Wort gelassen aus. Dieser Markt droht nun einzubrechen. Die Autoindustrie, nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland, hat es schwer, sich schnell umzustellen. Produktionszyklen in der Automobilindustrie aber werden in fünf, sechs, ja sieben Jahres-Rhythmen gerechnet. PS-starke Benzinschlucker sind hier jedenfalls "out" und stehen auf Halde, kleine Kompakte - wie der in den USA enorm erfolgreiche Mini - sind "in" und die Einzigen, die überhaupt noch gehen. In nur wenigen Monaten hat sich das Kaufverhalten der amerikanischen Konsumenten so radikal gewandelt, wie seit der Ölkrise in den 70er Jahren nicht mehr.
Zu astronomischen Benzinpreisen kam eine Immobilienkrise, die das Urvertrauen der US-Bürger in die Solidität ihrer Gesellschaft in ihren Grundfesten erschütterte. Banken-Crashs, riesige Defizite, die von einer kriegswütigen Regierung aufgetürmt wurden, und eine Verschiebung nationalen Eigentums in erdölproduzierende Länder verunsicherten die sonst so optimistischen Amerikaner noch mehr. Zunehmende Arbeitslosenzahlen, die geradezu irrsinnigen Schulden, die fast jeder Amerikaner nach George Bushs "Go Shopping"-Aufrufen nach dem 11. September bei den Kreditkarten-Firmen aufgehäuft hatte (in manchen Fällen mit legalen Wucherzinsen von bis zu 30 Prozent), und die seit der Finanzkrise stark erschwerten Kreditbedingungen taten ein übriges – mit einem Male war an Geldausgeben nicht mehr zu denken, an ein neues Auto schon gar nicht.
Krise lähmt den Luxus-Konsum
Zugegeben, die Krise auf dem amerikanischen Automarkt hat die US-Hersteller deutlich schlimmer getroffen. Und die deutschen Hersteller von Nobel-Limousinen aus München, Stuttgart oder Ingolstadt bedienen eine Klientel, die sich – noch – zumeist vornehm aus dem traurigen Jammertal heraushalten kann, aber in einer Umkehrung von Ronald Reagans simpler Wirtschaftstheorie fürchten sich alle vor einer "Trickle-Up"-Theorie, in der die Finanznot der Massen die wenigen Reichen mit in die Rezession stürzen könnte. "Da gibt es auch psychologische Gründe für eine Kaufzurückhaltung", sagt Jan Ehlen "Wenn der Freund oder Nachbar pleite geht und sein Haus verliert, überlegt man sich schon mal, ob es ein guter Zeitpunkt ist, einen neuen Siebener zu kaufen." Einen perfekten Sturm, so nennt ein Marketing-Manager an der Westküste den Dreifachschlag aus gestiegenen Rohstoffpreisen, verschärften Abgasbestimmungen und einer schwächelnden Leitwährung.
Manager und Vorstände der Automobilhersteller haben die Gefahr im Blick. Ralph Weyler, ehemaliger Marketing-Vorstand bei Audi, sagte vor einem Jahr schon: "Wenn der Euro auf 1,60 Dollar steigt, haben wir alle richtige Probleme." Gott sei Dank ist es nicht so weit gekommen, im Augenblick jedenfalls, aber die Wechselkursschwankungen wirken sich schon seit geraumer Zeit negativ auf die Bilanzen der deutschen Exportwirtschaft aus. Im Jahr 2002, so sagte BMW-Vorstand Norbert Reithofer Anfang des Jahres seinen Aktionären, kostete ein Fünfer-BMW in den USA rund 50.000 US Dollar, was damals den erklecklichen Betrag von 55.000 Euro in die Münchern Kassen fliessen liess. Heute, so fuhr er fort, brächten diesselben 50.000 Dollar nur noch 32.000 Euro ein. "23.000 Euro weniger für ein besseres Auto mit besseren Fahreigenschaften. Im Lauf von sechs Jahren verringerte sich der Umsatz pro Fahrzeug um ungefähr 40 Prozent, nur auf Grund unvorteilhafter Wechselkurse". Das ist schwer aufzufangen.
Im Karussell der Wechselkurse
Aber es geht. Wenn die General Motors Tochter Saturn Astras und Antaras von der deutschen Schwester Opel in Rüsselsheim in den USA zu Kampfpreisen verkauft (ein 3türiger Astra kostet umgerechnet knappe 12.000 Euro) - und im Gegengeschäft den Saturn Skye als Opel GT exportiert - funktioniert das bei einem weltumspannenden Konzern wie GM recht flott. "General Motors ist eine Weltmarke", erklärt Matt Armstrong, Marketing Manager von Saturn USA. "Wir können Verluste einzelner Modelle dadurch ausgleichen, dass wir andere Modelle in Länder exportieren, in denen amerikanische Produkte einen Währungsvorteil haben." Unterm Strich wird angestrebt, mit einer Nullsumme zu enden.
Auch BMW profitiert von Autos, die in den USA gebaut werden. In South Carolina, wo schon der Z4, der X5 und der X6 produziert werden, soll demnächst auch die nächste Generation des X3s entstehen, und so der Münchner Mutter helfen, die Gelder wieder einzuspielen, die bei den Dreiern, Fünfern und Einser Modellen verloren gehen. Über sechzig Prozent der in den USA gebauten BMWs sind laut Jan Ehlen schon jetzt für den Export bestimmt. Auch Volkswagen stampft in Windeseile an der amerikanischen Ostküste eine Produktionsstätte aus dem Boden, ein bisschen spät, aber immerhin. Nur eines sollte man in Europa nicht vergessen: In dieses Wechselkurskarussell der weltweiten Produktionsstätten schaufeln die Europäer die roten Zahlen, andere Länder müssen entsprechend zubuttern, damit am Ende eine Null heraus kommt.
Strategien für den Preisdruck
Aber auch die Abspeckstrategie geht nicht auf. Basismodelle mit magerster Ausstattung auf den Markt zu werfen, um damit Wechselkurse zu verringern, geht jedoch in den USA meist in die Hosen. "Die USA sind ein hart umkämpfter Markt", sagte ein Mercedes Benz-Sprecher bei der Vorstellung der Bluetec-Diesel in Vermont. "Das gilt ganz besonders im Premium Segment. Wer da an der Ausstattung spart, schießt sich selber ins Bein." Ansonsten seien die Stuttgarter aber rundum zufrieden. Der Absatz der Mercedes-Modelle stieg im Juli um beachtliche zwölf Prozent im Vergleich mit dem vergangenen Jahr.
Die Hoffnung der deutschen Hersteller ruht auch auf der Einführung der neuen und sauberen Diesel-Generation, die den Amis das Benzinsparen mit Gewalt beibringen soll. Bisher hat vor allem Mercedes gute Verkäufe in den 45 Bundesstaaten erzielt, in denen noch nicht die allerhärtesten Abgasbestimmungen herrschen. Ob die deutschen Hersteller allerdings den Vorsprung der Japaner einholen können, die mit Hybrid-Antrieben schon seit geraumer Zeit den größeren Reibach machen und den Deutschen die lange Nase zeigen konnten, bleibt abzuwarten.
Als letzte Möglichkeit bleibt immer noch die gern genommene Methode der sogenannten "Einsparungen im Produktionsbereich", im besten Fall durch gesteigerte Effizienz, im schlimmsten Fall durch Verlagerung des Arbeitsplatzes ins Ausland. Zwar werden in Deutschland neue Produktionstätten erstellt, wie zum Beispiel von BMW in Regensburg. Doch bedenkt man, dass zwar Dreiviertel aller BMW Mitarbeiter in Deutschland arbeiten, aber der deutsche Markt gerade zwanzig Prozent des Absatzes ausmacht, dann kann das dem einen oder anderen Mitarbeiter in Dingolfing, Ingolstadt oder Sindelfingen schon einen kalten Schauer über den Rücken jagen. Denn, wie bereits gesagt: Im weltweiten Wechselkurskarussell gehören die Euro-Länder zu den Verlustbringern.