RB Leipzig hat mit der Verpflichtung der Schweizerin Tatjana Haenni als Vorsitzende der Geschäftsführung für eine Überraschung gesorgt. Die 59 Jahre alte, international anerkannte Frauenfußball-Managerin wird CEO des Tabellenzweiten - und damit in der Fußball-Bundesliga die erste Frau auf diesem Posten.
Haenni startet am 1. Januar 2026 ihren Job bei RB, wie der Club mitteilte. Die Leipziger besetzen damit nach dem Abgang von Oliver Mintzlaff die vakante Position und unterstreichen nach eigenen Angaben ihren Anspruch, "den Club durch eine erweiterte Führungsstruktur zukunftsfähig aufzustellen". Zuerst hatte die "Bild" berichtet.
Erfahrung in der Schweiz und in den USA
Die frühere Schweizer Nationalspielerin gilt seit vielen Jahren als eine der großen treibenden Kräfte im Frauenfußball. Bei der UEFA und bei der FIFA hatte Haenni verantwortliche Posten, sie organisierte auch die Frauen-WM 2011 in Deutschland mit.
Haenni war einst die erste Frau in der Geschäftsführung des Schweizer Fußball-Verbandes. Seit dem 1. Januar 2023 ist sie Sportdirektorin bei der National Women’s Soccer League (NWSL) in den USA.
Einige Frauen in der Mitverantwortung im Männerfußball
Dass Frauen in der Führung deutscher Proficlubs tätig sind, ist selten. 1986 war die FDP-Politikerin Gisela Schwerdt für acht Monate Präsidentin des damaligen Zweitligisten Arminia Bielefeld. 1991 stieg der TSV 1860 München unter der Vereinschefin Liselotte Knecht von der Bayernliga in die 2. Bundesliga auf.
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Im März 2022 wurde Nicole Kumpis zur Präsidentin von Eintracht Braunschweig gewählt - mit Sitz im Aufsichtsrat der ausgegliederten Profifußball-Gesellschaft Eintracht Braunschweig GmbH & Co. KGaA. Zudem war Katja Kraus von 2003 bis 2011 Vorstandsmitglied des Hamburger SV. Und Britta Steilmann stieg bei der SG Wattenscheid 09 vor drei Jahrzehnten als erste Frau eines Erstliga-Clubs zur Managerin auf.
Mintzlaff "sehr glücklich"
Mintzlaff hatte die RB-Belegschaft am Morgen über die spektakuläre Personalie informiert. "Wir haben unsere Geschäftsführung komplettiert. Mit Tatjana Haenni als neue Geschäftsführerin, die die Geschicke leiten soll. Ich bin sehr glücklich darüber", sagte der Red-Bull-Geschäftsführer dann bei der Eröffnung der neuen Geschäftsstelle von RB. Zur Führung der Leipziger gehören außerdem Johann Plenge (Business), Florian Hopp (Administration) und Marcel Schäfer (Sport).
"Ich freue mich sehr auf die neue Aufgabe und die Zusammenarbeit mit Johann Plenge, Florian Hopp, Marcel Schäfer sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern", sagte Haenni laut der RB-Mitteilung. "Ich kann es kaum erwarten, im Januar zu starten und den Club noch besser und intensiver kennenzulernen. Gemeinsam wollen wir den erfolgreich eingeschlagenen Weg weitergehen und unsere ambitionierten Ziele verwirklichen."
Hopfen mit nur kurzem Gastspiel an der DFL-Spitze
Haennis Verpflichtung bei RB kam auch deshalb unerwartet, da die Vereine immer noch weitgehend von Männern geführt werden. Das gilt auch für die Dachorganisation Deutsche Fußball Liga: Donata Hopfen konnte sich 2022 nicht einmal ein Jahr als Vorsitzende der DFL-Geschäftsführung halten.
Beim Deutschen Fußball-Bund gab es bisher nur Männer im Präsidentenamt, auch wenn der DFB die Besetzung wichtiger Posten mit Frauen vorantreibt und Heike Ullrich bis vor ein paar Wochen als Generalsekretärin die höchste Hauptamtliche war.
"Coup" für Haenni
Haenni war einst bei der UEFA die erste Mitarbeiterin, die sich ausschließlich um Frauenfußball kümmerte. Während ihrer 18 Jahre beim Weltverband FIFA besetzte sie unter anderem den Abteilungsleiter-Posten. Die gebürtige Bielerin gilt als international bestens vernetzt - und unerschrocken im Kampf um mehr Rechte und Aufmerksamkeit für den Frauenfußball.
"Coup für die Schweizer Fußballfunktionärin", titelte der "Tages-Anzeiger" über ihrem Wechsel nach Leipzig. "Ich habe nichts gegen Männer – solange sie sich auskennen", sagte Haenni im vergangenen Sommer in einem "Zeit"-Interview mit der ihr typischen Lässigkeit. Im "Kicker" prophezeite sie während der EM in der Schweiz: "Der Frauenfußball wird eines Tages so groß wie der Männerfußball."
Hassbrief öffentlich gemacht
Für internationale Schlagzeilen hatte Haenni 2022 gesorgt, als sie einen erhaltenen Hassbrief gegen den Frauenfußball mit sexistischen und homophoben Kommentaren auf Social Media teilte. "Mit der Publikation dieses Briefes wollte ich die Öffentlichkeit weiter sensibilisieren und aufzeigen, dass Respekt und Toleranz noch immer zu oft mit Füßen getreten werden", teilte sie als damalige Direktorin des Schweizerischen Fußballverbandes mit.