Die vermehrten Drohnensichtungen in Deutschland und anderen Ländern beunruhigen auch die Politik im Industrieland Nordrhein-Westfalen. Im bevölkerungsreichsten Bundesland seien bisher noch keine Flüge großer militärischer Drohnen nachgewiesen worden, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU) in einer Aktuellen Stunde des NRW-Landtags zu Drohnengefahren. Die Sichtung solcher Drohnen in anderen Ländern sei aber ein neues Phänomen, das beunruhige.
Die Opposition warf dem Minister vor, das Drohnen-Problem kleinzureden und forderte die Entwicklung eines eigenen Drohnenkonzepts für NRW. Reul wies die Vorwürfe zurück. Zur Abwehr kleiner, kommerzieller Drohnen, die jeder kaufen könne, habe die NRW-Polizei seit langem ein Kompetenzzentrum. Die Polizei könne etwa Störsender einsetzen oder auch die Steuerung einer Drohne übernehmen, sie also "kapern", damit die unbemannten Objekte nicht weiterfliegen könnten.
Während bei Flügen kommerzieller Drohnen oft "Spaßvögel oder irgendwelche Privatleute" unterwegs seien, werde bei Angriffen großer Drohnen vermutet, dass diese aus Russland gesteuert würden, sagte Reul. Es handele sich um gezielte militärische Aktionen, die von sogenannten "Taschengeld-Agenten" durchgeführt würden. "Das ist Kriegsgerät, das ist was ganz anderes."
Reul für gemeinsame Drohnenabwehr
Reul begrüßte die Initiative von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) für ein gemeinsames Drohnenabwehrzentrum und mehr Befugnisse für die Bundespolizei. "Wenn jeder allein anfängt, herumzufummeln und einen eigenen Plan zu machen, halte ich das für einen Riesenfehler." Notwendig sei eine "hohe Abstimmung und die klare Festlegung, wer für was wann zuständig ist". Dazu gehöre auch die Frage, unter welchen Bedingungen Drohnen abgeschossen werden dürften. Auch heute könnten Drohnen im Übrigen bei einer extremen Gefahrenlage bereits abgeschossen werden.
Schon 195 illegale Drohnenüberflüge
Die Opposition warf Reul vor, keinen Plan für die Abwehr großer Drohnen in NRW zu haben. In NRW seien allein in diesem Jahr schon 195 illegale Drohnenflüge gesichtet worden - und das seien "nicht alles private Akteure" gewesen, sagte die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Christina Kampmann. "Wir haben eine Bedrohungslage in Nordrhein-Westfalen, und wir erwarten, dass die Landesregierung darauf auch reagiert", sagte Kampmann. "Entwickeln Sie endlich ein Drohnenkonzept für NRW."

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Die FDP-Opposition kritisierte, dass bei der Abwehr feindlicher Drohnen weder die Rechtsgrundlage noch die Zuständigkeiten klar geregelt seien. Hinzu komme, dass CDU und Grüne in ihrer Koalition keine einheitliche Linie verfolgten, so der FDP-Rechtspolitiker Werner Pfeil. Während Bayern im Kabinett bereits eine Änderung der polizeilichen Befugnisse beschlossen habe, passiere in NRW noch nicht viel. Problematisch sei auch, dass in NRW bisher keine Behörde über die notwendige Technik zur Drohnenerfassung und -abwehr verfüge, sagte Pfeil. Die FDP forderte eine umfassende Drohnen-Strategie NRW und ein eigenes Drohnengesetz für das Land.
"Deutschland-Dome" gegen "böse Drohnen"
Der CDU-Innenpolitiker Gregor Golland sagte, die Gefahr und Bedrohung durch Drohnen sei hoch und werde massiv zunehmen. "Die Anzahl und Leistungsfähigkeit der Drohnen wachsen rasant." Zunehmend würden Drohnen über Flughäfen, Kraftwerken und Kasernen gesichtet. Gegebenenfalls bewaffnete Drohnen könnten nur durch militärische Maßnahmen erfolgreich bekämpft werden. Die Mittel dazu habe nur die Bundeswehr. "Wir brauchen einen Deutschland-Dome, der unser Land und seine Menschen effektiv und effizient schützt", sagte Golland. Er spielte damit auf das israelische Flugabwehrsystem "Iron Dome" (Eiserne Kuppel) an.
Die Bundeswehr dürfe bei der Drohnenabwehr nicht zum Polizeiersatz gemacht werden, erwiderte die Grünen-Abgeordnete Julia Höller auf ihren Koalitionskollegen Golland. Der Reflex im Sinne "Wir haben ja die große Bundeswehr, und die muss diese bösen Drohnen einfach abschießen" erledige das Problem auch nicht. Vielmehr brauche es klare Regeln für Amtshilfe der Bundeswehr und endlich ein zentrales bundesweites Lagebild zu hybriden Bedrohungen. Mobile Einheiten der Polizei müssten mit Erfassungs- und Abwehrtechnik ausgestattet werden, um schnell reagieren zu können. Auch Höller meinte, NRW solle über einen eigenen "Operationsplan Drohnen" nachdenken - gemeinsam mit den Nachbarländern.
AfD: "Propagandaschlacht" um Drohnen
Die AfD sprach von einer "Propagandaschlacht" um Drohnen. "Ein Teil der Eliten innerhalb der EU versucht, den Konflikt zu erzeugen und will unsere Angst", sagte der AfD-Abgeordneten Markus Wagner. "Drohnen, die sich immer mehr Privatpersonen zum Spottpreis bei Amazon bestellen, sollen jetzt ein Beweis für die russische Bedrohung sein." Dabei hätten sich zahlreiche Drohnenmeldungen als Irrtümer, Missverständnisse oder Fehlalarme herausgestellt.