Die USA schicken der Ukraine Mehrfachraketenwerfer vom Typ M142 HIMARS. Dieser Werfer könnte das Blatt im Donbass wenden. Der Grund liegt in der Reichweite. Der HIMARS gilt als "leichter" Raketenwerfer, zählt aber zu den "schweren" Waffen. Als "Leicht" wird er nur bezeichnet, weil der Werfer auf einem Lkw aufgebaut ist und nicht wie sein Vorgänger auf einem gepanzerten Chassis mit Kettenantrieb. Dadurch ist er mobiler, benötigt deutlich weniger Wartung und kann – für die Ukraine entscheidend – per Flugzeug transportiert werden.
Der M142 ist wie alle modernen Mehrfachraketenwerfer ein Abkömmling der sowjetischen Katjuscha (BM-13) – von den Deutschen auch Stalinorgel genannt. Auf einem Lkw wird eine Abschussvorrichtung montiert, in der mehrere Raketen Platz finden. Sie können einzeln gestartet werden. Doch die eigentliche Wirkung liegt im Salvenstart aller Raketen eines Werfers oder gar einer Batterie. Dann schlagen unzählige Gefechtsköpfe im Ziel ein und decken eine große Fläche ab.
Präzise bei hoher Reichweite
Seit dem Zweiten Weltkrieg ist technisch einiges geschehen. Im Falle dieser Werfer wurden die Raketen, die Munition, stark verbessert. Sie sind weit zielgenauer als früher und – darauf kommt es im Donbass an – ihre Reichweite ist höher. Normale nicht reichweitengesteigerte Munition einer schweren Haubitze trägt 30 bis 40 Kilometer weit. Der HIMARS kann mit einer einzigen Kurzstreckenrakete bestückt werden – ihre Reichweite beträgt dann bis zu 500 Kilometer. Diese bekommt die Ukraine nicht. In die Ukraine werden Varianten mit einem Starter für sechs Raketen geliefert. Dann liegt die Reichweite je nach Raketentyp zwischen 32 und 80 Kilometern. Für die Ukraine sind vor allem die langen Reichweiten, also 80 Kilometer, interessant.
Im Donbasskrieg sind die Entfernungen kurz. Ein Werfer mit 70 Kilometern Reichweite könnte mehrere Frontabschnitte zugleich unterstützen. Mit 70 Kilometern Reichweite kann er vor allem die schwere russische Artillerie bekämpfen und selbst aus deren Wirkungsbereich bleiben. Die vernichtende Wirkung der Artillerie ist der zentrale Moment der russischen Kriegsführung. Treffen Moskaus Truppen auf Widerstand, setzen sie so viel Feuerkraft ein, bis auch ausgebauten und verbunkerte Stellungen aufgegeben werden müssen. Diese Strategie können die M142 durchkreuzen. Vorausgesetzt, Kiew erhält auch die entsprechenden Mengen an Munition.
Überlegenes Feuerleitsystem
Grundsätzlich verfügt auch Russland über Raketen und Geschosse großer Reichweite. Es wird also nicht so sein, dass ein HIMARS Werfer unerreichbar ist. Doch die ukrainische Artillerie benutzt ein weit moderneres Feuerleitsystem als die russische. Kombiniert mit dem Starlinksatellitensystem ist es möglich, die Batterien aufzulösen und die Werfer einzeln getarnt aufzustellen, so bilden sie kein konzentriertes Ziel. Dennoch können sie sehr schnell Feuerunterstützung liefern oder eine gegnerische Batterie angreifen. Die Raketen des M142 sind GPS gesteuert und korrigieren ihre Flugbahn. Anders als die Stalinorgeln des Zweiten Weltkriegs treffen sie auch auf die große Entfernung präzise. Wenn die russische Artillerie durch Drohnen oder durch spezielle Radargeräte entdeckt wird, kann der Standort der Haubitzen innerhalb weniger Minuten unter Feuer genommen werden.
Hohe Reichweite auch bei Haubitzen
Grundsätzlich kann auch schwere Artillerie – die Panzerhaubitze 2000 etwa – mit spezieller Munition sehr große Reichweiten erzielen. Dann wird ein Geschoss benutzt, das zuerst von der Treibladung im Rohr beschleunigt wird, selbst aber noch über einen kleinen Raketenantrieb verfügt. So kann auch eine Kanone 60 oder gar über 100 Kilometer weit schießen. Das Problem ist nur: Diese Munition ist neuartig, teuer und nicht in großen Stückzahlen verfügbar. Die westlichen Alliierten können sich also nicht Magazine mit alter Munition plündern, um der Ukraine zu helfen.
Der US-Präsident hat lange gezögert, der Ukraine Waffen großer Reichweite zu liefern. Kiew soll die Zusicherung gegeben haben, die Waffen nicht gegen russisches Gebiet einzusetzen. Unklar ist, ob die USA so einen Einsatz auch technisch über die GPS-Steuerung unmöglich machen kann.