Der britische Premierminister David Cameron hat bei einer Sondersitzung des Parlaments die Gewalt auf den Straßen des Landes scharf verurteilt. "Es gibt dafür absolut keine Entschuldigung", sagte er. Es gehe den Randalierern nicht um Protest oder politische Aussagen. "Es geht ihnen um Diebstahl", sagte Cameron. Mehr als 1200 mutmaßliche Randalierer seien bereits festgenommen worden. Viele weitere würden durch die Auswertung von Videoaufzeichnungen identifiziert und ebenfalls in Untersuchungshaft kommen. Ferner will der Premier prüfen, ob Soldaten die Polizei unterstützen können und Straftätern der Zugang zu Internetdiensten wie Twitter und Facebook verwehrt werden kann.
Bei Krawallen mehr Entscheidungsspielraum
Um neue Krawalle zu verhindern, bleiben auch in den nächsten Tagen rund 16.000 Polizisten in London im Einsatz, teilte der Regierungschef mit: "Wir lassen es nicht zu, dass auf unseren Straßen ein Klima der Angst herrscht." Cameron räumte ein, dass es zu Beginn der Krawalle am vergangenen Wochenende Mängel bei der Reaktion der Sicherheitskräfte gab. Inzwischen werde aber längst hart durchgegriffen.
"Wir müssen ein Jahr vor den Olympischen Spielen zeigen, dass Großbritannien nicht zerstört, sondern aufbaut", sagte Cameron. Auch dafür soll die britische Polizei künftig bei Krawallen mehr Entscheidungsspielraum bekommen. So soll Polizisten erlaubt werden, die Gesichtsmasken von vermummten Gewalttätern zu entfernen. Auf Kürzungen will die britische Regierung bei der Polizei in Zukunft dennoch nicht verzichten. Die Londoner Polizei habe in den vergangenen Tagen bewiesen, dass sie in der Lage sei, aus den vorhandenen Ressourcen "den maximalen Effekt" herauszuholen.
Notfalls solle auch die Armee eingesetzt werden, um der Polizei den Rücken freizuhalten. Die Regierung werde einen Militäreinsatz im Landesinneren prüfen, damit die Polizei ihre Kräfte künftig verstärkt "an der Front" einsetzen könne, so der Premier weiter.
"Einbrecher, Räuber und Diebe"
Mit Blick auf die Olympischen Spiele hatte der Londoner Bürgermeister Boris Johnson am Vortag dafür plädiert, auf die geplanten Ausgabenkürzungen von 20 Prozent und die Streichung tausender Stellen bei der Polizei zu verzichten. Auch Johnsons Gegenkandidat für die Bürgermeisterwahl im nächsten Jahr, Ken Levingstone, will die Kürzungen verhindern. Er schlug Cameron vor, von seiner Vorgängerin Margaret Thatcher zu lernen. Diese hatte die These vertreten, in Zeiten der Rezession müsse die Polizeigewalt verstärkt werden, um etwaigen Aufständen begegnen zu können.
Indes hat die Polizei zahlreiche Wohnungen und Häuser nach Verdächtigen durchsucht. Mehr als hundert Menschen würden noch per Haftbefehl gesucht, sagte der ranghohe Beamte der Metropolitan Police, Steve Kavanagh. "Wir haben in den frühen Morgenstunden damit begonnen, an Türen zu klopfen, um Menschen festzunehmen", sagte Kavanagh. Es handele sich um mutmaßliche "Einbrecher, Räuber und Diebe". Seit Beginn der Proteste am Samstag wurden landesweit mehr als 1200 Randalierer festgenommen. Allein in London waren es nach Angaben von Scotland Yard 888, von denen bislang 371 angeklagt wurden.
Versicherungsschaden über 100 Millionen Pfund
Versicherungen und Experten schätzen nach den Krawallen die Schadenssumme auf deutlich mehr als 150 Millionen Pfund (170 Millionen Euro). Wie das britische Institut für den Einzelhandel am Donnerstag mitteilte, verzeichneten die Händler, die wegen der Krawalle ihre Geschäfte schließen mussten, Verluste in Höhe von 80 Millionen Pfund. Für Säuberungen und Reparaturen zerstörter Läden müssen sie demnach mehr als 40 Millionen Pfund ausgeben. Zumindest ein Teil dieser Schäden wird allerdings von Versicherungen übernommen. Der britische Versicherungsverband rechnet mit einem Versicherungsschaden von deutlich mehr als 100 Millionen Pfund.