Liebe Frau Dr. Peirano,
ich suche nach Hilfe, weil mein Freund mich nicht unterstützt. Ich habe ein kleines Haus mit Garten, Tierschutzkaninchen, Katzen, Pferden (nicht bei mir Zuhause), welche schon vor ihm bei mir waren. Wir sind seit drei Jahren zusammen, wohnen seit zwei Jahren zusammen, haben keine Kinder. Ich bin 44 Jahre, er ist 29 Jahre.
Ich mache den ganzen Haushalt alleine, kaufe ein, koche, wasche und habe mein Hobby (Pferde und Tierschutzkaninchen) und einen großen Garten. Ich bin vormittags viel im Stall (stemme ich gut allein) und kümmere mich um unser Heim. Dazu bin ich noch 30 Stunden bei der Arbeit. Ich hetze vormittags herum, damit ich bis mittags alles erledigt habe, um dann von 13 -23 Uhr zur Arbeit zu gehen.
Mein Freund macht nichts. Er kommt um 17 Uhr nach Hause und setzt sich dann vor den Fernseher. Wenn es irgendetwas Schweres zu tragen gibt muss ich ihn erst bitten, zum Beispiel Pferdefutter in den Schuppen tragen. Niemals macht er das von sich aus. Oft sagt er dann: "Mach' ich morgen". Er macht es dann doch nicht. Mittlerweile mache ich fast alles selbst, weil er mir ja doch nicht hilft. Ich fühle mich ausgenutzt und müde, ich habe das Gefühl alles allein erledigen zu müssen.
Ich habe kein Problem mit der klassischen Geschlechterrolle. Ich kümmere mich gern um alles, aber Reifen in den Keller tragen, Reifen wechseln oder etwas zu reparieren, wenn was kaputt ist, Rasen mähen oder Hecke schneiden, will ich dann nicht auch noch.
Er sagt, er braucht am Wochenende seine Ruhe, weil er 50 Stunden pro Woche arbeitet. Mein Haus ist abbezahlt, er zahlt keine Miete. Die Nebenkosten teilen wir (jeder 150 Euro) und für Lebensmittel gibt er mir 100 Euro. Ich habe ihn sogar finanziell unterstützt, mit der Anzahlung auf sein neues Auto 7000 Euro geliehen, die er mit 150 Euro abstottert. Er sieht überhaupt nicht ein, wie viel ich für ihn mache und wie viel Geld er durch unser Zusammenleben einspart. Ich fühle mich traurig und ausgenutzt, weil er sich so ein lockeres Leben macht auf meine Kosten.
Er interessiert sich auch nicht für seine Hobbys (Schützenverein), weil er kaum Zeit dafür findet oder sich nicht aufraffen kann, beziehungsweise lieber auf dem Sofa fernsieht. Er hat schlechte Laune oder geht zu Familienfeiern gar nicht mit, schreibt meiner Mutter nicht mal zum Geburtstag oder bedankt sich nicht für Weihnachtsgeschenke.
Seine Familie hat einen Familienbetrieb (Baubetrieb) seine Mutter ist zuhause und bekocht die Söhne und den Mann, er musste nie im Haushalt helfen. Allerdings ist seine Mutter halt auch zuhause und ich muss arbeiten.
Wenn ich ihm das vorhalte, sagt er, ich solle die Tiere abschaffen, dann hätte ich mehr Zeit (um ihm hinterher zu räumen oder unser Haus ordentlich zu halten??) Ich wusste das er viel arbeitet, aber ich dachte schon, dass er mir ab und zu mal hilft im Garten. Zu unserem Wildwuchs zuckt er nur die Schultern und sagt, ihn stört es nicht, und dass er nicht Hausmeister spielen will.
Wir streiten viel und es geht immer ums Gleiche. Dann hält er mir vor, dass er mir vor zwei Jahren (für zehn Tage) beim Umbau geholfen hat, oder im Mai eine Terrasse gebaut hat. Wenn ich dann sage, ja aber das ist doch für uns, sagt er "aber es ist dein Haus, wenn du mich rausschmeißt, habe ich nichts davon".
Ich glaube, ihm ist nicht bewusst, dass er sich da selber rein manövriert, wenn wir uns wirklich trennen.
Ich hoffe, Sie haben Tipps für mich!
Heike T.
Liebe Heike T.,
Ihre Beschreibung hört sich so an, als wenn Sie völlig unterschiedliche Vorstellungen haben, wie eine Beziehung sein sollte und wie sie auch in allen Details praktisch gelebt werden soll.
Es klingt an, dass Ihr Partner sich jetzt eher verhält wie ein pubertierender Sohn - und nicht wie ein verantwortungsvoller Partner an Ihrer Seite. Gibt es in Ihrer Lebensgeschichte ähnliche Muster, in denen Sie mehr als Ihren Teil übernehmen mussten (zum Beispiel durch Krankheit oder Verlust eines Elternteils, ein krankes oder behindertes Geschwisterkind…)? Und kann es sein, dass Sie auch Probleme mit Ihrem Selbstwertgefühl haben und befürchten, dass Sie nicht liebenswert genug sind, wenn Sie sich etwas zurücklehnen oder auch mal NEIN sagen?
Dadurch, dass Sie die Aufgaben dann doch selbst erledigen, wird er natürlich immer bequemer. Aber dauernd wütend und fordernd zu sein, ist auch keine gute Alternative - Sie sitzen in einer Zwickmühle.

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe
Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben.
Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.
Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.
Wie lief es denn zwischen Ihnen beiden am Anfang der Beziehung? Zeichneten sich da schon Probleme ab in Bezug auf die Vorstellung, wer welche Aufgaben übernimmt, wer Ideen einbringt, was zusammen gemacht wird, wer wie viel bezahlt?
Wenn es am Anfang keine Probleme gab: Wie hat Ihr Partner sich verhalten, wie hat er sich eingebracht, was hat Ihnen gut gefallen?
Und wann war der Wendepunkt? Wann und wodurch kam es dann dazu, dass Ihr Partner, wie Sie schreiben, nur so wenig wie möglich übernimmt und Sie fast alles finanziell und tatkräftig alleine erledigen? Wurde schon abgeklärt, ob er vielleicht depressiv ist? Seine Erschöpfung, schlechte Stimmung und Antriebslosigkeit sind Anzeichen dafür und sollten abgeklärt werden.
Wenn Ihr Freund von Anfang an nicht richtig mitgeholfen hat: Welche Alarmsignale haben Sie übersehen? Wann war der erste Moment, wo Sie hätten sagen sollen: Bis hierhin und nicht weiter! Entweder wir klären es oder wir lassen es?
Bestimmt fallen Ihnen bestimmte Situation ein, in denen Sie sich im Stich gelassen gefühlt haben. Warum haben Sie Ihrem Partner dennoch angeboten, bei Ihnen einzuziehen?
Und auch wenn es möglicherweise bürokratisch und kleinkariert klingt: Warum haben Sie nicht spätestens, als er bei Ihnen eingezogen ist, Absprachen darüber getroffen, wer welche Aufgaben erledigt und wie viel jeder zu den Lebenshaltungskosten beiträgt? Das Gespräch über die Regeln ist eigentlich schon ein guter Test, ob das Zusammenleben klappt. Denn wenn jemand auch in der Theorie unfaire oder unrealistische Vorstellungen hat, wie viel er selbst einbringt und wie viel der andere, dann sieht es in der Umsetzung meistens noch drastischer aus.
Es ist immer gut, vor dem Zusammenziehen zu besprechen, wer welche Bereiche übernimmt (zum Beispiel: Ich: Wäsche, Einkaufen, unter der Woche kochen, aufräumen; Du: Garten, Reparaturen, am Wochenende kochen. Jeder für sich: Buchhaltung). Da meistens jeder seinen eigenen Aufwand höher einschätzt als den des anderen, hilft es, ein paar Wochen lang Buch zu führen über die eigenen Tätigkeiten und dann noch einmal zu prüfen, ob die Aufgabenverteilung gerecht ist.
Die Begründung Ihres Partners, mit der er sich vor der Arbeit drückt, weil er so viel arbeitet, ergibt dann noch weniger Sinn. Denn er erwirtschaftet das Geld ja für sich selbst und teilt es nicht mit Ihnen.
Und warum müssen Sie ihm dann eigentlich Geld leihen, wenn er so viel arbeitet? Es wäre ratsam, dass Sie einen privaten Darlehensvertrag mit ihm abschließen über die geliehene Summe, die Rückzahlungsdauer und eventuelle Zinsen. Sonst haben Sie nichts in der Hand, falls Sie das Geld zurück verlangen wollen. Das kann schwierig sein bei jemandem, der Ausreden benutzt und anscheinend sehr auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist.
Und gerade, wenn einem der beiden Partner das Haus/die Wohnung gehört und der andere dort mit einzieht, stellt sich die Frage, wie viel letzterer zu bezahlen hat. Das ist nicht so einfach zu klären, da der/die Eigentümer*in natürlich von einer neuen Küche/einer neuen Terrasse etc. eine Wertsteigerung der Immobilie hat, andererseits aber durch beide die Wohnung auch mehr abgenutzt wird. Die Argumentation "Es ist ja dein Haus, also bezahl auch alle Kosten" ist genau so schwierig wie "wir wohnen ja beide hier, also teilen wir alle Renovierungskosten". Es muss alles besprochen werden, und so wie bei Mietern und Vermietern die Perspektiven sehr unterschiedlich sind, kann es auch in einer Beziehung sein, in der einer/m das Haus gehört, in dem beide wohnen.
Nebenkosten wie Strom, Wasser, Heizkosten etc. sollten geteilt werden, beim Rest kann man ja als Orientierung die ortsübliche Miete heran ziehen. Aber es bleibt schwierig und ist sicher auch ein Indikator dafür, wie ein Paar als Team arbeitet - oder inwieweit jeder auf eigene Vorteile bedacht ist.
Die nächste Frage ist, warum Sie finden, dass er Ihnen bei der Versorgung Ihrer Tiere helfen sollte. War das mal so abgesprochen oder kann man sagen, dass die Tiere eher Ihr Privatvergnügen sind? Was für einen Bezug hat Ihr Partner zu den Tieren? Aus meiner Sicht könnten Sie verlangen, dass er sich finanziell und durch seinen Einsatz am gemeinsamen Haushalt beteiligt, aber es wäre eher ein Gefallen, dass er Ihnen bei den Kaninchen und Pferden hilft.
Sie hören: Es wären viele Gespräche nötig, um ein paar gemeinsame Regeln aufzustellen. Und bei denen sollten Sie sich ruhig etwas zurück lehnen und Ihren Freund mit Vorschlägen kommen lassen, ohne diese zu bewerten. Dadurch erfahren Sie, was er wirklich denkt und will, und wie viel Respekt er vor Ihnen hat. Wenn Sie ihn zu einer Regel drängen, wird er Sie aller Voraussicht nach nicht einhalten - das macht er jetzt ja auch nicht.
Werten Sie aus, was er sagt, und schauen Sie, ob Sie damit leben könne. Wenn es keine gemeinsame Basis für ein Zusammenleben gibt, empfehle ich Ihnen, noch einmal in Ihre Lebensgeschichte zu gehen (mit therapeutischer Hilfe) und sich anzuschauen, warum Sie sich einen solchen Partner gesucht haben, der Sie im Stich lässt.
Herzliche Grüße,
Julia Peirano