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Florian Seiche Der Nokia-Chef über alte Fehler, das Smartphone-Comeback - und Steve Jobs

HMD Global Nokia Florian Seiche
Die neuen Nokia-Smartphones werden von HMD Global entwickelt und vertrieben. Auf der Messe MWC stellte CEO Florian Seiche Ende Februar die aktuellen Geräte vor
© Andrej Sokolow/ / Picture Alliance
Mit dem Smartphone-Boom verlor Nokia seinen Handy-Thron und verschwand irgendwann ganz von der Bühne. Jetzt versucht HMD Global mit neuen Nokia-Smartphones das Comeback. Wir haben mit CEO Florian Seiche über die alten Zeiten geredet - und was man daraus gelernt hat.

"Das iPhone ist ein ernstzunehmendes Konkurrenzprodukt. Aber ich bin mir sicher, dass wir der Marktführer bleiben", das sagte Nokia-Sprecher Kari Tuuti bei der Vorstellung des iPhones. Dann ging es bergab. Was hat der Konzern Ihrer Ansicht nach falsch gemacht?

Über die Vergangenheit ist ja reichlich berichtet worden, ich war damals noch gar nicht bei Nokia. Nokia hatte damals über 40 Prozent Marktanteil weltweit, war auf dem Höhepunkt einer Erfolgsgeschichte. Wenn man so lange so erfolgreich einen Markt dominiert, ergeben sich mit dem technologischen Wandel natürlich auch Gelegenheiten, zum Beispiel durch offene Betriebssysteme, einen komplett neuen Ansatz zu finden. Das Handy entwickelte sich weg vom Gerät, mit dem man jemandem kontaktierte hin zu einem, mit dem ich mein ganzes Leben organisieren kann. Privat wie geschäftlich. Das ist so eine grundlegende Veränderung, dass andere die Gelegenheit ergreifen konnten.

Und Nokia hat das verschlafen.

Nokia hat das mit Sicherheit nicht so scharf gesehen. Man muss aber auch fair sein: Wenn man so stark ein Geschäftsfeld dominiert, besteht immer die Gefahr, dass man nicht schnell genug auf neue Trends umschwenken kann.

Mit dem iPhone warf Apple viele bekannte Normen des Handys  - und auch des Computers  - über den Haufen und öffnete den Markt für Smartphones, wie wir sie heute kennen. War dieser drastische Schritt nur für einen Außenseiter möglich?

Da kommen verschiedene Dinge zusammen. Zum einen fällt es großen Unternehmen schwerer, echte Innovation in ihr gigantisches Produktions- und Zulieferersystem einzubauen. Der Hauptpunkt ist aber sicher, dass mit der Öffnung des Betriebssystems für Anpassungen und Apps von Dritten plötzlich ganz andere Möglichkeiten da waren. Das ist aber nicht nur wegen Apple so, sondern auch wegen Android, das von den Nutzerzahlen her ja viel erfolgreicher ist.

Ohne Steve Jobs' Einführung des App Stores vor zehn Jahren gäbe es das Smartphone also nicht.

Definitiv. Das war ein riesiger Antriebsfaktor, der die erweiterten Nutzungsmöglichkeiten von offenen Systemen und Drittanbieter-Programmen sofort für den Konsumenten zugänglich gemacht hat.

Bei Grundig, Metz und anderen Traditionsmarken steckt mittlerweile Billigtechnik hinter glänzenden Namen. Auch Nokia-Smartphones werden von HMD Global lizensiert entworfen und dann in China gefertigt. Wo ist der Unterschied?

Wir sind als HMD Global zwar ein neues Unternehmen, dahinter steckt aber die ehemalige Nokia-Truppe. Wir haben eine weltweite Präsenz, konnten ab Tag eins auf die Entwicklungs- und Designteams und auch die jeweiligen Marketing- und Vertriebsteams in den Ländern zurückgreifen. So konnten wir auch nach der Neuaufstellung sofort loslegen.

Der zweite Baustein ist unser strategisches Partnerschaftsmodell. Unser Partner FIH, die Mobilfunktochter des Fertigers Foxconn, hat Millionen investiert, um die alte Nokia-Fertigung und auch die Entwicklungsmannschaft zu übernehmen. Zudem arbeiten wir wie schon bei den älteren Nokia-Smartphones wieder mit wichtigen Partnern wie Zeiss und nun auch eng mit Google zusammen. Das Ziel unseres Partnerschaftsmodells ist es, mit den jeweils Besten in ihrem Bereich zusammen zu arbeiten. So gesehen sind wir formal eine neue Firma, darin steckt aber weiter Nokia.

Sie sagten in einem Interview, dass Sie es in den nächsten fünf Jahren unter die Top 3 schaffen wollen. Welche Unternehmen sehen Sie dann ebenfalls an der Spitze - und wie wollen Sie an Ihnen vorbeiziehen?

Naja, die Großen sind relativ einfach abzulesen. Ich will da ehrlich gesagt lieber nicht auf einzelne Konkurrenten eingehen. Wir wollen da so schnell wie möglich nach vorne aufschließen. In einem knappen Jahr haben wir es geschafft, in einzelnen Ländern bereits in die Top 5 zu kommen, etwa wenn man Gesamteuropa betrachtet. Das Ziel ist also weiter ehrgeizig, aber bisher sind wir sehr zufrieden. Vor allem wollen wir aktuell neue Kunden gewinnen, dabei aber den treuen Fans das ihnen bekannte Nokia-Erlebnis bieten.

Nokia-Handys, das sind in unserer Erinnerung unzerstörbare Geräte mit praktisch endloser Akkulaufzeit. Wie passt das zu den aktuellen Modellen, die wie die Konkurrenten vor allem mit einem schlanken und schicken Design Punkten wollen? Hätte man hier nicht auf die alten Stärken setzen müssen?

Mehr als zwei Drittel unserer Kunden sind 35 und jünger, da ist die Nostalgie natürlich nicht mehr so groß. Trotzdem sind uns die Nokia-Kerneigenschaften wie hochwertige Hardware und lange Batterielaufzeiten unheimlich wichtig. Zudem hat sich der Markt geändert. Wir setzen im Moment voll auf eine Kombination aus hochwertigem Design und schnell aktualisierter Software. Das ist bei Android-Smartphones immer noch etwas Besonderes: Wir starten nicht nur mit dem aktuellen System, sondern legen auch noch schnell Updates nach und halten damit das Gerät über den gesamten Lebenszyklus frisch. So wollen wir Nokia langfristig als das Telefon positionieren, auf das man sich verlassen kann.

Eine andere Art von Zuverlässigkeit.

Die Hardware ist heute so ausgereift und qualitativ hochwertig, dass es für die Kunden ein echter Mehrwert ist, wenn sie es dann wegen der Updates länger nutzen können. Dadurch können wir uns immer noch abgrenzen.

In der Handy-Ära hatten alle Hersteller - und auch Nokia - immer Unmengen an Geräten im Programm. Auf dem Smartphone-Markt geht der Trend eher dazu, einige ausgewählte Modelle anzubieten. Unter der Nokia-Marke wurde alleine dieses Jahr schon 6 neue vorgestellt. Ist diese Strategie im übersättigten Smartphonemarkt noch zeitgemäß oder müsste man sich eigentlich noch mehr fokussieren?

Im Moment ist immer noch der Fokus, das Portfolio zu komplettieren, wir wollen zu jedem relevanten Preispunkt ein Gerät haben. Das heißt aber natürlich nicht, dass man alle Modelle auch überall im gleichen Volumen verkaufen wird. Unser aktueller Erfolg hängt auch damit zusammen, dass wir für Märkte wie Indien, Westeuropa und China jeweils Geräte anbieten, die zum Kaufverhalten dort passen.

Unter dem Namen Morph hatte Nokia schon 2008 ein Konzept eines Smartphones gezeigt, dass sich zu Tablet oder Smartwatch umbauen ließ. Die neuen Modelle sind eher konservativ. Gibt es bei HMD Global auch solche futuristischen Pläne?

Natürlich spielt auch Innovation eine Rolle. Aktuell sehen wir da vor allem bei den Kameras und bei Sprachsteuerung viel Potenzial. Wir arbeiten da auch eng mit Google zusammen. Da gibt es noch sehr viel Spielraum, den Kunden die Vorzüge dieser Entwicklung erst bewusst zu machen.

Als Microsoft die Nokia-Marke kaufte, wechselten Sie auch mit hinüber. Nach dem Ende von Windows Phone entschied Nokia sich für Googles System Android. Nun will Microsoft ebenfalls mehr in dem System Fuß fassen. Kommt da für Sie wieder eine Zusammenarbeit in Frage?

Absolut. Microsofts Business-Lösungen sind immer noch hervorragend. Und auch wir merken, dass besonders durch die hochwertige Hardware wie auch die monatlichen Sicherheitsupdates aus dem Business-Bereich ein ganz großes Interesse an unseren Produkten kommt, unsere Geräte als Arbeits-Werkzeuge sehr attraktiv sind.

In den 90ern stand Apple vor dem Absturz. Steve Jobs Vision brachte den Konzern mit Macht zurück, Tim Cooks Geschäftssinn machte ihn zum wertvollsten Unternehmen der Welt. Nun wollen Sie mit Nokia ebenfalls in Comeback hinlegen. Braucht Nokia Sie eher als Jobs oder als Cook?

Ich glaube die Zeiten - und die Herausforderungen - sind komplett anders. Wir glauben, dass unser Partnerschaftsmodell unsere größte Stärke ist. Wenn wir als HMD Global gute Geräte bauen, tragen wir auch unseren Teil zum Wert der Marke Nokia bei. Und Nokia, die ja immer noch als Netzentwickler etwa bei der kommenden 5G-Technologie Marktführer sind, trägt ebenfalls mit Know-How und Innovationen seinen Teil dazu bei.

Ich würde das mal eher als Cook werten, denn als Jobs.

(lacht)

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