Die Gastronomie in Deutschland wird wieder hochgefahren. Neben Restaurants und Cafés dürfen in einigen Bundesländern auch viele Bars wieder Gäste bewirten - allerdings unter strengen Auflagen.
Vier Bar-Besitzer aus vier Bundesländern geben ein Statusbericht zur aktuellen Situation, erzählen, mit welchen kreativen Ideen sie ihre Kunden bei der Stange gehalten haben und wie es jetzt weitergeht.
Bartista, Tübingen, Baden-Württemberg
Bei Gaetano Randone klingelte in den letzten Wochen um 3.20 Uhr der Wecker, zu einer Uhrzeit, zu der er normalerweise schlafen geht. Weil seine Bar coronabedingt schließen musste, hat er kurzerhand als Konditor angeheuert. Wenn er das nicht getan hätte, sagt er, "hätte es ganz schlecht ausgesehen."
In den fünf Wochen, in denen das Bartista für Gäste geschlossen war, hatte er auf Lieferservice umgestellt und zudem einen "Cocktail-Aufzug" etabliert - über einen Korb am Seil wurde Kunden das Mitnehm-Getränk aus dem ersten Stock herabgelassen. Obwohl an manchen Tagen bis zu 40 Drinks auf diese Weise verkauft werden konnten, habe sich das nicht gerechnet. "Das war mehr Marketing. Wir wollten zeigen, dass wir für die Kunden da sind", so Randone. Vor allem wenn der Chef selbst den Lieferdienst übernahm, sei das Hallo bei den Kunden groß gewesen. "Viele haben kleine Videos oder Fotos bei der Übergabe gemacht", erzählt er.
Ab Montag können die Tübinger Randone nun wieder in seinem natürlichen Umfeld, seiner Bar begrüßen. Denn mit dem Backen ist erst einmal wieder Schluss. Weil Randone für seine Bar sowohl eine Speise- als auch eine Schanklizenz hat, darf er ab nächster Woche wieder öffnen. Dann aber mit modifiziertem Konzept. Die Öffnungszeit wird von 18 auf 11 Uhr vorverlegt und das Speiseangebot ausgeweitet. "Früher haben wir eher Kleinigkeiten wie Currywurst im Tumbler-Glas angeboten", erzählt er. Künftig wird es im Bartista ein Mittagstisch-Angebot geben. Und auch der Außenbereich wird ausgebaut: "Die Stadt hat mir ganz locker drei Tische mehr als vorher gestattet."
Galander Bars, Berlin
Nur zwei Wochen lang boten die Galander Bars in Kreuzberg und Charlottenburg den Lieferservice an, dann wurde er wieder eingestellt. "Die meisten unserer Gäste holen sich ihre Cocktails lieber ab", weiß Lucia Dilßner, Creative Director bei Galander. So werde der Cocktail To Go mit ein wenig Bewegung an der frischen Luft kombiniert. Ein Angebot, dass von den Berlinern gern genutzt werde, obschon der Umsatz bei weitem nicht ausreiche, um die Fixkosten zu decken oder Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zurückzuholen.
Während normalerweise sieben Tage die Woche in den Bars Cocktails gemixt werden, ist der Shaker aktuell nur an vier Tagen in Bewegung. Wann sich das ändert, ist derzeit noch nicht abzusehen. "Nur Betriebe, in denen selbst zubereitetes Essen auf der Karte steht, dürfen ab Freitag wieder Gäste empfangen werden", weiß Dilßner. Darunter fallen auch Bars mit Vollkonzession. Die beiden Galander-Bars gehören nicht dazu.
"Die Grundsituation für uns Gastronomen ist grundlegend fürchterlich", sagt Dilßner. In vier von den nun acht Wochen, in denen die Bars geschlossen sind, sei der Umsatz zu 100 Prozent entfallen. Der Umsatz, der durch die Cocktails to go generiert werde, sei "ein Tropfen auf den heißen Stein", so Dilßner. Dennoch kann sie sich vorstellen, dass die Drinks zum Mitnehmen nicht nur eine Zwischenlösung bleiben. "Viele Gäste fragen, ob wir das weitermachen", sagt sie. Abhängig sei das am Ende allerdings davon, wann und unter welchen Auflagen der Barbetrieb wieder aufgenommen werden könne. "Wenn wir Leute wegschicken müssten, um Kapazitätsgrenzen einzuhalten, könnten wir ihnen dann immerhin einen Cocktail To Go anbieten."
Hunky Dory, Frankfurt, Hessen
Armin Azadpour, Chef des Hunky Dory in Frankfurt, öffnet am Freitag wieder für Gäste. "Wir dürfen und müssen wieder, die Situation zwingt uns in die Knie", sagt Azadpour. Er hatte in den vergangenen Wochen auf Lieferservice umgestellt. Ab einem bestellten Bottled Cocktail Bundle, das entspricht sechs Drinks, liefert die Bar in Frankfurt und Umgebung, verschickt wird deutschlandweit. Wer nicht ganz so viel Durst hat, kann sich einzelne Drinks auch direkt abholen. Die Bar hat einen "Drive Through" eingerichtet. "In einer solchen Situation ist jeder Euro wichtig", sagt Azadpour, der zudem ein Crowdfunding initiiert hat. Er wolle alle Möglichkeiten nutzen, die Löhne des Personals zu sichern "Das sehe ich als meine Pflicht an".
Durch die Drinks außer Haus habe er die Gehälter aufstocken können. Wenngleich die Nachfrage nach dem Lieferservice mit den Lockerungen der letzten Wochen bereits etwas abgeklungen sei, will Azadpour das Angebot fortführen. Denn obwohl er Glück habe, weil zu der Bar auch ein großer Außenbereich gehöre, müsse sich erst zeigen, wie viele Gäste in nächster Zeit wirklich kämen. Weil die Bar ihre Adresse im Bahnhofsviertel und in unmittelbarer Nähe vieler Hotels hat, gehöre eigentlich "super viel internationales Klientel" zu seiner Kundschaft, die falle nun weg. Dazu komme: "Viele Leute haben Schiss, sich jetzt in die Bar zu setzen". Ändern wird sich wohl nicht nur die Besucherstruktur im Hunky Dory. Ab morgen müssen Gäste der Bar ihre Kontaktdaten abgeben. Das gehört zu den Auflagen. Im Hunky Dory werden diese kontaktlos über einen QR-Code gesammelt.

Woods, Köln, Nordrhein-Westfalen
Wie vielen Menschen soziale und persönliche Nähe fehlt, hat Simon Bach, Geschäftsführer und Teilhaber der Bar Woods in Köln, bei den Cocktail-Lieferungen gemerkt. "Es waren immer wieder Gäste dabei, die einfach unheimlich froh waren, mal ein anderes oder überhaupt ein Gesicht zu sehen - soweit das hinter der Maske möglich ist", erzählt er. Auch das Woods hat seinen Barbetrieb auf Lieferservice umgestellt und dabei das Portfolio kontinuierlich ausgebaut. Inzwischen bietet die Bar neben Drinks für Zuhause, Liquid Dinners und Cocktailboxen auch digitale Tastings an. Angebote, die sich das Woods auch für den laufenden Betrieb bewahren will. "Wir sind überzeugt, dass das unabhängig von Corona eine Bereicherung für viele zu Hause sein kann", so Bach.
Wann die Kölner Bar für den Publikumsverkehr wieder öffnen kann, ist unklar. "Als reine Schankwirtschaft werden wir anders beurteilt als die Schank- und Speisewirtschaften", so Bach. "Wir sehen uns derzeit auch nicht in der Lage, ohne wesentliche Einbußen in unserem Konzept der Gemütlichkeit und Atmosphäre, die gravierenden erforderlichen Maßnahmen umzusetzen."
Er glaubt, dass sich im Barbetrieb durch die Auflagen vieles ändern werde und ein ganz anderer Alltag erprobt werden müsse. Seine größte Sorge dabei sei die Verpflichtung der Betreiber, die Kontaktbeschränkungen umzusetzen: "Was ist, wenn das mitgenommene Getränk doch vor der Bar verzehrt wird? Was ist, wenn die Gäste angeben aus einem Haushalt zu kommen, aber doch nur Freunde sind? Was ist, wenn der Gast beim Gang zur Toilette den Mundschutz nicht wieder anzieht? All das muss der Betreiber umsetzen und zieht dann eher noch den Unmut der Gäste auf sich."