Man hat sich ja eigentlich schon damit abgefunden: Früher oder später wird man zu Hause und am Arbeitsplatz keinen vollwertigen PC mit Festplatte mehr haben - sondern nur noch eine bessere Schreibmaschine mit Bildschirm.
Das meiste, was heute einen Rechner ausmacht, wird dann ins Internet abgewandert sein: Cloud-Computing nennt sich das Phänomen, bei dem Daten und Software nicht mehr auf der Festplatte gespeichert sind, sondern weltweit auf Rechnerfarmen externer Dienstleister wabern. Alle zusammen bilden die sogenannte Datenwolke.
Die hilft besonders Unternehmen beim Sparen: Hardware-Anschaffungskosten fallen weg, Über- und Unterkapazitäten werden vermieden - und sogar die Effizienz der Mitarbeiter steigt. Denn die Freiheit unter den Wolken ist nicht mehr grenzenlos: Wer keinen vollwertigen Büro-PC mehr hat, sondern nur noch einen abgespeckten Basisrechner, der kann auch während der Arbeitszeit nicht mehr Solitär spielen oder auf Moorhuhnjagd gehen.
Während alle darauf warten, dass sich Cloud-Computing auf breiter Front durchsetzt, sind erste Anwendungen für die Wolke längst Usus. Die größte Suchmaschine der Welt zum Beispiel ist auch gleichzeitig Wolkenmacher Nummer eins.
Die kostenlos nutzbaren Google-Apps richten sich nicht nur an Unternehmen, sondern auch an Privatanwender, die damit den ganzen Globus zu ihrem Homeoffice machen können. Neben E-Mails und Terminen werden auch Dokumente und Tabellen in die Wolke gestellt - zum weltweiten Abruf oder zum gemeinsamen Bearbeiten in Gruppen.
Auch Microsofts notorische Office-Programme kann man sich sparen, wenn man in der Wolke seine Schreibarbeit erledigt. Microsoft hat auf die Webkonkurrenz reagiert und bietet mit Office Live einen abgespeckte Version seiner Software kostenlos zur Onlinenutzung an - inklusive fünf Gigabyte Speicherplatz.
Längst Wolke: Flickr und Picasa
Wie sehr sich das Cloud-Computing-Prinzip bereits durchgesetzt hat, das merkt man an Anwendungen, die eigentlich eher unter dem Etikett "Web 2.0" laufen - in Wirklichkeit aber hübsche Beispiele für das Wolkenprinzip sind.
Immer mehr Leute nutzen schließlich das Web als externe Festplatte: Fotocommunitys wie Flickr oder Googles Picasa dienen vielen Anwendern längst auch als privates und bequemes Bilder-Back-up - und weniger als Bühne für ihre fotografischen Ambitionen. Nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Fotos und Videos werden kennwortgeschützt im Netz archiviert und entlasten damit Speicherkarten, Festplatten und Handyspeicher.
Praktisch, aber nicht immer auch sicher
Das ist praktisch, aber nicht immer auch sicher. So kam es bereits vor einiger Zeit zu einer besorgniserregenden Panne bei Flickr: Durch einen technischen Fehler wurden für einige Stunden private Fotos für jedermann sichtbar - darunter auch Nacktbilder entsetzter User. Solche Datenunfälle sind zwar absolute Ausnahmen, aber Wasser auf die Mühlen der Cloud-Kritiker.
Kritiker warnen davor, sich zu sorglos auf das Prinzip Cloud-Computing einzulassen. Zu den größten Skeptikern gehört Internet-Urgestein Richard Stallman: "Cloud-Computing ist Dummheit. Es ist eine Marketing-Hype-Kampagne", sagte er kürzlich in einem Interview. Wer seine Daten Google oder anderen Webdiensten anvertraue, laufe Gefahr, die Kontrolle darüber zu verlieren. Andere Experten sehen das Problem gelassener. Firmen sollten in jedem Fall Datenschutz- oder Haftungsfragen vor Vertragsabschluss gut prüfen. Privatnutzer sollten besonders sensible Daten nicht allein in die Wolke auslagern, sondern immer auch Hardware-Back-ups anfertigen.
Wer kein Risiko eingehen will, sollte pikante Fotos tatsächlich besser lokal speichern. Bearbeiten und aufhübschen kann man sie ja trotzdem online: Auf Seiten wie Picnik.com geht das auch ohne Anmeldung; sogar Adobes Photoshop gibt es mittlerweile kostenlos als Webapplikation - allerdings mit weniger Funktionen als die klassische Adobe-Software, die aber bekanntermaßen auch viel Geld kostet.
Dass es in der Zukunft nicht bei Back-ups, Bildbearbeitung und Bürosoftware bleibt, für diese Vorhersage muss man kein Meteorologe sein. Die Wolken breiten sich aus und haben das Zeug, den PC zum festplattenfreien Eingabegerät zu degradieren. Die einzige Software, die noch lokal installiert werden muss, ist dann der Browser - alles andere findet im Netz statt. Kein Wunder also, dass Google sein für nächstes Jahr angekündigtes Betriebssystem genauso genannt hat wie seinen Browser - Chrome.
Anbieter wie Zoho zeigen schon jetzt, wohin die Wolken ziehen: in alle Himmelsrichtungen. Die Seite bietet Onlinezugriff auf Dienste unterschiedlichster Art, und das zumindest teilweise kostenfrei. Die Palette reicht vom Abrechnungsprogramm und Präsentationssoftware über den Chat-Client und einen Web-Editor bis hin zum Bewerbungsmanagementtool.
Trotz weltweiter Zugriffsmöglichkeit muss aber auch das Persönliche in den Wolken nicht verloren gehen. Das beweist der Dienst Icloud Die Seite bietet Menschen, die oft von verschiedenen Computern arbeiten, eine Möglichkeit, sich online eine Art persönlichen Schreibtisch einzurichten.
Nach und nach können bis zu drei Gigabyte von sämtlichen Geräten kostenlos hochgeladen und persönliche Ordner auf dem virtuellen Desktop angelegt werden, der von jedem Browser aus zugänglich ist. Sogar das Hintergrundbild kann man selbst wählen, ganz wie beim Windows-Desktop auf dem Heim-PC. Musik- und Videoplayer sowie ein Chatprogramm sind auf dem Browser-Schreibtisch bereits vorinstalliert.
Die Kontrolle hat immer der Betreiber
Bei allen Ersparnissen und Effizienzsteigerungen, die Cloud-Dienste mit sich bringen, darf man aber eines nicht vergessen: Die Kontrolle über das Handeln und alle Daten hat in der Wolke letztlich nicht mehr der Nutzer, sondern der Betreiber. Ob also Büromenschen weiter Moorhühner jagen und Karten spielen dürfen, liegt ganz in den Händen ihrer Wettergötter.
Gefunden in der Online-Ausgabe der "Financial Times Deutschland". www.ftd.de