Vollkorn-Getreide, Milch und Obst zieren die Verpackungen von Babynahrung. Niedliche Teddybären und Schäfchen suggerieren: Mit diesem Produkt tun Sie Ihrem Kind etwas Gutes! Dabei stecken in den Breis, Trinkmahlzeiten und Keksen keineswegs nur gesunde Zutaten, sondern vor allem jede Menge Zucker. "Was viele Lebensmittelhersteller als gesunde oder altersgerechte Nahrung für Babys und Kleinkinder emfpehlen, wird diesem Anspruch oft nicht gerecht", kritisiert die Verbraucherorganisation "Foodwatch". Wegen ihres hohen Zuckergehalts könnten die Produkte Überfütterung und die Bildung von Karies fördern. Das müsse sich ändern: Foodwatch fordert eine strengere rechtliche Regelung für die Zusammensetzung der Zutaten.
Die Verbraucherschützer sehen nicht nur eine Diskrepanz zwischen den Werbeversprechen und tatsächlichen Inhaltsstoffen der Produkte. Sie kritisieren auch, die Hersteller hielten sich nicht an die ärztlichen Empfehlungen für eine babygerechte Ernährung. So enthalte der Bebivita-Grießbrei für Säuglinge ab dem achten Monat Vanillearoma und zehn Prozent Zucker, obwohl das Dortmunder Forschungsinstitut für Kinderernährung vor zugesetztem Zucker warnt und künstliche Aromen als "überflüssig" bezeichnet.
Ähnliches gelte für Kekse für Säuglinge, etwa von Hipp, Alete oder der Lebensmittelfirma Holle: Die Kekse setzten sich zu 14,6 bis 25 Prozent aus Zucker zusammen - und stünden damit im Widerspruch zu einer Empfehlung der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), laut der "süße Zwischenmahlzeiten zur Entwicklung einer frühkindlichen Karies" führen könnten, kritisiert Foodwatch. "Karies in den ersten Lebensjahren ist in Deutschland auf dem Vormarsch", sagt BZÄK-Vizepräsident Dietmar Oesterreich. "Schuld daran ist nicht zuletzt die häufige Gabe von süßen Getränken oder süßen Zwischenmahlzeiten, denn diese verursachen Karies schon an den ersten Zähnchen."
Doch nicht nur den Zähnen können zuckerhaltige Kekse und Getränke schaden. Foodwatch befürchtet auch, dass sich Säuglinge früh an zu süße Nahrung gewöhnen. "Die Ernährung in den ersten Lebensmonaten ist prägend und beeinflusst das spätere Ernährungsverhalten eines Menschen", sagt Wieland Kiess, Kindermediziner am Uniklinikum Leipzig. "Deshalb ist es wichtig, eine zu starke Süßgewöhnung im Säuglingsalter zu vermeiden."
Die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) riet daher in einer Empfehlung dazu, bei der Herstellung von Babybrei komplett auf den Zusatz von Salz und Zucker zu verzichten, "um eine entsprechende Prägung des kindlichen Geschmacks zu vermeiden". Dennoch tauchte "Zucker" in der Zutatenliste von fast jedem von Foodwatch aufgeführten Produkt auf. Eines dieser kritisierten Produkte ist von der Organisation auch für die Wahl zum "Goldenen Windbeutel" 2014 nominiert.
Lücken im Gesetz
Wie das kommt? Laut Foodwatch sind Gesetzeslücken Schuld. In Deutschland gibt es zwar die sogenannte Diätverordnung, laut der die Zutaten der Produkte "für die besondere Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern geeignet" sein müssen. Zu der Frage wie die Zutaten zusammengesetzt sein sollten, gebe es jedoch keine adäquaten Vorgaben, bemängelt der Verein.
Die Kritik ist nicht neu. Seit Jahren beschweren sich Ernährungsexperten, Ärzte und Verbraucherschützer über die irreführenden Werbeversprechen und womöglich ungesunden Inhaltsstoffe von Kinderlebensmitteln. Im April dieses Jahres untersuchte "Öko-Test" zwölf verschiedene Babybreie auf Zuckergehalt und Schadstoffe. Das Ergebnis: Zehn fielen durch, keins war besser als "ausreichend".
Auch die Verbraucher selbst - besser gesagt deren Eltern - verstehen nicht, warum die Firmen nicht auf die gängigen Ernährungsempfehlungen hören. "Was hat Zucker in Babynahrung verloren?", fragte etwa eine Mutter den Hipp-Elternservice. Das Unternehmen antwortete: "Zucker ist generell kein Schadstoff und auch für Babyprodukte in festgelegter Menge ausdrücklich erlaubt. Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ist gegen eine geringe Menge 'Zucker' im Rahmen eines ausgewogenen Beikostplans nichts einzuwenden." Zudem gehe bei "sachgemäßer Verwendung" und gründlicher Zahnpflege keine nachteilige Wirkung von Zucker aus.
Gesunde Alternativen
Die Frage ist allerdings: Wie viel Zucker ist ok? Und auch: Welche Art von Zucker? Viele Produkte enthalten zugesetzten Haushaltszucker. Laut Ernährungsexperten ist das überflüssig. Schließlich bestehen viele der Produkte aus Früchten und Milch, die von Natur aus Fruktose beziehungsweise Laktose enthalten.
Auf gezuckerte Fertigprodukte sollten Eltern also nach Möglichkeit verzichten. Babybrei ist schnell selbst angerührt: Das Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) empfiehlt zum Beispiel einen Brei aus Vollmilch, Vollkorngetreideflocken oder Grieß und zerdrücktem Obst. Dieser enthält bereits zwölf Gramm Milch- und Fruchtzucker - und kein Gramm Haushaltszucker.