In einem langen Video und einem noch längeren Blog-Artikel betreibt der in Ungnade gefallene Influencer Fynn Kliemann Schadensbegrenzung. Bei Fans kommt das erste Statement nach Wochen des Schweigens gut an.
Es liegen turbulente Wochen hinter dem einstigen Vorzeige-Influencer Fynn Kliemann. Nachdem das ZDF Magazin Royale Recherchen zu fragwürdigen Maskendeals und intransparenten Spendenaktionen veröffentlicht hatte, geriet Kliemann in Erklärungsnot. Es folgten mehrere Interviews und erste Rechtfertigungen, doch die Kritik konnte damit nicht aus dem Weg geräumt werden.
Nun, nach mehreren Wochen Funkstille, nimmt Fynn Kliemann einen neuen Anlauf und veröffentlichte auf Instagram ein sechsminütiges Video sowie einen langen, durch Unterlagen und Skizzen gestützten Blog-Eintrag in seinem Online-Shop. Er "gehe jetzt aufräumen", erklärt ein sichtlich mitgenommener Kliemann.
Das Video und der Blog-Eintrag dienen nicht nur als Entschuldigung an Betroffene, Fans und die Öffentlichkeit, sondern auch als Erklärung einiger Umstände, die nach Meinung von Kliemann in den vergangenen Tagen durcheinander gerieten.
Fynn Kliemann: "Hier wird der Richtige kritisiert"
Das Video beginnt überraschend selbstkritisch. Kliemann beginnt mit den Worten: "Ganz ehrlich? Ich dachte immer, die Kritik tritt hier den Falschen." Doch nach Durchsicht aller Unterlagen und Fakten, sei er zu dem Schluss gekommen: "Hier wird der Richtige kritisiert."
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Es beginnt eine längere Aufzählung, was alles schief gelaufen ist – und womit Kliemann, trotz aller Verstrickungen, letztendlich nichts zu tun hatte. Er habe "Prozesse angeschoben, ohne die richtig zu hinterfragen" und von "Spenden gesprochen, ohne daran beteiligt gewesen zu sein." Zusammenfassend sagt er: "Ich hab' so viel Scheiße gebaut und dann einfach versagt als dieser Typ, der ich nie sein wollte – ein Unternehmer. Und das tut mir leid."
Die Einnahmen, welche Kliemann durch den Verkauf der Masken erzielt hat, spricht er nur kurz im Video an. Die Umsätze erklärt aber der Blog-Eintrag ausladend. Kliemann dazu: "Dann habe ich euch glauben lassen, dass ich mit diesen Masken in meinem Shop nichts verdiene. Ich rede immer von Transparenz und dann muss erst eine Wirtschaftsprüferin kommen, um überhaupt auszurechnen, was da an Geld übrig geblieben ist." Das Ergebnis dieser Prüfung: Kliemann verdiente an den Masken rund 282.000 Euro. Kliemann erweckt den Anschein, als habe er das tatsächlich bis zur unabhängigen Prüfung seiner Unterlagen nicht gewusst – denn offenbar war das Geld für ihn tatsächlich nicht das wichtigste.
Und warum das alles, wenn nicht fürs Geld? Auch das beantwortet Kliemann: "Es hat sich einfach voll gut angefühlt, von euch gemocht zu werden. Und die Wahrheit ist, dass ich mehr davon haben wollte. Ist vielleicht peinlich, aber ich wollte krasser sein, als ich bin." Kliemann räumt ein, viele Fehler gemacht zu haben, aber dafür immer geradestehen zu wollen.
Ferienhäuser, Hanf und Astrologie: Fynn Kliemann und seine Projekte
Eines der Hauptprojekte von Kliemann ist sein Label "oderso". Er wirbt vor allem mit nachhaltiger und fairer Produktion in Europa. "oderso" verkauft Hoodies, Hosen, Shirts und Mützen. Überall findet sich der kleine Schriftzug "oderso" wieder. Auf der Website vom Kliemannsland kann man auch Merch erwerben. Zum Beispiel ein "Schlüba" (Schlüsselband), einen Zollstock oder Tassen und natürlich Hoodies. Alle mit dem Aufdruck "Kliemannsland" versehen.
Zu den ersten Interviews, zum Beispiel mit dem Spiegel, sagt Kliemann: "Das war wieder voll schnell und einfach falsch." Er bezieht sich dabei darauf, die Fragen nach seinen Einnahmen durch die Masken mit einer von ihm geschätzten Zahl beantwortet zu haben, ohne die tatsächliche Summe gekannt zu haben.
Durch die Wirtschaftsprüfung wisse er jetzt, dass 60 Cent pro Maske "übrig geblieben sind". Zusammen ergebe das 282.000 Euro nach Steuern. Das Versprechen von damals, nichts mit den Masken verdienen zu wollen, halte er aber, sagt Kliemann. Er wolle den gesamten Gewinn in vier gleichen Teilen an jene spenden, die am meisten unter seinen Fehlern zu leiden hatten: Geflüchtete und ausgebeutete Arbeitskräfte in der Textilindustrie. Um "wieder einen Schnellschuss" zu vermeiden, suche er nun in Ruhe nach Vereinen und Nichtregierungsorganisationen und wolle erst später veröffentlichen, an wen das Geld gehen soll.
"Ich räum' jetzt alles auf. Ich baue mich und alles um mich herum so um, dass sowas nie wieder passieren kann", führt Kliemann fort. "Und als erstes, werde ich die ganzen Verflechtungen zu Tom Illbruck (Global-Tactics-Gründer, Anm. d. Red.) [...] auflösen. Das ist nicht ganz so einfach [...], aber ich habe zumindest juristisch schonmal alles in die Wege geleitet, sodass meine Anteile [...] für jeweils einen symbolischen Euro zurückgehen."
Kliemann gründet Beirat
Für seine übrigen Unternehmungen nimmt sich Kliemann vor, einen Beirat zu gründen, und sich "von den klügsten Menschen, die ich kenne" beraten zu lassen. Er habe in der Vergangenheit gedacht, "alles besser zu wissen", habe aber nun gemerkt, dass er "so viel lernen muss".
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Auch zu seiner Ferienhaus-Vermietung "LDGG" hat Kliemann Neuigkeiten: Zwar habe er dort zu schwammig kommuniziert, aber die Spendensumme seiner Gäste sei "vollständig da" und man rede nun mit einem neuen Partner über die Zukunft des Unternehmens und die Verwendung der Spenden. "Auch da habe ich so beschissen kommuniziert", resümiert der Youtuber.
Nach den Erklärungen nimmt Kliemann wieder Bezug auf sich: "Ich bin manchmal übereifrig und vielleicht ein scheiss Unternehmer, aber ich bin kein Betrüger. Ich will einfach was bewegen und das will ich auch weiterhin machen. Ich hoffe einfach, dass ich euch das zeigen darf." Er schließt das Video mit den Worten: "Ich gehe jetzt weiter aufräumen."
Das steht in seinem Blog-Eintrag
Weitere Details zu den Maskendeals, seinen Beteiligungen und Spenden finden sich auf seiner Webseite "Oderso.cool". Die wichtigsten Statements:
Kliemann gibt an, ausschließlich portugiesische Masken in seinem Shop verkauft zu haben.
Kliemann sei nie an "global tactics e.K." beteiligt gewesen, Alleiniger Inhaber des "global tactics e.K." sei Tom Illbruck.
Am Verkauf von Masken an Großkunden wie About You habe Kliemann kein Geld verdient, er habe Illbruck lediglich vernetzt.
An der Spende von 100.000 Masken an Flüchtlingscamps sei er nicht beteiligt gewesen. Über den Zustand der mutmaßlich defekten Masken habe er nichts gewusst.
Im Zusammenhang mit den Masken veröffentlichte Kliemann auf seiner Webseite ein neues Dokument des Vereins "Civilfleet-Support e.V.". Dem Verein habe er die Frage gestellt, wie mangelhaft die Masken, die "global tactics e.K." gespendet hatte, wirklich waren. Die Antwort: Ein Großteil der Masken sei nutzbar gewesen, nur etwa jede zehnte Maske sei fehlerhaft gewesen, hatten beispielsweise einen falschen Schnitt oder unzureichend befestigte Bänder. Der Verein bestätigt, dass Kliemann nicht in die Kommunikation eingebunden war, die Koordination sei vollständig über "global tactics e.K." gelaufen.
Neben mehreren anderen Antworten auf Fragen, die in den vergangenen Wochen aufkamen, liefert Kliemann auch eine Erklärung für den vielkritisierten Satz "Krise kann auch geil sein" und zeigt den Satz in einem größeren Kontext. Er sei entstanden, als er mit einem Zwischenhändler über ein Eilverfahren des TÜV sprach, welches im Zuge der Pandemie für das Testen von Masken entstanden war. Dieses schnellere Genehmigungsverfahren sah Kliemann offenbar als gute Sache, die erst durch die Pandemie möglich geworden war. Dennoch schreibt er: "Damit habe ich, auch wenn es aus dem Kontext gerissen ist, sehr unpassend auf eine weltweite Pandemie und deren Folgen reagiert."
"Es wird weitergehen"
Kliemann erklärt abschließend, wie es nun für ihn und seine Projekte weitergehe: "Es wird weitergehen. Es braucht natürlich mehr Struktur, mehr Absicherung und Vertrauen sollte mit der notwendigen Verantwortung – und da wo wichtig auch Kontrolle – gepaart werden. Ich werde Taten sprechen lassen, weniger Worte vorausschicken. Und ich werde, wie geplant, Dinge an klügere Menschen abgeben und mich auf Weniger mehr konzentrieren."