Trotz EU-Beschluss Ende der Zeitumstellung rückt wieder in weite Ferne

Zeitumstellung
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Sehen Sie im Video: Was soll diese nervige Zeitumstellung? 






Dieser Beitrag erschien erstmals am 21.10.2015 auf stern.de.


Jede Woche gibt es neue, spannende Erkenntnisse in der Wissenschaft. Doch verstehen kann sie kaum einer. Außer Christoph Koch, Leiter des Wissenschaftsressorts beim stern. Stellvertretend für all die Ahnungslosen wird stern-Reporter Thilo Mischke seinen Kollegen befragen. Zu aktuellen, aber auch fundamentalen Erkenntnissen der Wissenschaft. Und hoffentlich eine verständliche Antwort bekommen. Ganz getreu dem Namen des Magazins: Fragen. Verstehen. Diesmal: Was soll eigentlich diese nervige Zeitumstellung?

Wunderbare Zeitverdopplung



Die Nacht auf den letzten Sonntag im Oktober ist die längste des Jahres: Nach 2:59 Uhr springt die offizielle Zeitrechnung sonderbarerweise nicht auf 3:00, sondern wieder auf 2:00 Uhr. Die „geschenkte“ Stunde, jeder weiß es, ist aber eigentlich nur geborgt: Im Frühjahr mussten wir alle eine Stunde früher aufstehen. Die Rede ist von der Sommerzeit. Eine deutliche Mehrheit findet sie ziemlich überflüssig und hat zumindest auf das frühere Aufstehen an ihrem Anfang eigentlich überhaupt keine Lust.
Aber warum hält sich die Sommerzeit dann überhaupt so hartnäckig? Gilt sie überall, und wozu wurde sie erfunden? Rätsel über Rätsel, die wir in unserem neuen Video rechtzeitig zur Uhrenumstellung aufklären können.
Auch auf den Druck vieler Bürger hin schlug die EU-Kommission im Sommer 2018 vor, die umstrittene Zeitumstellung schon in diesem Jahr abzuschaffen. Das geht den meisten Mitgliedsstaaten jedoch offenbar zu schnell.

Das Ende der halbjährlichen Zeitumstellung in der EU ist nicht absehbar. "Es scheint, dass die meisten Mitgliedstaaten mehr Zeit benötigen", heißt es in einem öffentlichen Dokument der rumänischen EU-Ratspräsidentschaft, über das zuerst die Funke-Mediengruppe berichtet hatte. Am kommenden Donnerstag wollen die für das Thema verantwortlichen EU-Verkehrsminister darüber diskutieren. Eine Entscheidung wird nicht erwartet.

Die EU-Kommission hatte im Sommer vorgeschlagen, die Zeitumstellung in der EU schon 2019 abzuschaffen. Anschließend könnte jedes Land selbst entscheiden, ob es dauerhaft Sommer- oder Winterzeit einführen will. Die Brüsseler Behörde reagierte damit auch auf den Druck vieler Bürger. Bei einer EU-weiten Umfrage hatten sich 84 Prozent der Teilnehmer für ein Ende des Hin und Her ausgesprochen, die meisten von ihnen kamen aus Deutschland.

Ende Zeitumstellung - EU - Zeitmangel
Der Nutzen der halbjährlichen Zeitumstellung ist äußerst umstritten
© Arne Immanuel Baensch / Picture Alliance

Wachsender Widerstand gegen Zeitumstellung

Eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse DAK-Gesundheit ergab im März, dass der Widerstand gegen die Zeitumstellung in Deutschland sogar wächst. Danach lag der Anteil der Befürworter bei 18 Prozent und somit auf dem tiefsten Wert seit Jahren. Mehr als drei Viertel der Befragten (78 Prozent) waren für die Abschaffung.

Wenige Tage später stimmte das Europaparlament dafür, ab 2021 auf die Zeitumstellung zu verzichten. Das Parlament muss sich jedoch noch mit den EU-Staaten auf eine Linie einigen. Dafür braucht es zunächst eine Position der auf EU-Ebene zuständigen Verkehrsminister.

In dem Schreiben aus Rumänien, das derzeit den Vorsitz der EU-Staaten innehat, heißt es: Die bisherigen Diskussionen hätten klar gemacht, dass "ein EU-weit harmonisierter und koordinierter Ansatz von entscheidender Bedeutung ist, um Zeitzonen-Flickenteppiche zu vermeiden und das reibungslose Funktionieren des EU-Binnenmarktes zu gewährleisten". Trotz Aufforderung hätten bislang nur wenige Länder ihre nationale Position dargelegt. Die Staaten müssten noch Konsultationen in der Regierung, mit Interessengruppen, Bürgern und Nachbarstaaten abschließen, bevor sie sich positionierten.

Winter- oder Sommerzeit? Bundesregierung hat sich noch nicht entschieden

Eine gemeinsame Linie der EU-Staaten ist also nicht in Sicht. Sie könnte frühestens Ende des Jahres, beim nächsten regulären Treffen der Verkehrsminister zustandekommen. Anschließend müsste dann mit dem Parlament verhandelt werden.

In Deutschland ist Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) für das Thema Zeitumstellung zuständig. In einem Schreiben an die Nachbarländer Deutschlands sowie an weitere Staaten schlug er den zuständigen Ministern die Suche nach einer gemeinsamen Lösung vor und kündigte an, "spätestens nach der Sommerpause" auf sie zuzukommen. Für die Bundesregierung sei "die Vermeidung von Zeitinseln und Friktionen im Binnenmarkt von zentraler Bedeutung", heißt es in dem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über den zunächst die Funke-Mediengruppe berichtet hatte.

Die Bundesregierung habe sich noch nicht entschieden, ob in Deutschland künftig dauerhaft Sommer- oder Winterzeit gelten soll, schreibt Altmaier an die Kollegen von neun Ländern. Eine Entscheidung solle auf Grundlage weiterer Beratungen sowie einer Folgeabschätzung durch die EU-Kommission getroffen werden. Altmaier selbst hatte bislang für die dauerhafte Sommerzeit plädiert.

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Das Thema sei unter der rumänischen Ratspräsidentschaft seit Beginn des Jahres nicht vorangekommen, sagte eine EU-Diplomatin am Samstag der dpa. Ihrer Einschätzung nach werde es immer schwieriger, überhaupt noch zu einem Ergebnis zu kommen. "Das Momentum ist vorbei."

Wirtschaftlicher Nutzen der Zeitumstellung ist umstritten

Derzeit gibt es in Mitteleuropa eine große Zeitzone von Polen bis Spanien, zu der Deutschland und 16 weitere EU-Länder gehören. Sie soll zugunsten von Reisenden und Handel möglichst erhalten bleiben.

Der Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit ist schon lange umstritten. Seit 1996 werden in der EU am letzten Sonntag im März sowie am letzten Sonntag im Oktober die Uhren jeweils eine Stunde umgestellt. In Deutschland gibt es die Sommerzeit schon seit 1980. Ursprünglich sollte dank einer besseren Ausnutzung des Tageslichts Energie gespart werden, doch der wirtschaftliche Nutzen ist äußerst umstritten. Außerdem legen wissenschaftliche Erkenntnisse nahe, dass manche Menschen gesundheitlich unter dem Mini-Jetlag leiden.

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© Karl-Josef Hildebrand / DPA
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