Seit Monaten spricht Twitter-Eigner Elon Musk davon, dass es auch bei Twitter möglich sein soll, Einnahmen durch Inhalte zu generieren. Das ist bei anderen sozialen Netzwerken seit Jahren gang und gäbe und schließlich ein Grundpfeiler der Influencer-Wirtschaft. Bei den meisten Anbietern richtet sich die Zahlung von Geldern, meist prozentuale Beteiligungen an den Werbeeinblendungen, die im Zusammenhang mit deren Inhalten ausgespielt werden konnten, nach einer simplen Formel: Wer Reichweite hat, bekommt einen bestimmten Prozentsatz. Bei Twitter kommt derzeit noch ein Faktor dazu: Elon Musk.
Grundsätzlich gilt bei Twitter: In einem Zeitraum von drei Monaten müssen eigene Inhalte mindestens fünf Millionen Mal gesehen worden sein. Wer obendrein das Bezahl-Abo "Twitter Blue" gebucht hat, sollte theoretisch mit Einnahmen rechnen dürfen. In der Realität sieht das anders aus. Bisher, so berichtet es unter anderem "Mashable", haben nur eine Handvoll Nutzer:innen bestätigt, dass sie Geld erhalten.
Selbst Nutzer mit mehr als 300.000 Followern mussten bisher draußen bleiben – während andere mit deutlich weniger Reichweite bereits Kasse machen. Eine entsprechende Anfrage von "@lporiginalg" beantwortete Twitter wie folgt: "Derzeit steht die Umsatzbeteiligung nur einer ausgewählten Gruppe von Personen zur Verfügung."
Twitter bezahlt bevorzugt rechtsextreme Profile
Die "Washington Post" hat sich indes angesehen, wer diese "Gruppe von Personen" ist – und kam zu dem Ergebnis, dass es vor allem anscheinend rechtsextreme Personen sind, die für die Zahlungen auserwählt worden sind. So geben beispielsweise Accounts wie "Endwokeness" an, mehr als 10.000 US-Dollar erhalten zu haben – mit Inhalten wie Interviews des rechtspopulistischen Moderators Tucker Carlson oder rassistischen Bildern.
Auch der Skandal-Influencer Andrew Tate gab an, mehr als 20.000 US-Dollar mit Twitter verdient zu haben. Zeitgleich läuft gegen Tate eine Klage wegen sexueller Ausbeutung von Frauen in Bukarest, weshalb er in Rumänien unter Hausarrest steht. Auf Twitter gibt er sich weiterhin als Kämpfer gegen das System – er nennt es "Matrix".
Die Auswahl der Personen, die Twitter für deren Inhalte am Werbeumsatz beteiligt, wirkt deshalb merkwürdig, da es offiziell heißt, dass Bewerber für das Programm durch Angestellte bei Twitter manuell auf deren Tauglichkeit geprüft werden – was wiederum ein schlechtes Licht auf die offenbar vorherrschenden Kriterien wirft.
Zumal einige, die nach eigenen Angaben von dem neuen Bezahlsystem profitieren, offen gegen die von Twitter aufgestellten Regeln verstoßen. Demnach soll ausgerechnet der Account "Internet Hall of Fame" mit 107.000 US-Dollar die bisher höchste Auszahlung erhalten haben. Das Problem: Der Account besteht ausschließlich aus Fremdinhalten, die stellenweise alles andere als jugendfrei, teils sogar hochproblematisch sind.
Das verstößt nach Angaben von Elon Musk, dem die Auswahl der aktuellen Profiteure unterstellt wird, gegen die Regeln. Er schrieb: "Jeder, der wiederholt Beiträge stiehlt, sollte aus dem Programm entfernt werden." Der bestverdienende Nutzer tut nur das – frei von Konsequenzen.
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Für viele Influencer ist Twitter trotz der Zahlungen "zu unsicher"
Influencer-Größen, die auf anderen Plattformen ihr Geld verdienen, sehen Twitter weiterhin als schwieriges Umfeld. Der "Washington Post" sagten sie, dass Twitter "zu unsicher" und "zu instabil" sei und man sich deshalb nicht auf regelmäßige Einnahmen verlassen könne. Andere gaben an, dass die Werte, die Twitter und Musk in ihren Augen vermittelt, nicht den eigenen Ansichten entspreche und man sich daher nicht in diesem Umfeld profilieren wolle.
Die Auswahl seiner Lieblings-Influencer könnte für Musk noch weitere Folgen haben – denn sie zeigt offen, welche Inhalte der Eigentümer der Seite bevorzugt. Zuletzt musste Musk aber auch aus diesem Grund einen Rückschlag hinnehmen: Denn aufgrund der vermehrt rechtskonservativen Inhalte, die auf Twitter ein zunehmend radikales Publikum finden, verliert die Seite immer mehr Attraktivität für Werbepartner. Vor dem Hintergrund, dass Musk selbst einen derzeit fünfzigprozentigen Rückgang der Erlöse einräumte, bleibt es spannend, wie sich die Plattform entwickelt.
Sollten vor allem rechtsextreme oder rechtspopulistische Inhalte auf goldenen Boden stoßen, dürfte es die neu eingesetzte CEO Linda Yaccarino schwer haben, große Marken und abgesprungene Werbepartner für Kampagnen auf Twitter zu begeistern – auch, wenn genau das ihr Hauptanliegen ist.