Häufig ist die Rede von den smarten modernen Waffensystemen des Westens, die in der Ukraine Putins Panzer zusetzen. Die mit Abstand gefährlichste Waffe im Arsenal Kiews stammt aber nicht aus der EU oder den USA, die Kampfdrohne Baykar Bayraktar TB2 kommt aus der Türkei. Einem Land, das nicht für seine Hochtechnologie-Exporte bekannt ist.
Auch im Angriff auf den russischen Schlachtkreuzer Moskwa spielte – laut ukrainischen Angaben – eine TB2 eine entscheidende Rolle. Ein vorgetäuschter Angriffskurs der Drohne bannte die Aufmerksamkeit der russischen Schiffe. Im Schatten der TB2 sollen dann zwei Neptun-Raketen das Flaggschiff attackiert haben. Die Neptun greift im extremen Tiefflug an, entsprechend schwer ist sie zu entdecken und abzufangen.
Ein Angriff auf die Moskwa wird vom Kreml dementiert. Doch auch unabhängig davon ist die Drohne aus der Türkei innerhalb eines Jahres zur wichtigsten Waffe in gleich zwei Kriegen geworden. Der Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien wurde durch die türkischen Drohnen der Aseris entschieden und die Ukraine fügt den russischen Streitkräften mit der TB2 schwere Verluste zu.
Einsetzbar auch bei Gegenwehr
Damit revidiert die TB2 eine gewisse Grundskepsis gegenüber Kampfdrohnen. Bislang wurde sie nur gegen sehr unzureichend bewaffnete Aufständische eingesetzt oder gegen Länder ohne nennenswerte Luftabwehr und Luftwaffe. Die Frage blieb, wie würden sich die Drohnen gegenüber einem modern ausgerüsteten Gegner halten? Denn eine TB2 ist kein Einwegspielzeug. Der Rumpf ist 6,5 Meter lang; die Spannweite beträgt 12 Meter. Während des Konflikts kann man nicht abschließend beantworten, wie die Drohne eingesetzt wird. Aber es ist anzunehmen, dass sie die am Boden positionierten Stationen der russischen Luftabwehr unterfliegt. In jedem Fall ist sie ein zäher Gegner und nicht so einfach vom Himmel zu holen. Die TB2 ist ein Waffensystem mit kleinem Fußabdruck. Sie ist einfach zu warten und leicht zu verstecken, da sie keine Start und Landebahn wie ein Jet benötigt. Die TB2 ist mit einer Spitzengeschwindigkeit von 222 km/h recht langsam, kann aber 24 Stunden in der Luft bleiben. Sie trägt eine Waffenlast von 150 Kilogramm und kann mit verschiedenen Rüstsätzen ausgestattet werden. Die geringe Last von 150 Kilogramm macht deutlich, dass die Drohne mit smarten Abwehrraketen am gefährlichsten ist. Im Tiefflug und bei der geringen Geschwindigkeit treffen aber auch dumme Fallbomben sehr genau.
Lücke für die Türkei
Warum ist die TB2 so ein Erfolg? USA und eingeschränkt Großbritannien setzten als erste Mächte Kampfdrohnen ein, doch die USA beschränkten den Export lange Zeit rigoros. Sicher auch, weil Kampfdrohnen sich zur Aufstandsbekämpfung eignen. Im Laufe der Zeit bauten auch andere Länder Kampfdrohnen. Zu den Exporteuren gehören China und Israel. Israel hält sich mit Waffenexporte im Umkreis von Russland zurück. Chinesische Waffen kommen für viele Länder aus politischen Gründen nicht infrage, auch soll es deutliche Probleme beim Einsatz der chinesischen Drohnen gegeben haben.
Preiswerter Exportschlager
Die türkische TB-Reihe gilt dagegen als ausgereift und praxiserprobt. Sie wird seit Jahren in der Türkei gegen kurdische Aufständische eingesetzt. Für diese Einsätze im Inland hätte die Türkei niemals ein US-System bekommen. Überspitzt könnte man sagen: Die Türkei wurde zur Drohnen-Weltmacht, weil die USA den Export von Kampfdrohnen blockiert haben. Neben der Verlässlichkeit spricht der geringe Preis für die TB2 – sie soll noch günstiger sein als entsprechende chinesische Drohnen. Der Preis der TB2 wird mit unter zwei Millionen Euro für das Fluggerät angegeben, der Systempreis liegt bei etwa fünf Millionen. Eine MQ-9 Reaper aus den USA kostet etwa 18 Millionen. Die erworbene Reputation in den aktuellen Konflikten dürfte die Nachfrage nach der TB2 weiter nach oben treiben.
Für die Türkei zahlt sich die Grundentscheidung eine eigene Drohnenproduktion aufzubauen aus. Es ist anzunehmen, dass neben dem Nachfolger TB-3 weitere Kampfdrohnen gebaut werden. Die Türkei hat bereits das Konzept eines unbemannten Kampfjets vorgestellt – also einer Art Superdrohne. Die Bestandteile der TB2 stammen allerdings nicht allesamt aus türkischer Produktion, zentrale Komponenten werden oder wurden importiert. Wirklich unabhängig ist die Drohnenproduktion in er Türkei daher nicht.