Fanta ist die wohl berühmteste Limonade der Welt und fester Bestandteil des US-amerikanischen Coca-Cola-Imperiums. Was viele jedoch nicht wissen: Das beliebte Sprudelgetränk hat seine Wurzeln in Nazi-Deutschland.
Coca Cola wurde seit 1929 in der "Essener Vertriebsgesellschaft für Naturgetränke" abgefüllt. Nur zehn Jahre später, 1939, waren bereits 50 Fabriken in Betrieb, die 4,5 Millionen Kisten produzierten. Die Deutschen liebten die Limonade. Doch als der Zweite Weltkrieg ausbrach, waren die Rohstoffe plötzlich knapp. Der Durst und die Lust auf kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke blieb jedoch groß.
Coca-Colas Chefchemiker Wolfgang Schetelig machte aus der Not eine Tugend: Er entwickelte 1940, als das Dritte Reich seine größten militärischen Erfolge verzeichnete, in Essen die Ersatz-Limonade Fanta. Das Produkt bestand zum großen Teil aus Nebenprodukten wie Molke (stammt aus der Käseproduktion), Maische, Apfelweinpressen und übrig gebliebenen Apfelfasern, die mit diversen aus Italien stammenden Fruchtsaftkonzentraten angereichert wurden.
Mit der heute bekannten Fanta hatte das damals vertriebene Produkt geschmacklich kaum etwas gemein. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sehr gut geschmeckt hat", schreibt der Food-Autor Mark Pendergrast, der sich viel mit der frühen Geschichte von Coca-Cola beschäftigte.
Fanta wurde Teil des deutschen Alltags
Fanta wurde zu einem Inbegriff des nationalistischen Stolzes. Alle wollten die in Essen entwickelte Brause, von der Hausfrau am Herd bis zum obersten Funktionär der Nazi-Partei. Dass ein US-Unternehmen mitten in Nazi-Deutschland florierte, lag vor allem an Max Keith: Der großgewachsene Deutsche übernahm 1933 die deutsche Tochtergesellschaft Coca-Cola GmbH, zu einem Zeitpunkt, als Hitler und die NSDAP die Macht in Deutschland ergriffen. "Keith schätzte seine Loyalität zum Getränk und zum Unternehmen höher ein als seine Loyalität zu seinem eigenen Land", schreibt Pendergrast.
Keith, ein großer Anhänger von Adolf Hitler, verwob Coca-Cola tief mit dem Alltag vieler Deutschen. Ihm gelang es, das US-Getränk Coca-Cola als ein deutsches, ja als ein nationalsozialistisches Produkt zu vermarkten. Auf Reklamezetteln und in Werbeveranstaltungen integrierte er etwa Hakenkreuze und Hitlerbilder. Außerdem sponserte das Unternehmen 1936 die Olympischen Spiele in Berlin, damals wehten Fahnen mit Coca-Cola-Logo unmittelbar neben denen mit Hakenkreuz-Emblem.
Aus heutiger Sicht wirkt das erschreckend, doch damals blendeten viele internationale Unternehmen die Entwicklung in Deutschland und die zunehmende Aggression Hitlers weitgehend aus, um das Geschäft am Laufen zu halten. Das änderte sich nicht einmal, als Nazi-Deutschland am 1. September 1939 das Nachbarland Polen überfiel. Aus Atlanta, dem Hauptsitz des Mutterkonzerns, wurde weiterhin der für die Cola-Produktion benötigte Sirup geliefert.
Als die Amerikaner den Stecker zogen
Keith war kein Mitglied der NSDAP, aber um voranzukommen, arbeitete er eng mit den Nazis zusammen. Und er war ein skrupelloser Geschäftsmann: Keith folgte der Wehrmacht und übernahm alsbald die jeweiligen Coca-Cola-Geschäfte in den Niederlanden, Frankreich, Italien.
Eine Zäsur war der 7. Dezember 1941: An jenem Morgen attackierten die Kaiserlich Japanischen Marineluftstreitkräfte die vor Anker liegende Pazifikflotte der USA in Pearl Harbor, Hawaii. Die USA traten nun auf Seiten der Alliierten in den Krieg ein, was zur Folge hatte, dass sämtliche US-Unternehmen sofort ihre Geschäftsaktivitäten mit feindlichen Ländern einstellen mussten. Dazu zählte auch Deutschland. In Atlanta kappte Mann daraufhin die Beziehungen zu Keith und stellte die Lieferungen des sagenumwobenen, nach Geheimrezeptur entwickelten Coca-Cola-Sirups sofort ein.
Für die deutsche Coca-Cola GmbH war das eine Katastrophe. Um die Pleite abzuwenden, ließ Keith ein alternatives Getränk entwickeln, dass den Beschränkungen der Kriegsrationierung entsprach. Die Basis waren wie eingangs erwähnt zahlreiche Produktionsreste. Nun brauchte das Produkt nur noch einen Namen. Die Mitarbeiter sollten ihrer Fantasie freien lauf lassen, erklärte Keith. Joe Knipp, ein Vertriebsmitarbeiter, nahm diese Ansage wörtlich - und schlug "Fanta" vor, eine Verkürzung des deutschen Wortes Fantasie.

Fanta dominierte in den Folgejahren den deutschen Markt. 1943 soll der Absatz bei ungefähr drei Millionen Kisten gelegen haben.
Das Comeback der Fanta
Als im Frühsommer 1945 die Alliierten in Deutschland einmarschierten, stießen sie auf Keith in einer halb zerbombten Fabrik, in der immer noch Fanta abgefüllt wurde. Obwohl er offensichtlich mit den Nationalsozialisten zusammenarbeitete, wurde er im Firmensitz in Atlanta als Held gefeiert - schließlich hatte er, trotz aller Widrigkeiten, das Unternehmen in Deutschland am Laufen gehalten. Für seinen Einsatz wurde Keith mit einer Beförderung belohnt, von diesem Zeitpunkt an leitete er die Geschäfte von Coca-Cola Europa.
1955, zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, kehrte Fanta unter gleichem Namen - immerhin hatte Coca-Cola bereits die Markenrechte - mit einer neuen Rezeptur zurück. Seine Premiere feierte die nun nach Orange schmeckende, kohlensäurehaltige Limonade in Italien, 1958 wurde Fanta schließlich auch in den USA vertrieben.
Der Schatten der Vergangenheit
Lange Zeit schien sich niemand für die Nazi-Vergangenheit von Fanta zu interessieren. Doch 2015, zum 75. Geburtstag der Kult-Limonade, ließ der Hersteller Coca-Cola einen Clip produzieren. Darin hieß es unter anderem: "Um das zu feiern, bringen wir das Gefühl der guten alten Zeit zurück." Gemeint war die nostalgische Flasche von damals, doch die missverständlich formulierte Passage sorgte für einen globalen Shitstorm.
Der Konzern entfernte das Video daraufhin von Plattformen wie Youtube und distanzierte sich deutlich von der Nazizeit.
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