Sonja Bitter ließ ihrer Wut freien Lauf. Sie fand das Essen schlecht und die Bedienung mies. "Nicht 4,5 Sternen entsprechend.", diesen Satz schrieb sie in ein Forum für Hotelbewertungen. Der kurze Eintrag sorgte jedoch für böses Erwachen: Per einstweiliger Verfügung wollte der Direktor des mallorquinischen Hotels die zweifache Mutter zwingen, ihre negative Hotelbewertung zurückzuziehen. Wegen seiner Anzeige musste sie vor das Landgericht Dortmund. Dort erklärte sie, die Pfannkuchen im Hotel seien verbrannt gewesen, einige Bars geschlossen und das Frühstücksbuffet ohne Eierbecher ausgestattet. Eigentlich Lappalien, über die sie sich beschwerte. Trotzdem war sie mit der Reise unzufrieden.
So denken es sich viele Forenschreiber im Netz: Die Reise war schlecht und das Geld ist weg - das sollen nachkommende Reisende nicht erleben. Trotzdem ist es mit einem einfachen Eintrag nicht getan. Die Geschichte von Sonja Bitter zeigt das Risiko, das Verbraucher mit kritischen Einträgen in Bewertungsforen eingehen. Denn mit negativen Kritiken handelt es sich nicht mehr um Meinungen, sondern schon um Tatsachenbehauptungen. "Das passiert immer wieder: Die Leute kommen aus dem Urlaub und beschweren sich. Trotzdem haben sie keine Beweise wie Fotos, Videoaufnahmen oder Zeugenaussagen vor Ort gesammelt, " so ein Sprecher der Kanzlei Paulick & Partner, die unter anderem Fälle im Reiserecht bearbeitet. Falls es im Urlaub zu Beanstandungen kommen sollte, ist es wichtig, sich noch vor Ort um die Beweissammlung zu kümmern. Die Kanzlei empfiehlt in Fällen wie diesen die Schäden und Mängel mit Fotos und gegebenenfalls Videos festzuhalten. Auch Zeugen vor Ort zu suchen, kann den Fall sehr erleichtern. (Die wichtigsten Hinweise zum korrekten Äußern von Kritik finden Sie zusammengefasst im Kasten links.)
"Außerdem ist es notwendig, sich die entdeckten Schäden und Mängel sich vor Ort von der Reiseleitung bestätigen zu lassen. Zu Hause muss der Reiseveranstalter über die Vorgänge informiert werden, " rät der Sprecher. Mit dieser Beweislage hätten Ansprüche an das Hotel eine bessere Erfolgsaussicht. Wer jedoch ohne Beweise seine Beschwerden in Foren hinterlässt - selbst wenn es sich um Tatsachen handelt - kann von dem betreffenden Hotel oder Reiseveranstalter auf Schadensersatz verklagt werden.
Mehr als ein Kommentar
Doch so einfach und schnell der Foreneintrag getippt ist, so schnell können auch Unternehmen negative Bewertungen wieder löschen lassen. Forenbewertungen sind mittlerweile mehr als ein einfacher Kommentar. Auf Verbraucherportalen wie ciao.com oder holidaycheck.de haben Einträge, bis zu mehreren hundert pro Tag, eine Öffentlichkeit erlangt. Dieser Wirkung sind sich auch zunehmend die Unternehmen bewusst - und wollen vermehrt in das Geschehen eingreifen. Harmlose Bewertungen werden als geschäftsschädigend verurteilt und unbegründete Beleidigungen als Werturteil. Die Rechtslage ist häufig nicht eindeutig, wie folgende Beispiele zeigen.
So hat das Oberlandesgericht in Koblenz in einem Streit unter Forennutzern geurteilt, dass freie Meinungsäußerung auch erlaubt ist, wenn sie polemisch oder überspitzt formuliert ist. Im betreffenden Fall hatte ein Forennutzer das Unternehmen und dessen Mitarbeiter mehrfach als Betrüger bezeichnet. Auch Einträge wie "Achtung, Betrüger unterwegs!", die online gestellt wurden, seien keine Tatsachenbehauptungen, sondern Werturteile und subjektive Meinungsäußerungen.
Bei Ebay hatte es in der Vergangenheit bereits einen weiteren Fall gegeben. Eine Frau hat über den Online-Flohmarkt ein Fitness-Laufband verkauft und erhielt es von der Klägerin nach Bezahlung zurück. Nach Angaben der Klägerin hatte das Gerät verschiedene Defekte. Als Bewertung hinterließ die Verkäuferin bei ihr folgenden Eintrag: "Bietet, nimmt nicht ab, schade, obwohl selber großer Verkäufer." In diesem Fall hat das Gericht so entschieden, dass die Verkäuferin die Bewertung wieder löschen musste. Die negative Beurteilung sei in diesem Falle nicht gerechtfertigt gewesen und habe somit auch den Verkaufserfolg bei Ebay beeinträchtigen können.
Bewertungsforen wie mein-prof.de haben ebenfalls für Gerichtsurteile bei Professoren-Bewertungen gesorgt. Hier hatte ein Professor gegen einen Eintrag geklagt, der ihn als "Psychopath" und "echt das Letzte" betitelte. Diese Äußerungen sah das Gericht noch als freie Meinungsäußerung an und stufte es nicht als unzulässige Schmähkritik ein.
Die Forenbetreiber selbst gehen mit der Problematik noch sehr unterschiedlich um. Die meisten prüfen die Löschung von Bewertungen einzeln bei Hinweisen auf faktische Fehler oder Verleumdung. "Täglich gehen bei uns Beschwerden von Hoteliers ein, die Hotelbewertungen gelöscht sehen möchten", sagt Christine Stegmayer, Pressereferentin der HolidayCheck AG, im Gespräch mit stern.de. So beschäftigt das Hotelbewertungsportal ein Team von 30 Leuten, die die täglich eingehenden rund 1200 Einträge bearbeiten.
"Content Teams" kontrollieren
Jede Bewertung wird zunächst automatisch unter anderem auf beleidigende Wörter oder auch werbende Katalogsprache hin geprüft. Anschließend liest ein Mitarbeiter des so genannten "Content Teams" den Beitrag noch einmal durch. Bei Unklarheiten wird der Bewertungsschreiber nach einer Buchungsbestätigung oder ähnlichem gefragt. Bei eventuellen Streitfällen mischt sich auch das Unternehmen ein, wie im Falle von Sonja Bitter. "Wir wollen authentische Bewertungen ermöglichen und deswegen setzen wir uns mit Problemen aktiv auseinander," so Stegmayer.
Ganz anders sieht es beim Bewertungsportal ciao.com des Unternehmens Ciao GmbH aus, das ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich im Zweifelsfall um eine Ermessensentscheidung handelt. Möchte ein Unternehmer eine Bewertung löschen lassen, muss er zunächst eine detaillierte Begründung vorlegen. In dieser sollen faktische Unstimmigkeiten erklärt werden, erst dann löschen die Forenbetreiber den Eintrag. Bei möglichen Streitfällen zwischen Forenschreiber und Unternehmen will sich das Unternehmen nicht einmischen: "Wir haben keine Möglichkeiten, in einem solchen Fall zu entscheiden, wer im Recht ist. Bei der Löschung eines Eintrags informieren wir den Autor. Die Parteien müssen sich anschließend privat einigen", berichtet Basem Bouzo, Community Manager bei Ciao, gegenüber stern.de.
Grundsätzlich habe jeder einen Anspruch auf eine eigene Meinung zum Produkt, so der Forenbetreiber aus München. Schreiberlinge werden vorsorglich schon beim Verfassen des Erfahrungsberichtes mit Tipps versorgt. Es dürften keine Aussagen Dritter verwendet werden, sondern nur die eigene Erfahrung soll einfließen. Neben dem Eingabefenster für Erfahrungsberichte wird auch noch einmal ausdrücklich auf eine klare Strukturierung und sachliche Argumentation verwiesen.
Täglich einen kritischen Fall
Die genaue Einweisung hat ihren Grund: "Wir haben täglich zwischen 300 bis 400 Einträge", so Bouzo. Pro Tag ist das Test-Portal mindestens einmal dazu gezwungen auf Hinweis eines Unternehmens einen kritischen Foreneintrag zu löschen. Diese Probleme liegen seiner Meinung nach nahe. "Die Menschen schreiben aus einer Wut heraus und sind demnach sehr viel kritischer." Eine Vorab-Zensur gebe es bei ciao.com nicht, die Foreneinträge würden, sofort auf der Seite veröffentlicht.
Auch Expedia.de, der deutsche Ableger des US-Reiseunternehmens Expedia Inc., integriert Bewertungen in den Hotel-Bereich seines Angebots. Hier können Reisende Bewertungen nach ihrem Hotel-Aufenthalt eingeben - unter Angabe ihrer Expedia.de-Reiseplannummer, die nicht älter als sechs Monate sein darf. So sei sichergestellt, sagt Expedia.de-Sprecherin Claudia Ressel, dass die Hotelbewertungen authentisch und aktuell sind - von Reisenden, die wirklich da waren. Die Einträge würden vor der Veröffentlichung automatisiert mit einer Liste von Wörtern und Inhalten abgeglichen, die in Beiträgen auf Expedia.de nicht vorkommen dürfen: rassistische, diffamierende oder illegale Äußerungen. Dieser Prozess könne einige Tage in Anspruch nehmen, so Ressel. Im Falle von negativen Kritiken leite Expedia.de die Kritik gleichzeitig mit der Veröffentlichung weiter, sagt die Pressesprecherin. Der Hotelier habe jederzeit das Recht, ebenfalls einen Forumsbeitrag als Antwort auf die Kritik zu schreiben.
Im Fall von Sonja Bitter hat der Streit besonders skurrile Ausmaße angenommen: Vor Gericht wurde der Urlauberin ein Kompromiss angeboten. Sie sollte ihre Bewertung im Netz zurückziehen - und im Gegenzug eine Gratiswoche noch einmal im selben Hotel erhalten. Die Frau lehnte ab, der Hoteldirektor entschloss sich für eine Kehrtwende und zog die Klage zurück.
Berichten Sie über eigene Erfahrungen
Schreiben Sie nur über etwas, das Sie selbst getestet oder genutzt haben. Das heißt im Einzelfall: Sie können nicht einen negativen Eintrag über alle Produkte eines Herstellers schreiben, sondern nur über diejenigen, die Sie selbst getestet haben. Bei Bewertungen für Hotels müssen Sie beispielsweise Buchungsbestätigungen oder ähnliches vorweisen können.
Genau beschreiben
Beschreiben Sie möglichst genau die Kritikpunkte. Überprüfen Sie Zahlen, Daten und Fakten, auf die Sie sich später vielleicht berufen müssen. Vermeiden Sie auch diffamierende Ausdrücke wie Betrüger, Diebe, Abzocke, Lügner etc.
Kritikpunkte detailliert erklären
Achten Sie auf eine detaillierte Kritik. Schreiben Sie nicht nur "Das Gerät ist defekt", sondern den genauen Grund oder Beobachtungen am Produkt. Halten Sie möglichst viele Details und Beobachtungen fest.
Sachlich argumentieren
Schreiben Sie in einer sachlichen Form und argumentieren Sie mit ihren Kritikpunkten. Auch wenn es Wut ist, die Sie dazu antreibt, sind Sie auf diese Weise dennoch vor überschnellen (Ver-) Urteilungen gewahrt.
Was tun im Streitfall
Setzen Sie sich mit dem Forenbetreiber in Verbindung - und gegebenenfalls auch mit einem Anwalt - falls ein Unternehmen Sie trotz der Beweislast auffordert einen kritischen Eintrag zu löschen.