Was den Minister freut, ärgert die Verbraucherschützer. Zwar ist nach jahrelangem Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern endlich der Weg für ein Verbraucherinformationsgesetz (VIG) frei. Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU) sprach sogar von einem Meilenstein: "Wir machen damit einen Riesenschritt zu mehr Markttransparenz und Verbraucherinformation." FDP, Linkspartei, Grüne und Verbraucherschützer halten das Gesetz, das der Bundesrat am Freitag beschloss, jedoch für einen "zahnlosen Tiger". Auch das Land Berlin stimmte dagegen. Einige Länder befürchten auch verfassungsrechtliche Probleme.
Gilt für Lebensmittel und Wein
Als Konsequenz aus mehreren Fleischskandalen sollen Behörden dazu verpflichtet werden, bei Gesundheitsgefahren und Rechtsverstößen die Namen von Firmen oder Produkten zu nennen. Bisher lag dies im Ermessen der Behörden. "Schwarze Schafe" können damit genannt werden, wenn Gammelfleisch am Markt ist, Lebensmittel falsch gekennzeichnet wurden oder Pestizid-Höchstmengen überschritten werden. Verbraucher haben auch einen Anspruch auf Auskunft und Akteneinsicht. Das VIG, das nach sechs Monaten in Kraft treten soll, gilt für Lebensmittel, Wein und Gegenstände wie Bekleidung, Spielwaren und Waschmittel.
Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn bezeichnete das Gesetz als Etikettenschwindel. "Der Name steht drüber, aber der Inhalt ist schlecht", sagte sie dem Nachrichtensender n-tv. Höhn forderte eine Informationspflicht für Unternehmen und eine Ausweitung auf Produkte wie Elektrogeräte. Der FDP-Verbraucherpolitiker Hans-Michael Goldmann sprach von "Informationsverhinderung". Auch die Linkspartei verlangte Korrekturen.
Strotzt vor Ausnahmen
Die Länder sehen trotz Zustimmung Mängel. Nach Ansicht von Baden- Württembergs Ernährungsminister Peter Hauk (CDU) kann das Gesetz Skandale nicht so wirksam verhindern wie nötig, es sei aber der bisher beste Gesetzentwurf. Bayerns Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf (CSU) machte sich für öffentliche Rückrufaktionen von Lebensmitteln stark. Was in anderen Branchen selbstverständlich sei, sollte in der Lebensmittelbranche auch möglich sein.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hält das VIG für eine verpasste Chance. "In dieser Form wird es auch Gammelfleisch nicht verhindern", sagte Verbandschefin Edda Müller. Die Verbraucher-Organisation Foodwatch überreichte dem Bundesrat mehr als 10.000 Unterschriften gegen das Gesetz. Es strotze vor Ausnahmen, und jede Information könne von Behörden und Wirtschaft verweigert werden, sagte Foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode. "Statt lückenlose Transparenz zu schaffen, strotzt das Gesetz vor Ausnahmeregeln und Hintertürchen", so Bode.
Tagesaktuelle Informationen verlangt
Laut foodwatch müssten die Ministerpräsidenten im Wesentlichen drei Mängel in Seehofers Verbraucherinformationsgesetz beseitigen. Erstens müssten die Behörden verpflichtet werden, die Öffentlichkeit tagesaktuell unter Nennung von Produkten, Herstellern und Abnehmern über Missstände und Kontrollergebnisse zu informieren. Zweitens müssten schwammige Ausschlussgründe gestrichen werden. Und drittens müsse die Aktualität der Informationen immer gewährleistet sein.
Seehofer wies die Kritik zurück. Bei Verstößen könnten sich Firmen nicht auf Geschäftsgeheimnisse berufen. Sie müssen aber angehört werden. Die Ernährungs- und Lebensmittelwirtschaft forderte einen verantwortungsvollen Umgang. Der Einzelhandelsverband HDE warnte davor, Unternehmen durch ungeprüfte Informationen zu gefährden.
Das Gesetz soll nach zwei Jahren geprüft werden. Wenn Nachbesserungen nötig seien, werde das Ministerium Vorschläge machen, sagte Seehofer. Die SPD-Bundestagsfraktion forderte, eine Informationspflicht für Unternehmen müsse ebenso geprüft werden wie die Erweiterung auf weitere Produkte.