Der persönliche CO2-Fußabdruck ist für viele Menschen der erste Ansatz, etwas im Kampf gegen den Klimawandel zu unternehmen. Die App Emzye des Entwicklers Mother Earth will ihnen das leichter machen. Passend zum Tag der Erde am 22. April hat Apple die App nun in seinem App Store groß hervorgehoben. Anlass genug, mit CEO Benjamin Gaertig über die Ziele der App zu sprechen. Und über die Frage, wie man mit dem Umdenken Geld verdienen kann.
CO2-Verbrauch zählen wie die Kalorien: Was genau ist das Ziel Ihrer App Emyze?
Gaertig: Ganz so wie das Kalorienzählen ist es nicht. Denn da geht es ja um gezielte Reduktion. Wir wollen den Menschen eher vor Augen führen, welche ihrer Alltagsgewohnheiten wie viel Kohlendioxid verursachen. Dass etwa das Laden des Smartphones kaum etwas verbraucht, ein Kilo Fleisch aber mit 5 kg Co2 mehr als das Eintausendfache davon.
Deshalb bieten wir den Nutzer:innen ein monatliches Budget von 200 kg. Das entspricht etwa dem, was nach dem Klimaschutzabkommen jeder höchstens verbrauchen sollte. Aktuell liegen wir im Schnitt beim Fünffachen. So wollen wir eher ein langsames Umdenken bewirken.
"Von Einsparungen zu reden, ist relativ schwer"
Dabei verzichten Sie aktuell noch auf einen Vergleich mit anderen Nutzern. Ist das eine bewusste Entscheidung? Der Sparsamste in der Nachbarschaft zu sein, könnte ja sehr motivierend sein.
Es gibt ja einige solche Apps, aber wir sahen das Einsparen schnell als etwas schwierig. Wenn man den E-Roller genommen hat statt des Autos, hat man natürlich etwas gespart. Aber wenn man Zuhause geblieben oder Fahrrad gefahren wäre, eben noch viel mehr. Dann von Einsparungen zu reden, ist relativ schwer.
Das Eingeben der eigenen Aktivitäten ist einfach gestaltet. Viele Eingaben lassen sich sogar automatisiert vornehmen.
Das war uns wichtig. Die Nutzer:innen sollen ja unkompliziert ihren Fußabdruck einschätzen können. Wird es zu anstrengend, macht man das dann eben doch nicht. Deshalb haben wir auch die anfangs vorhandenen Premium-Funktionen nach einiger Zeit entfernt. Das Upgrade stellte eine unnötige Hürde dar.

Nun haben Sie weder Werbung noch Einnahmen aus der App selbst. Wie verdienen Sie mit Emyze Geld?
Daran arbeiten wir gerade. Unser Plan ist es, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten. Die sind gesetzlich verpflichtet, ihren CO2-Ausstoß in den Griff zu bekommen. Unsere App und Beratung könnten ein Baustein werden, wie das einfacher gelingt. Zu viele Details kann ich während der Ausarbeitungsphase aber noch nicht verraten.
Ein Unternehmen, das bereits seit einigen Jahren viel Wert auf ein umweltfreundliches Image legt, ist Apple. Der Konzern arbeitet seit Jahren komplett klimaneutral, strebt einen kompletten Ausgleich seiner Produkte über ihren gesamte Lebenszeitraum an. Zum Earth Day hat der Konzern nun auch Ihre App groß im App Store gefeatured und zur App des Tages erklärt. Wie kam es dazu?
Apple kam schon kurze Zeit nach Veröffentlichung vor einem Jahr auf uns zu. Wir wurden zu einer Gesprächsrunde zu nachhaltigen Geschäftsmodellen eingeladen, bei der neben uns und anderen nachhaltigen Unternehmen auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Abgeordnete geladen war. Und zum Earth Day kamen sie nun auch auf uns zu, was uns sehr gefreut hat. Schließlich hatten wir den Earth Day letztes Jahr auch als Anlass zum Launch der App genommen.
Anderer Ansatz als die Aktivisten
Als Unternehmen schaut man sich die Klimakrise sicherlich anders an als reine Aktivisten. Wie stehen Sie gegenüber Fridays for Future und der Letzten Generation?
Wir kämpfen alle für die gleiche Sache. Allerdings mit unterschiedlichen Mitteln. Die Aktivisten versuchen dabei eher, Leute zu überzeugen, das sehen wir bei uns nicht. Wir unterstützen lieber die, die schon etwas ändern wollen, aber noch nicht wissen wie.
Konkrete Handlungs-Empfehlungen gibt die App aber nicht.
Wir hatten so etwas am Anfang mehr, da gab es eine ganze Reihe von Tipps. Aber das Feedback darauf fiel sehr durchwachsen aus. Ein Manager war etwa irritiert, weil wir zu veganen Sneakern geraten haben. Er trage nur handgefertigte Schuhe, die hielten dafür zehn Jahre, echauffierte er sich etwas. Uns wurde bald klar, dass man mit den Tipps manche Nutzer abholt, aber auch andere vergraulen kann. Ein Manager trifft eben Entscheidungen in Unternehmen. Und kann so einen viel größeren Einfluss haben. Also wollen wir die auch abholen.
Welche Zielgruppe stellen Sie sich denn genau für die App vor?
Also wir sprechen schon eher mittlere und gehobene Einkommens- und Bildungsschichten an. Ich möchte damit aber nicht sagen, dass es in den ärmeren oder bildungsferneren Schichten keine Motivation gibt, etwas zu ändern. Da deren Verbrauch ohnehin erheblich niedriger ist, sind allerdings auch die Möglichkeiten zum Einsparen geringer. Etwa, weil per se weniger geflogen wird.
Wir haben uns einige Personengruppen vorgestellt, wie genau die jetzt zutreffen, ist natürlich eine andere Frage. Da sind etwa die Eltern, die vor allem die Zukunft ihrer Kinder im Blick haben. Die Selbstoptimierer, die das CO2-Tracking betreiben wie ihren Sport. Klassische linke Ökos, die das Thema ja schon lange im Auge haben, könnten sich von einer App und der Datenschutz-Frage vielleicht eher abgestoßen fühlen.
Apropos Daten: Welche Daten sammelt die App denn? Und wozu braucht sie meinen Standort?
Wir werten Daten nur aggregiert, also über Kunden zusammengefasst aus. Wie viele Leute registrieren sich nach der Installation auch, wie viele tracken wirklich ihre Emissionen und so weiter. Die Daten werden aber für keine weiteren Zwecke genutzt, etwa für Werbung oder ähnliches. Den Standort nutzen wir nur, wenn man die automatische Reiseerfassung nutzen will, um nicht jeden Weg zur Arbeit einzeln angeben zu müssen. Dann misst sie die Entfernung. Die Standortdaten werden aber nur auf dem Gerät verarbeitet und nicht an uns weitergeleitet.
Werden die Daten ausgewertet, um einen Effekt der App zu messen? Etwa, ob die Nutzer tatsächlich anfangen mehr Bahn zu fahren?
Bisher nicht, nein. Aktuell ist die Vergleichbarkeit wie gesagt noch nicht so richtig gegeben. Wenn wir den Baustein haben, werden daraus sicher noch spannende Möglichkeiten entstehen.
Hier finden Sie Apples App des Tages.