Der jüngste Fleischskandal hat nun auch diejenigen eingeholt, die statt fragwürdig hergestellter Masthähnchen, Putenbrüste, Kalbsschnitzel oder Brühwürste Wild bevorzugen. Mit den Manipulationen der niederbayerischen Firma Berger Wild GmbH sorgt ein weiterer Skandal bundesweit für Aufsehen. In den Vordergrund gerückt sind dabei die Fragen, wie vertrauenswürdig die Fleischbeschauer angesichts ihrer Bindungen an Betriebe sind und wer die Kontrolleure kontrolliert.
Immerhin Europas größter Wildhändler
Das Passauer Unternehmen ist keine Klitsche, sondern war bisher Europas größter Wildfleischhändler und ein renommierter Betrieb. "Dort wurde jeden Tag kontrolliert", sagte der Vize-Geschäftsführer der Verbraucherorganisation Foodwatch, Matthias Wolfschmidt. Das deute darauf hin, dass es bei den Fleischskandalen nicht um kleinere "schwarze Schafe" gehe, auf die die Branche das Problem reduzieren möchte.
Die gehandelte Ware liegt auch nicht im Niedrigpreis-Segment. Der Fall kann also nicht damit begründet werden, dass die Verbraucher mit einer angeblichen "Geiz-ist-geil"-Haltung für einen Preiskampf der Fleischanbieter sorgten und so indirekt verantwortlich seien für Manipulationen. "Das ist eine andere Dimension, das Billig- und Schnäppchen-Argument ist damit weg", sagte Wolfschmidt.
Ganzes System muss verändert werden
Wildfleisch war bisher von Skandalen verschont geblieben. Im Schnitt liegt der Verzehr von Wildfleisch in Deutschland im Jahr bei etwa 0,8 Kilogramm pro Kopf, der Fleischverbrauch insgesamt bei etwa 61 Kilogramm pro Kopf. Der zuständige Branchenverband, in dem die Firma Berger Mitglied war, ging auf Distanz. "Wenn sich die Vorwürfe als richtig erweisen, dann werden wir das Unternehmen ausschließen", sagte der Geschäftsführer der Vereinigung der Eier-, Wild- und Geflügelwirtschaft, Caspar von der Crone.
Verbraucherschützer weisen wieder mit dem Finger auf das lückenhafte System mit zu wenig Kontrollen und kaum Sanktionsdrohungen bei Verstößen. Die "strukturellen Probleme" der Fleischwirtschaft seien offenkundig, erläuterte der Präsident des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Bonn, Christian Grugel. Das ganze System müsse daher verändert werden.
"Jeder kleine Rechtsverstoß wird zum Skandal"
Die Fleischwirtschaft sieht indes auch nach dem neuen Fall nur einzelne "schwarze Schafe" am Werk. Es gebe kein Strukturproblem, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes des Fleischwirtschaft (VDF), Heike Harstick in Bonn. "Dass Einzelne sich nicht an Recht und Gesetz halten, kann man nicht ganz verhindern. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht - 99,9 Prozent des Fleischangebots entsprechen den gesetzlichen Anforderungen." Die Möglichkeiten für kriminelle Machenschaften müssten aber begrenzt werden.
Foodwatch dringt auf mehr verbriefte Sicherheit für die Verbraucher. Dazu zählten auch "abschreckende Sanktionen", sagte Wolfschmidt. Über die bisher möglichen Bußgelder für Personen (bis zu 20.000 Euro) hinaus müsse es auch Strafen für Unternehmen geben. Dann könne je nach Schwere des Falles reagiert werden. Außerdem müsse es mehr Transparenz geben. Gesetzliche Regelungen müssten dafür sorgen, dass Verbraucher mehr Informationen erhalten könnten, Kontrollergebnisse müssten veröffentlicht werden. Damit gebe es für Unternehmen mehr Druck.
Auch die Kontrollen müssten "intelligenter" werden und weg von der kommunalen Ebene, sagte Wolfschmidt. Grundsätzlich müsse es eine Rotation der Kontrolleure und der Amtstierärzte geben, um mehr Unabhängigkeit zu gewährleisten. Das will auch Bayerns Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf (CSU) angehen. Tierärzte sollten nicht mehr dauerhaft, sondern nur noch für zwei bis drei Jahre mit der Überwachung für ein bestimmtes Unternehmen beauftragt werden. Eine solche Rotation könne eine persönliche Bindung der Tierärzte an einen Betrieb verhindern.
Die Branche sei bereit zu besseren Eigenkontrollen, sagte Harstick. Doch es könne nicht sein, dass durch wenige Fälle "eine ganze Nation verunsichert" werde. "Jeder kleine Rechtsverstoß wird zum Skandal hochstilisiert." Zum Teil fehle es bei Verwaltungsbeamten und Mediendarstellungen auch an Rechtskenntnissen. So sei es keineswegs so, dass ein Umpacken einer Ware nach Ablauf der Mindesthaltbarkeit illegal sei oder die Ware dann schlecht und ungenießbar sei. "Wenn beim Verbraucher ständig Ekel erzeugt wird, wird sich das langfristig auch negativ auf den Konsum auswirken", befürchtet Harstick.