"Pizzagate" Elon Musk facht längst widerlegte Verschwörungstheorie wieder an – immer mehr Nutzer und Kunden verlassen X

Elon Musk
Elon Musk scheint sich seiner Verantwortung gegenüber seinen 164 Millionen Followern nicht immer bewusst zu sein
© Kirsty Wigglesworth / DPA
Unter "Pizzagate" versteht man seit 2016 ein Gerücht um einen Kinderpornoring in einer Pizzeria. Dieses wurde inzwischen mehrfach widerlegt. Das hält den reichsten Mann der Welt nicht davon ab, die Verschwörungstheorie weiterhin zu verbreiten.

Bei der US-Präsidentschaftswahl 2016 wurde unter dem Begriff "Pizzagate" eine Verleumdungsaktion gegen die Kandidatin Hillary Clinton gestartet. Bis heute wird behauptet, dass in einer Pizzeria in Washington, D.C. ein Kinderpornoring versteckt sei. Die Theorie ist auf E-Mails zurückzuführen, die der Inhaber der Pizzeria und der Wahlkampfmanager Clintons, John Podesta, ausgetauscht haben und in denen man versteckte Botschaften zu finden glaubte. Immer wieder wurde "Pizzagate" von renommierten Experten, Behörden und Medien geprüft und für Unsinn befunden – doch naturgemäß lassen sich viele Menschen nicht vom Glauben an diese Verschwörungstheorie abbringen.

Das hatte bereits echte Folgen: Im Dezember 2016 stürmte ein bewaffneter Mann in besagte Pizzeria und wollte die angeblich dort versteckten Kinder befreien. Er schoss auf ein Türschloss und einen Computer, ergab sich aber, nachdem er festgestellt hatte, dass der Keller, in dem die Kinder laut "Pizzagate"-Anhängern festgehalten werden, nicht existiert. In Folge musste der Mann vier Jahre ins Gefängnis und wurde zusätzlich zu einer Geldstrafe verurteilt.

Ein solcher "Überfall" hätte auch schlimmere Folgen haben können, weshalb es doch verwundert, dass viele Menschen noch immer an "Pizzagate" glauben – offenbar auch Elon Musk

Elon Musk nahm gleich mehrfach Bezug auf "Pizzagate"

Denn wie die "Washington Post" berichtet, erwähnte Musk die Verschwörungstheorie kürzlich in unterstützender Weise. Wie Screenshots des inzwischen gelöschten Beitrags auf X, vormals Twitter, zeigen, bezog er sich mit einem sogenannten Meme auf "Pizzagate". Er zeigte eine Bildmontage aus der US-Erfolgsserie "The Office", in dem sich zwei Personen unterhalten. 

In dem dort hinzu gedichteten Gespräch heißt es zu Beginn, "'Pizzagate' ist real", worauf die andere Person entgegnet, "Nein ist es nicht, wir haben Experten". Im dritten Teil der Bildfolge heißt es dann: "Sie haben Kinder verschleppt". Wieder entgegnet die andere Person: "Aber wir haben Experten". Im vorletzten Bild steht: "Dein Experte ist gerade wegen Besitz von Kinderpornografie ins Gefängnis gewandert" – das letzte Bild zeigt einen ungläubiger Blick der Person, die "Pizzagate" zuvor dementierte. Musk veröffentlichte das Bild mit dem Satz: "Das wirkt zumindest ein bisschen verdächtig".

Musk bezieht sich mit diesem Meme auf James Gordon Meek. Meek ist ein ehemaliger Reporter von ABC, der von der "New York Post" fälschlicherweise als Journalist, der "Pizzagate" entlarvt hat, bezeichnet wurde. Dieses Jahr wurde Meek zunächst wegen Transport und Besitz von Kinderpornographie festgenommen, später gab er die Taten zu. Er wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Die Tatsache, dass Meek weder "Pizzagate" entlarvt hat, noch bei den Recherchen rund um die Verschwörungstheorie eine nennenswerte Rolle bekleidete, blendet Musk ebenso aus, wie die zahlreichen Belege, dass der angebliche Kinderpornoring nachweislich nicht existiert.

Wie "NBC" berichtet, war es nicht das einzige Mal, dass Musk "Pizzagate" eine Bühne gab. Dem Bericht zufolge erwähnte der reichste Mann der Welt die Verschwörungstheorie gleich fünf Mal in nur zwei Wochen. 

Musks Verhalten "unheimlich gefährlich"

In der "Washington Post" bezeichnete Logan Strain, ein Spezialist für Verschwörungstheorien, Elon Musks ungefilterte Verbreitung solcher Inhalte als "unheimlich gefährlich". Er fügte hinzu: "Es ist sehr beunruhigend, dass er eine Verschwörungstheorie bestätigt, die Menschen dazu gebracht hat, ihr Leben zu zerstören und Verbrechen zu begehen".

Eine direkte Folge seiner Aussagen bekommt sein Unternehmen X bereits zu spüren. Denn wie "The Washingtonian" berichtet, stellte die "Washington Post" Werbung auf seiner Plattform ein. Damit schließt sich die reichweitenstarke Zeitung einer ganzen Reihe von ehemaligen Werbekunden an, die nicht länger mit Anzeigen auf X auftauchen wollen – weil man dort eben vermehrt Gefahr läuft, neben Inhalten wie Musks Beiträgen zu stehen.

Nachdem Apple die Zusammenarbeit mit X auf Eis gelegt hatte, rollte eine ganze Lawine an Vertragsauflösungen von Werbepartnern an. Die Kündigungen reichen von IBM, Sony und Lionsgate bis hin zu Airbnb, Amazon und Coca-Cola. Weitere Unternehmen, so die "New York Times", erwägen derzeit, sich anzuschließen. Den Nutzern der Plattform ist die deutlich gesunkene Qualität der Anzeigen bereits aufgefallen – immer wieder werden die verbliebenen oder neuen Werbekunden diskutiert, die auf X beispielsweise gefälschte Uhren anbieten.

Auch auf Seiten der Nutzer wird es immer dünner um Musk: Abseits seiner blaubehakten Anhängerschaft kündigten zuletzt etwa die Leipziger Verkehrsbetriebe, die Bürgermeister von Paris und das gemeinwohlorientierte Medienhaus Correctiv ihre Konten. Als Grund nennen die Ehemaligen immer wieder den umstrittenen Inhaber der Plattform und seine kontroversen Inhalte, die er flächendeckend in die Timelines der Nutzer spült.

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