Geht Putin der Sprit aus? Drohnenangriffe auf Raffinerien: Ukrainer zerstören systematisch Russlands Ölindustrie

Drohnenangriff auf eine Raffinerie im russischen Oblast Ryazan.
Drohnenangriff auf eine Raffinerie im russischen Oblast Ryazan.
© Reuters
Kiew greift erfolgreich die Öl- und Gasverarbeitung im westlichen Russland an. Raffinerien sind ideale Ziele, zwölf Anlagen wurden in nur zwei Wochen getroffen. Die Ukraine will so den Rohstoffexport Russlands treffen.  

An der Landfront kann die Ukraine seit Monaten keine Erfolge verbuchen, aber vor einigen Wochen hat Kiew eine Drohnenoffensive gestartet, die große Wirkung zeigt. Die Drohnen können weite Teile Russlands erreichen – selbst Moskau und St. Petersburg liegen in Reichweite. Frühere Einsätze zielten vor allem auf einen PR-Gewinn. Im Informationsraum wurde Putin herausgefordert, der Kampf wird auf russischen Boden getragen. Davon abgesehen waren die tatsächlichen Schäden eher gering.

Seitdem Kiew gezielt russische Ölraffinerien attackiert, hat sich das geändert. "Diese Angriffe sollen echten Schaden anrichten", so Sergey Radchenko, Professor an der Johns Hopkins School of Advanced International Studies. Denn sie haben strategische Auswirkungen. Läuft die Drohnenoffensive weiter, kann sie Russlands Ölverarbeitung empfindlich treffen. Es ist unwahrscheinlich, dass Putins Kriegsmaschine der Sprit ausgeht, aber es könnte in Russlands Wirtschaft zu Engpässen kommen. Und vor allem könnte der Export von raffinierten Ölprodukten leiden. Ein Export, dessen Einnahmen den russischen Krieg finanzieren. Russland exportiert nicht allein Gas und Rohöl, sondern auch die raffinierte Ölerzeugnisse. Und unterhält dafür eine ganze Flotte von sogenannten "Geisterschiffen".

Günstiges Ziel für Drohnen 

Eine Raffinerie ist so etwas wie ein ideales Ziel. Zuerst einmal ist sie statisch, wegen der langen Dauer des Anfluges sind mobile Ziele für die Drohnen unerreichbar. Dann verstärkt das Öl die Zerstörungswirkung der Drohne. Die eigentlichen Gefechtsköpfe sind nicht gefährlicher als eine kleinere Bombe, auf einer Autobahn würde sie einen Krater hinterlassen, den man in wenigen Stunden verfüllen könnte, doch in einer Raffinerie hingegen ist der folgende Brand weit zerstörerischer als die primäre Explosion.

Solange nur Tanks und Leitungen getroffen werden, sind die Schäden zu beheben. Doch in einer Raffinerie gibt es zentrale Anlagen, die nur schwer zu ersetzen sind. In einem speziellen Turm, der sogenannten Rektifikationskolonne, wird durch Erwärmung das Rohöl in unterschiedliche Produkte zerlegt. So eine Anlage ist weit schwerer wieder zu beschaffen als ein Tank. Selbst wenn Russland einen Weg findet, die westlichen Sanktionen bei Ersatzteilen zu umgehen, können die Raffinerien nicht in dem Maßstab wiederhergestellt werden, wie sie in Flammen aufgehen.

Drohnenwellen sind schwer zu bekämpfen

Kiew wendet die gleiche Methode an wie Russland. Gegen Wellen von Billigdrohnen versagt die Luftverteidigung. Sie kann jeden Tag stolz Abschusszahlen veröffentlichen, doch 30 abgefangene Drohnen bedeuten nichts, wenn dafür fünf weitere durchkommen. In den letzten zwei Wochen wurden zwölf Raffinerien von Drohnen des Sicherheitsdienstes der Ukraine (SBU) getroffen, wie eine Quelle der "Ukrainska Prawda" mitteilte. Der ehemalige Gazprom-Manager Sergey Vakulenko schrieb in einer Analyse, dass etwa die Hälfte der Raffinerieproduktion des Landes in der Reichweite der Drohnen liege.

Man darf nicht jeden Treffer mit einem kompletten Ausfall der Anlage gleichsetzen. Doch bei den aktuellen Erfolgsraten der Ukrainer dürfte es den Russen auf mittlere Sicht nicht gelingen, die Schäden komplett zu ersetzen. Die Russen werden die Luftverteidigung um strategisch wichtige Anlagen verstärken. Das wäre ein Erfolg für die Ukraine: Jedes System, das eine Anlage im Hinterland beschützt, kann nicht an der Front eingesetzt werden. Gleichzeitig werden die Russen versuchen, Lager und Kommandostellen der Operation ausfindig zu machen und auszuschalten.

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