Nachdem die deutsche Wehrmacht in die Sowjetunion eingefallen war, stieß sie auf zwei Hindernisse, mit denen die Führung in Berlin nicht gerechnet hatte. Das eine waren die überlegenen schweren Panzer der Typen KV-1 und T-34 (Lesen Sie hierzu: T-34 - dieser Panzer war Stalins Wunderwaffe) und das andere war die gefürchtete "Stalinorgel", der Mehrfachraketenwerfer BM-13, von den Russen nach einem populären Lied Katjuscha genannt. Der Werfer wurde schon vor dem Krieg entwickelt, aber zur Zeit des deutschen Überfalls waren nur wenige Exemplare vorhanden. Angeblich soll Stalin die Serienproduktion am Vorabend des deutschen Einmarsches angeordnet haben. Die Katjuscha kombinierte mehrere bereits bekannte Faktoren zu einer furchtbaren Waffe. Einerseits wurden mehrere Abschussrichtungen auf einem Werfergestell kombiniert. Während eine Haubitze nur ein Rohr besitzt, würden auf dem BM-13-Lkw 16 Abschussrampen installiert. Mit ihnen wurden keine Granaten verschossen, sondern einfach aufgebaute Raketen, die aus einem Feststofftreibsatz und einem Splittergefechtskopf bestanden.
Verheerende Flächenwirkung
Im Vergleich zu normaler Artillerie hatten diese Waffen mehrere Nachteile. Die Reichweite war geringer, die Zielgenauigkeit auch. Auch konnten die Raketen kaum etwas gegen befestigte Stellungen ausrichten, geschweige denn Betonbunker knacken. Gegen Einzelziele waren sie nicht zu gebrauchen. Dafür hatte die Stalinorgel eine verheerende Wirkung, wenn eine ganze Batterie gegen Flächenziele eingesetzt wurde. Innerhalb kurzer Zeit konnte ein Werfer seine 16 Raketen abfeuern. Wurden sieben Werfer eingesetzt, schlugen über 112 Raketen in sehr kurzer Zeit im Ziel ein. Der Gegner konnte sich nur zu Boden werfen, es blieb ihm keine Zeit Deckung zu suchen. Wurde eine Einheit unvorbereitet auf offenem Feld von einer Salve getroffen, waren die Verluste fürchterlich. Dazu waren die Werfer, da sie auf Lkws montiert waren, sehr beweglich und konnten schnell verlagert werden. Hinzu kam ein weiterer Punkt, der alle erfolgreichen Waffensysteme der Sowjets aus dem Zweiten Weltkrieg gemein ist: Die Raketenwerfer und die Munition waren simpel aufgebaut, robust und konnten schnell und in großer Stückzahl hergestellt werden. Klicken Sie hier, wenn Sie die Fotostrecke zur Katjuscha in ganzer Breite sehen wollen.
Erster Einsatz entsetzte die Deutschen
Der erste Einsatz erfolgte vor der Serienfertigung. Hauptmann Igor Fljorow wurden in Moskau nur eine Woche nach dem deutschen Überfall sieben Werfer und 600 Raketen des Kalibers 132 Millimeter übergeben. Er sollte sie unter "realistischen Bedingungen" erproben. Dabei waren die Bedingungen alles andere als realistisch. Fljorows Soldaten konnten vor dem Abmarsch an die Front ganze vier Tage mit den neuartigen Waffen proben. Die Waffe galt als streng geheim, die ersten Exemplare führten einen Sprengsatz mit sich, um den Werfer zu zerstören, bevor er in deutsche Hände fallen konnte. Am 14. Juli 1941 traf die Gruppe von Fljorow bei der weißrussischen Stadt Orscha auf die Deutschen. Die hatten die Stadt bereits eingenommen und rechneten nicht mit einem Gegenschlag. Die ganze Stadt war voller Truppen und Nachschub-Lkws. Über diese Ansammlung brach das Feuer von Fljorows Werfern herein, danach zogen sie sich zurück. Die Wirkung war verheerend. Der Chef des Generalstabes der Wehrmacht, Franz Halder, notierte in seinem Tagebuch: "Die Russen setzten eine bisher unbekannte Waffe ein. Ein Feuersturm von Geschossen brannte den Bahnhof von Orscha, alle Streitkräfte und militärisches Gerät nieder. Metall schmolz und die Erde brannte."
In den weiteren Kampfhandlungen wurde die Gruppe von Fljorow mit anderen Teilen der Roten Armee abgeschnitten. Als die Munition verschossen war, sprengte der Hauptmann seine Werfer. Beim Ausbruch aus einem Kessel fand er wie auch drei Viertel seiner Männer den Tod.
Die Katjuscha wurden in großer Zahl und verschiedenen Varianten hergestellt, ab 1942 wurden sie häufig auch auf Studebaker-Lkw montiert, die die Rote Armee als Waffenhilfe aus Amerika erhielt. Neben der Feuerkraft war die Katjuscha eine psychologische Waffe. Da die Raketen etwas langsamer als der Schall flogen, konnten die Deutschen eine ankommende Salve kurz vor dem Einschlag heulen hören. Daher auch der Name "Stalinorgel". Der revanchierte sich. Stalin sagte, die Artillerie sei die Göttin des modernen Krieges.
Weiterentwicklungen des Mehrfachraketenwerfers
Die Reichweite betrug 8,5 Kilometer, jede Rakete transportierte einen Gefechtskopf von 5 Kilogramm. Der Zerstörungsradius der Splitter betrug über zehn Meter. Panzer oder Bunker konnten diese Waffen nicht zerstören. Die Deutschen versuchten, die Waffe zu kopieren, scheiterten aber zunächst daran den Treibsatz nachzubauen, den die Sowjets nutzten. Das Material wurde im Grund nach bereits im Ersten Weltkrieg entwickelt. Es hatte den grundlegenden Vorteil, rauchlos zu verbrennen. Nach dem Start einer Salve gab es also keinen weithin sichtbaren Rauchstreifen, der den Standort der Batterie verriet. Der 15-cm-Nebelwerfer 41 war dann das deutsche Äquivalent.
In Russland und den ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes sind Weiterentwicklungen des ursprünglichen Systems weiterhin in Dienst. Die Wirkung der Salvengeschütze wurde noch verstärkt, als man Clustermunition einsetzte. Eine Rakete transportiert dann nicht nur einen explodierenden Gefechtskopf, sondern lässt über dem Ziel eine Vielzahl kleinerer Sprengkörper herabregnen. Der TOS-1a Flammenwerfer (Lesen Sie hierzu: Der TOS-Flammenwerfer entfacht die "Glut der Sonne") kombiniert das Prinzip des Salvengeschützes mit thermobarischer Clustermunition. Sie wirkt über dem Ziel wie eine Aerosolbombe und entwickelt eine vernichtende Wirkung. Der TOS-1a überwindet ein Manko der alten Stalinorgeln. Die Wirkung seines Feuerballs zerstört auch Panzer und verbunkerte Stellungen. Der Einsatz einer Gruppe dieser Werfer gilt als Äquivalent zu einer taktischen Atombombe.
Quellen: Defence Encyclopedia, National Interest, Bravo-Voronezh
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