Das vergangene Jahr lief trotz aller Widrigkeiten hervorragend für Tesla. 1.369.611 Autos liefen vom Band, 1.313.851 fanden einen Käufer. Der Gesamtumsatz des Unternehmens lag bei 81,5 Milliarden US-Dollar, davon blieben 12,6 Milliarden US-Dollar Gewinn übrig. Im Vergleich zum Vorjahr verbuchte Tesla ein Umsatzplus von 51 Prozent, beim Gewinn legte der Autohersteller 128 Prozent zu.
Wenig überraschend stieg nach schwierigen Wochen und einer beispiellosen Talfahrt der Aktie der Kurs sprunghaft wieder nach oben. Lag er Anfang Januar noch bei rund 108 US-Dollar, kostet ein Anteilsschein heute 154 US-Dollar.
Im laufenden Quartal wird Tesla wohl ebenfalls tiefschwarze Zahlen schreiben – in der vergangenen Woche senkte das Unternehmen die Preise vieler Autos derart drastisch, dass sich viele Interessenten für einen Kauf entschieden. Investoren goutierten den Schritt zunächst nicht, da man in den enormen Rabatten ein Zeichen für abnehmende Nachfrage sah. Tesla argumentierte gänzlich anders und erklärte: "Unser Ziel bei Tesla ist es, den Übergang zu nachhaltiger Energie zu beschleunigen. Da die Produktion in unseren Gigafactories hochgefahren wird, können wir unsere Fahrzeuge erschwinglicher machen." Es dauerte nicht lange, bis Meldungen zu steigenden Lieferzeiten und großem Andrang die Runde machten.
Tesla-Neuheiten liegen in weiter Ferne
Dennoch bleibt Tesla in unruhigem Fahrwasser, da sich aktuell mehrere Probleme zu häufen scheinen und für die meisten davon keine kurzfristige Lösung in Sicht ist. Das fängt bei neuen Modellen an. In den Startlöchern stehen aktuell vor allem zwei teurere Modelle, der Cybertruck und der neue Tesla Roadster. Parallel arbeitet Tesla an einer neuen Plattform für alle aktuellen Modelle, die laut Musk erneut mit günstigeren Preisen einhergehe.
Teslas Roadmap hat sich in der Vergangenheit aber nicht als gerade Straße erwiesen, sondern glich bisher eher einer holprigen Offroad-Strecke mit heftigen Schlaglöchern. Am ehesten könnte noch ein überarbeitetes Model 3 erscheinen, intern heißt das Projekt wohl Highland. Zuletzt hieß es, mit der Produktion sei im dritten Quartal 2023 zu rechnen.
Ob es dabei bleibt, steht in den Sternen. Denn was Produktionsdaten angeht, war Tesla zuletzt ausgesprochen unzuverlässig. Beispiel Cybertruck: Ursprünglich sollte das Monstrum in den USA bereits auf den Highways rollen, die Lieferungen sollten eigentlich schon 2021 beginnen. Zahlreiche Aufschübe später, sprach Tesla zuletzt von einem langsamen Start im kommenden Sommer und einer Fließbandproduktion ab 2024. Am 1. März will Tesla erneut ein Update über die geplanten Schritte geben.
Aus den zahlreichen Verzögerungen ergibt sich für das Unternehmen ein Problem: Die Konkurrenz holt auf. Was günstige und frischere Mittelklassewagen betrifft, stehen mit BYD und Nio zwei chinesische Schwergewichte in den internationalen Startlöchern. Den amerikanischen Elektro-Pick-up-Markt sichern sich derweil Ford, Rivian und General Motors. Hinzu kommt, dass der Cybertruck ein wahrlich unorthodoxes Fahrzeug ist, das sich in der echten Welt erst noch beweisen muss – während Ford mit dem Ford F-150 Lightning eines der beliebtesten Autos der Amerikaner elektrifiziert hat.
Die Revolution des Lkw-Verkehrs bleibt trotz erster Tesla-Semi-Lieferungen ebenfalls aus, bislang schafften es nur wenige Exemplare zum Kunden und immer wieder sieht man die Tesla-Trucks am Haken großer Abschlepper. Was genau sich hinter den Kulissen abspielt, ist unbekannt – die bisher gesichteten Pannenhelfer gaben dem stern auf Anfrage keine weiteren Informationen zu den liegengebliebenen Semis.
Teslas Software steht unter kritischer Beobachtung
Eine weitere Großbaustelle ist Teslas wichtigstes Gut – die Software. Für Firmenchef Elon Musk ist "Full Self Driving" ("FSD") die entscheidende Stärke seines Unternehmens, die langfristig über Erfolg oder Untergang entscheiden wird. In einem Interview sagte er: "Das wird den Unterschied machen, ob Tesla eine Menge Geld wert ist oder praktisch nichts."
Über den Erfolg seiner Software – und deren Ruf – hat Musk aber längst nicht mehr alleine zu entscheiden. Denn bei der zivilen US-Bundesbehörde für Straßen- und Fahrzeugsicherheit NHTSA laufen derzeit umfangreiche Untersuchungen im Zusammenhang mit zahlreichen Unfällen in den USA, die in Verbindung mit der Tesla-Software stehen. Zuletzt sorgte ein Unfall auf der Bay Bridge in San Francisco für viel Aufsehen, bei dessen Untersuchung letztlich herauskam, dass die Assistenzsysteme eine zentrale Rolle gespielt haben. Wenn die Behörde die Software offiziell für unsicher oder unzumutbar befindet, rollt auf Tesla ein gigantisches Problem zu.
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In diesem Zusammenhang schafft es wenig Vertrauen, dass Tesla gleichzeitig die Anzahl der an Bord befindlichen Sensoren aktuell eher zurückfährt, statt sie zu erhöhen. Das liegt daran, dass Tesla damit begonnen hat, die Fahrzeuge auf ein sichtbasiertes 3D-Erkennungssystem ("Tesla Vision") umzustellen, diesen Schritt aber in merkwürdige Abschnitte unterteilt. Zuletzt begann Tesla damit, sämtliche Ultraschallsensoren aus den Fahrzeugen zu entfernen, während die Kamera-Software deren Fähigkeiten aber noch nicht vollständig ausgleichen kann.
Das äußert sich zum Beispiel im Wegfall der Einparkhilfe – heute Standard in fast jedem Neuwagen. Wer darauf wartet, wieder Unterstützung beim Einparken zu bekommen, muss sich auf Tesla verlassen. Das Unternehmen lässt wissen: "In naher Zukunft werden diese Merkmale, sobald sie mit denen in heutigen Fahrzeugen gleichwertig sind, durch eine Reihe von Software-Updates über Over-the-Air wiederhergestellt."
Im Hintergrund plant Tesla auch die Wiedereinführung von Radarsensoren – obwohl man sich bei deren Abschaffung sicher war, dass die Kamera-Systeme auch prima ohne sie auskämen. Doch bis es soweit ist, laufen beim Hersteller zahlreiche Fahrzeuge vom Band, die weder Ultraschall- noch Radarsensoren an Bord haben. Man muss schon fest an die Zuverlässigkeit der Software und schnelle Updates glauben, um den Verzicht in Kauf zu nehmen.
Findet Musk wieder genug Zeit für Tesla?
Zuletzt bleibt noch Elon Musk selbst. Kaum ein anderer CEO wird so eng mit einer Marke in Verbindung gebracht. Das ging mehr als ein Jahrzehnt lang sehr gut. Musk gilt als schneller und radikaler Entscheider, der in Interviews immer wieder bewiesen hat, dass er wirklich Ahnung hat. Dennoch schlummert in ihm etwas, das sich nur schwer einschätzen lässt.
Seit seiner Übernahme von Twitter hat sich Musk mehrfach von einer bisher unbekannten – oder gut verborgenen – Seite gezeigt, schoss gegen anerkannte Virologen, riet zur Wahl der Republikaner und wetterte nicht nur einmal gegen Kalifornien und die progressive Politik des Staates. Nicht umsonst operiert er seit Jahren aus dem deutlich konservativeren Texas heraus.
Aufgrund seiner verbalen Eskapaden und dem heillosen Chaos, dass er bei Twitter in den letzten Monaten angerichtet hat, schwindet das Vertrauen in ihn – selbst von Fans, die ihm und Tesla seit Jahren die Treue halten. Zumal er aufgrund seiner zahlreichen Firmen in den Augen von Investoren ohnehin nicht mehr genug Zeit aufbringt, um die Geschicke von Tesla vollumfänglich zu lenken. Das könnte ebenfalls für Probleme bei Tesla sorgen, wenn es so weitergeht. Der Analyst Dan Ives beschrieb es Ende Dezember so: "Musk gilt als 'schlafend am Steuer', wenn es um die Führung von Tesla geht, und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Anleger einen CEO brauchen, der diesen Sturm der Kategorie 5 steuert. Tesla ist Musk. Und Musk ist Tesla."
Quellen: CNN, Verge, Reuters, Motortrend, Tesla, Electrek
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