Apple, Disney, Intel Nach seinen antisemitischen Posts laufen Twitter die wichtigsten Werbekunden weg – jetzt legt Musk noch nach

Elon Musk benennt Twitter um
Elon Musk hatte Twitter vor einem Jahr gekauft und mittlerweile in X umbenannt
© NurPhoto / Imago Images
Schon länger steckt X/Twitter in finanziellen Schwierigkeiten. Jetzt haben einige der wichtigsten Werbekunden dicht gemacht. Schuld ist mal wieder Besitzer Elon Musk. Statt zurückzurudern, geht er aber lieber in den Angriff.

Immer wieder soll die Werbung von Weltkonzernen wie Apple, Disney oder Warner Brothers neben Posts aufgetaucht sein, die offen mit Hitler und den Nazis sympathisierten oder Juden attackierten. Auch Musk selbst hatte offen eine antisemitische Verschwörungstheorie als "die Wahrheit" verbreitet. Statt Einsicht zu zeigen, droht er aber mit dem Gericht – und verfällt erneut in antisemitisches Raunen.

Die Klagedrohung richtet sich gegen die Medienplattform "Media Matters". Nachdem am Mittwoch 160 jüdische Persönlichkeiten zu einem Werbeboykott bei X aufgerufen hatten, hatte Media Matters am Donnerstag nachgelegt – und in zahlreichen Screenshots belegt, dass Werbung von Apple oder IBM neben Posts angezeigt worden war, die offen mit dem Nazi-Regime sympathisierten. In der Folge hatte zunächst IBM einen Werbestop bei X angekündigt, dann zogen auch mehrere andere Unternehmen wie Apple, Warner Brothers, das Filmstudio Lionsgate, der Kabel-Gigant Comcast nach.

Musk teilte antisemitische Verschwörungsmythen

Musk fühlt sich ungerecht behandelt – und kündigte rechtliche Konsequenzen an. Die Darstellung bei Media Matters entspreche nicht den Tatsachen, heißt es in einem langen Post, der X als Vorreiter der Meinungsfreiheit zeichnet. Von mehr als 5,5 Milliarden Werbeeinblendungen an dem Tag seien nur 50 neben den von Media Matters dokumentierten Posts angezeigt worden, versucht er die Vorwürfe zu entkräften. "In der Sekunde, in der Montag die Gerichte öffnen, werden wir klagen", droht Musk entsprechend.

An einem der schwersten Vorwürfe rüttelt das indes nicht. Auch Musk selbst hatte nämlich diese Woche kräftig in antisemitischen Gewässern gefischt. "Das ist die absolute Wahrheit", antwortete Musk am Mittwoch auf einen X-Post von "Breakingbaht". Der hatte behauptet, dass jüdische Gemeinschaften Rassismus gegen Weiße anstacheln würden. Und dann betonte er: "Ich habe keinerlei Mitleid, dass die Juden entdecken, dass die illegalen Migranten, deren Eindringen sie so fördern, sie auch nicht besonders mögen." Der Post erinnert stark an die in rechten Kreisen beliebte "Grand Replacement"-Theorie, nach der Migranten von "dunklen Mächten" – einem Euphemismus für Juden – in die westlichen Länder geholt würden, um die Weißen aussterben zu lassen. Selbst dem Original-Poster scheint das aber zuviel zu sein: Er hat seinen Post mittlerweile gelöscht. Musks Antwort ist weiter online.

Auch in Musks Klagedrohung findet sich ein solcher Hinweis. Er werde "ihre Netzwerke von dunklen Geldern" aufdecken, raunte er in einem Folgepost. Schon länger vertritt Musk die in rechten Kreisen vertretene These, die Linke sei durch "dunkle Finanziers" gesteuert. Der Hauptverdächtige, Milliardär George Soros, wird aus der rechten Szene als jüdischer Strippenzieher gezeichnet – und auch Musk wiederholte diesen Vorwurf in der Vergangenheit bereits mehrfach.

Das alles bedeutet indes nicht, dass Musk bewusst Antisemit ist. Immer wieder betonte er in den letzten Tagen das Recht Israels zur Selbstverteidigung, nannte den Hamas-Kampfruf eines "vom Fluss bis zum Meer" freien Palästinas einen "Aufruf zum Genozid". Dass er die antisemitischen Verschwörungserzählungen teilt und ihnen so eine noch größere Bühne bietet, dürfte sensibleren Werbekunden indes genauso wenig gefallen, wie sein gerade erst geäußertes Bedauern, dass man als Weißer einfach nicht stolz auf seine Rasse sein dürfe.

Ärger bei den Werbekunden

Überraschend ist das nicht. Der bei X gepostete Antisemitismus etwa sei "absolut abstoßend. Ganz klar. Da gibt es keinen Raum für", hatte Apple-Chef Tim Cook erst im September in einem Interview betont. Der Konzern zählte zu den ausgabefreudigsten Werbekunden von X, buchte immer wieder Kampagnen für neue Produkte oder Events. "Ich schätze es als eine Art Marktplatz für Debatten", hatte Cook im Gespräch mit "CBS" die Vorteile des Kurznachrichtendienstes betont. Die Frage, ob man das Werbeengagement angesicht des Antisemitismus abwäge, beantwortet der oft eher diplomatische Cook dann aber trotzdem sehr klar: "Das ist etwas, das wir uns ständig fragen", gibt er offen zu. Nun scheint das Maß überschritten.

Da nützt auch nichts, dass die von Musk eingesetzte CEO Linda Yaccarino sich immer wieder als Kämpferin gegen das Problem gibt. X habe "extrem klar seine Bemühungen aufgezeigt, Antisemitismus und Diskriminierung zu bekämpfen", bekräftigte sie erst am Donnerstag in einem Post. Seit ihrem Amtsantrittt befindet sich Yaccarino in einem Kampf gegen Windmühlen. Während Musk das Unternehmen zu einer zensurfreien Bastion der Meinungsfreiheit hochpeitscht und dabei bewusst auch sehr weit rechts stehenden Akteuren eine Stimme gibt, muss sie sich mit der daraus resultierenden Wahrnehmung eines Rechtsrucks auf der Plattform herumschlagen. Erst im Sommer hatte sie erleichtert angekündigt, dass zahlreiche Werbekunden damit begonnen hätten, wieder bei X zu buchen. Die Freude hielt nicht lange an.

Musk setzt indes weiter auf Angriff. In einem seiner jüngsten Posts warb er mal wieder für das X-Aboangebot Premium+. "Premium+ hat keine Werbung in eurer Timeline"; trommelte er für das Abo. Und nutzte die Gelegenheit, um gegen seine Werbekunden zu schießen. "Viele der wichtigsten Werbenden gehören zu den größten Unterdrückern der Meinungsfreiheit," stichelte er. Einsicht sieht anders aus.

Quellen: X, Media Matters, CBS, Axios

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