Angriff auf Israel Totaler Zusammenbruch – wie Israels Grenzsicherung versagte

Palästinenser umringen einen beschädigten israelischen Kampfpanzer
Palästinenser umringen einen beschädigten israelischen Kampfpanzer
© Said Khatib / AFP
Hunderte von Hamas-Terroristen konnten Israel überraschen und die am besten gesicherte Grenze der Welt überwinden. Wie konnte das geschehen?

Wie konnten die Hamas-Terroristen in so großer Zahl nach Israel eindringen? Die Frage ist schwer zu beantworten, denn da es geschah, deutet alles auf den totalen Zusammenbruch der technisch am besten gesicherten Grenze der Welt hin.

Die Abläufe selbst sind gut zu rekonstruieren. Videos zeigen die verschiedenen Phasen des Angriffs. In der Vorbereitung spielen Drohnen eine entscheidende Rolle. Sie schalten die automatischen MG-Positionen der Israelis an der Grenze aus, dazu griffen sie die Kommunikationseinrichtungen der kleinen befestigten israelischen Stützpunkte an.

Danach waren die Israelis blind und taub in diesen Sektoren. In einem weiteren Schritt wird der Grenzzaun von schweren Baumaschinen eingerissen, danach brechen Kommandos der Hamas durch die Lücken. Andere Kämpfer überwinden die Grenze mit Motorseglern, weitere sind wahrscheinlich bereits zuvor in das Gebiet eingesickert.

Jede Katze löst einen Alarm aus

Soweit der Ablauf. Ein Überraschungsangriff, das hört sich zunächst überzeugend an. Ist es aber nicht. Zum einen hat die Hamas keine neuartige, überraschende Technik eingesetzt. Ehemalige Soldaten der israelischen Streitkräfte äußern ihre Bestürzung und ihren Unglauben. Die Grenze zum Gazastreifen wird nicht allein mit Zäunen und Posten gesichert. Sie wird komplett und lückenlos überwacht, genauso wie der etwa 365 Quadratkilometer große Gazastreifen. Ex-Soldatin Efrat Fenigson sagt in einem Post bei X (vormals Twitter), dass sie 25 Jahre lang gedient habe. Niemand könne sich der Grenze unbemerkt nähern. "Eine einzige Katze am Zaun alarmiert alle unsere Kräfte." Auch andere Soldaten erinnern sich, wie sie jede Nacht aus dem Schlaf gerissen wurden, weil irgendein Tier in der Nähe des Zauns entdeckt wurde.

Die überraschten Soldaten verstecken sic in einem Waschraum. Nur einer ist bewaffnet. Er versucht vergebens seine Kameraden zu beschützen.
Die überraschten Soldaten verstecken sic in einem Waschraum. Nur einer ist bewaffnet. Er versucht vergebens seine Kameraden zu beschützen.

In einem eingeschränkten Sinn gilt das für den ganzen Gazastreifen. Die israelischen Drohnen überwachen jede Bewegung, dazu werden die Handynetze abgehört. Es scheint unmöglich, dass eine Aktion mit so viel Gerät und so vielen Beteiligten nicht bemerkt wird. Und doch geschah es. Vermutlich sind die Tunnelsysteme im Gazastreifen weit umfangreicher als gedacht. Dazu muss die Hamas eine Möglichkeit gefunden haben, so zu kommunizieren, dass die Israelis die Nachrichten nicht abfangen konnten. Dabei muss es sich nicht um ein technisch überlegenes System handeln. Es ist auch denkbar, auf Boten und altmodische Feldtelefone zurückzugreifen, die mit in Tunneln verlegten Kabeln vernetzt sind.

Versagen von Israels Luftüberwachung

Dann gelang es den Angreifern, in den Morgenstunden des 7. Oktobers große Mengen an Raketen, Bodentruppen, Gleitschirmen, Drohnen und andere Ausrüstung aus den Verstecken zu holen und zu positionieren. Und dies, ohne dass die Überwachungsdrohnen der Israelis diese Vorbereitungen bemerkten. Sowohl die Luftüberwachung als auch die Sensorik an der Grenze, in die Jerusalem Milliarden investiert hat, müssen komplett versagt haben. Man kann sich nicht vorstellen, wie große Gruppen von Männern in den frühen Morgenstunden mitten in der Wüste übersehen wurden. 

Anders als in vorherigen Angriffen versuchten die Terrorkämpfer nicht, an den Stützpunkten vorbei nach Israel einzudringen. Die kleinen Stützpunkte wurden angegriffen und teilweise eingenommen. Videos von den Kämpfen zeigen, dass die Israelis sich verzweifelt wehren. Zumindest kam es in einigen Fällen zu keinem organisierten Widerstand, einzelne überraschte Soldaten kämpften allein auf sich gestellt. Hinzu kam, dass es offenbar viel zu wenige Truppen an der Grenze gab.

Ungenügende Unterstützung 

Die israelischen Streitkräfte bereiten sich auf genau dieses Szenario vor. Nun muss geklärt werden, wie es zu diesem Zusammenbruch kam. Wie konnte das Frühwarnsystem so versagen? Wie konnte die Hamas unbemerkt so große Mengen an Material und Männern in Stellung bringen? Und spätestens nachdem die Sensoren an der Grenze zerstört und der Zaun durchbrochen wurde, musste die israelische Führung alarmiert sein. Dennoch dauerte es in vielen Fällen lange, bis die eigenen schwachen Kräfte am Boden unterstützt wurden. Ein gefangener Hamas-Mann sagte im israelischen Kanal 12: "Es hat fünf Stunden gedauert, bis Israel anfing, auf uns zu schießen. Wir waren alle mit 1000 Soldaten aufgestellt, wir haben 15 Durchbrüche im Grenzzaun geschaffen. Wir waren überrascht, dass die IDF nicht auf uns wartete." Israel verfügt über eine gewaltige Luftwaffe, die mit Präzisionswaffen in Bodenkämpfe eingreifen könnte, dazu sind Kampf und Überwachungsdrohnen vorhanden.

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