Immer wieder werden im Osten Deutschlands Elche gesehen. Seit dem Frühjahr etwa durchstreift Elchkuh Elwira die Wälder Sachsens. Nach einem Ausflug nach Sachsen-Anhalt ist sie zuletzt in der Dübener Heide auf sächsischer Seite gesichtet worden. Ein weiterer Elch wurde im Oktober im Leipziger Neuseenland gesehen. In Brandenburg und Vorpommern sind die Tiere regelmäßig unterwegs und auch bis nach Thüringen hat es eine Elchkuh vor rund zwei Jahren schon geschafft. Sind die Tiere gekommen, um zu bleiben?
Gibt es in Deutschland dauerhaft lebende Elche?
Bislang nicht wirklich, sagt Elch-Fachmann Michael Striese. Der Biologe betreibt von der Oberlausitz aus praktisch ehrenamtlich sein eigenes Elch-Monitoring. "Also es ist so, dass das eigentlich mehr oder weniger durchziehende Tiere sind in den meisten Fällen", sagt er. Das treffe bisher auf alle Elch-Sichtungen zu, bis auf ein Tier: Bert, der seit 2018 im Naturpark Nuthe-Nieplitz südwestlich von Berlin lebt. Da es außer in Brandenburg kein systematisches Monitoring für Elche gibt, sei nicht ausgeschlossen, dass noch weitere Tiere schon länger da sind, so Striese. Wie viele Elche tatsächlich in Deutschland leben, ist laut Tierschutzorganisation WWF unbekannt.
Woher kommen die Tiere?
Überwiegend kommen die Elche aus Polen, wo die Population im Osten des Landes mittlerweile rund 30.000 Tiere und mehr beträgt. Aber auch aus Tschechien wandern mitunter Elche ein, so Biologe Striese. Die Grenzregion zwischen Österreich, der Tschechischen Republik und Deutschland beherbergt das südwestlichste Vorkommen von Elchen in Kontinentaleuropa, schätzt die Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald.
Rund 20 Tiere leben vorwiegend auf tschechischer Seite im Nationalpark Šumava. Von dort stammt auch Elch Emil, der im Sommer mehr als einen Monat lang durch Nieder- und Oberösterreich wanderte und schließlich durch einen Betäubungsschuss gestoppt wurde.
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Wohin wandern die Elche, die immer wieder gesehen werden?
Elche sind Einzelgänger und suchen sich in der Regel eine Stelle, wo es ihnen gefällt - "und dort bleiben die dann auch gegebenenfalls ihr ganzes Leben lang", so Striese. Weil die Tiere gut und gern eine Tagesstrecke von 30 Kilometern absolvieren können, sieht man sie mitunter eben auch deutlich weiter entfernt von der deutschen Grenze, etwa in Sachsen-Anhalt und Thüringen. Abgesehen vom Brandenburger Elch Bert scheinen die Tiere im Osten Deutschlands bislang in der Regel irgendwann umzukehren und zurückzugehen.
Welche Gebiete eignen sich besonders für den Elch?
Elche waren laut WWF einst überall in Deutschland verbreitet - in Thüringen und nordöstlich der Elbe gab es sie demnach bis ins späte Mittelalter, in Sachsen vermutlich bis 1746. Wo es viel Wald gibt und gegebenenfalls auch noch Wasser, dort haben die Tiere auch heutzutage noch ein gutes Auskommen, sagt Elch-Fachmann Striese. Insofern gebe es eigentlich in allen Ost-Bundesländern Flächen, die für den Elch geeignet wären. Je näher man der Ostgrenze Deutschlands komme, desto wahrscheinlicher sei eine Ansiedlung. Ähnlich wie bei Bert hält Striese eine weitere dauerhafte Zuwanderung der Tiere über Oder und Neiße am wahrscheinlichsten.
Werden die Tiere irgendwann dauerhaft in Deutschland leben?
Die Anzahl der Sichtungen in Sachsen, wo Striese Daten sammelt, und in Brandenburg, wo es ein eigenes Elch-Monitoring gibt, schwanken von Jahr zu Jahr. Ein eindeutiger Wachstumstrend sei nicht erkennbar. Weil es in allen ostdeutschen Bundesländern mittlerweile Stellen für das Wolfsmonitoring gibt, werden als Beiwerk immer wieder auch entdeckte Elche - etwa über Wildkameras - dokumentiert, so Striese.
Vieles hänge davon ab, wie sich Mittleuropas größte Elchpopulation in Polen weiter entwickle. Die Tiere würden sich systematisch weiter gen Westen ausbreiten, so der Verein "Rewildering Oder Delta", der sich für Naturschutzprojekte im Osten Mecklenburg-Vorpommerns einsetzt. "Wenn diese Entwicklung ihren Lauf nimmt, wird der Elch sehr wahrscheinlich weiter nach Westen wandern und neue Territorien in Deutschland besiedeln", heißt es auf der Internetseite des Vereins.
Bringt der Elch auch Probleme mit sich?
Ausgewachsene Elche wiegen bis zu 500 Kilogramm. Die Tiere fressen im Sommer rund 40 Kilogramm an Blättern und Ästen und bedienen sich dafür hauptsächlich an Waldbäumen, sagt Elch-Fachmann Striese. Insbesondere im Winter könne das für Jungbäume zum Problem werden. "Wenn so ein Elch in einer einen Hektar großen Kiefernschonung steht, ist die im nächsten Frühjahr bloß noch Feuerholz."
Verkehrsunfälle mit Elchen sind problematischer als mit anderen Tieren. Elche seien deutlich höher und schwerer als andere Wildtiere, Unfälle mit Elchen dementsprechend gefährlicher. Es sei ratsam, Elchen auszuweichen und eine Kollision zu vermeiden. Nicht von ungefähr kommt der Begriff des "Elchtests" für ein Ausweichmanöver. In Elchgebieten sei es nachts und in der Dämmerung daher ratsam, schlicht langsamer zu fahren, so Striese.
Wie verhalte ich mich, wenn ich einen Elch sehe?
"Also wenn man einen Elch sieht, sollte man sich darüber freuen, weil das ist ein wenig wie ein Lottogewinn. Es kommt eben nicht so häufig vor", erklärt Biologe Striese. Ganz ungefährlich seien die Tiere aber nicht. Von Hunden etwa könnten sie sich bedroht fühlen. Mitunter seien sie aber auch einfach neugierig. "Und deswegen sollte man halt schon 30 bis 40 Meter Abstand halten." Die Tiere treten, wenn sie sich verteidigen müssen, sehr gezielt mit den Vorderhufen aus, erklärt der Elch-Fachmann. "Selbst ein einjähriger Elch wiegt schon über 150, 200 Kilo. Wenn die uns so schubsen, wie sie das untereinander machen, sind wir reif fürs Krankenhaus."
Wer einen Elch gesehen hat, kann sich direkt per E-Mail bei Elch-Forscher Michael Striese melden: m.striese@lutra-striese.de